Der Bund mit Noah - Zu einem biblischen Verständnis von Josua 21,43-45. Teil 2.
Viele, die Josua 21 als Beweis dafür zitieren, dass Gott die Landesverheissungen des abrahamitischen Bundes bereits erfüllt habe, beginnen mit ihren Studien an dieser Stelle. Allerdings ist Josua 21 kein geeigneter Ausgangspunkt. Es gibt viele andere entscheidende Fakten, die in Betracht gezogen werden müssen. So ist zum Beispiel der abrahamitische Bund, auf den sie sich beziehen, der zweite Bund Gottes, über den in der Bibel berichtet wird. Der Bund mit Noah ist der erste Bund in der Schrift. Dieser ist bedeutsam, weil man beachten sollte, welche Herangehensweise jemand bei der Auslegung eines Bundes Gottes wählt (obwohl diese dann oft nicht durchgängig umgesetzt wird).
Aus der Bibel kennen wir sechs Bündnisse Gottes (den Noah-Bund, den abrahamitischen Bund, den priesterlichen Bund, den mosaischen Bund, den David-Bund und den Neuen Bund). Bevor er diese zusammenfasst, stellt Irvin Busenitz zu Recht fest: «Niemand sollte unterschätzen, wie wichtig und bedeutend es ist, die Bündnisse Gottes richtig zu verstehen. Es geht hier um viel mehr als blosse intellektuelle Überlegungen. Sie sind äusserst grundlegende theologische Anker, um das Wirken Gottes in der Menschheitsgeschichte zu verstehen.» Ausserdem: «Wie jemand die Schrift versteht, wird davon geprägt, wie er die sechs Bündnisse versteht. Dies wird sich in seiner Auslegung widerspiegeln, die seine eschatologischen Ergebnisse bestimmen wird.»
Das ist wichtig: Obgleich die meisten es verkennen, wird ihr Verständnis von der Eschatologie schliesslich und wesentlich davon geprägt sein, wie sie die Bündnisse Gottes interpretieren – beginnend mit dem Noah-Bund. Daran führt kein Weg vorbei.
In dieser Serie können wir die Bündnisse Gottes nicht im Detail behandeln. Doch es ist notwendig, zumindest die Elemente der Bündnisse zu untersuchen, mit denen Josua vertraut war. Denn diese müssen bei der Auslegung von Josua 21,41-43 berücksichtigt werden. Die Verheissungen Gottes in Seinem Bund mit Noah werden in der Bibel offen dargelegt. Tatsächlich finden wir an dieser Stelle das Wort «Bund» zum ersten Mal in der Schrift. Im Rahmen des Bundes Gottes mit Noah verheisst der Herr Noah einen Bund, bevor Er die Flut sendet: «Aber mit dir will ich meinen Bund aufrichten» (1.Mo 6,18). Es ist bedeutend, dass Gott diesen Bund den Seinen nennt, denn Er allein schliesst ihn. Dies ist ein einseitiger und kein zweiseitiger Bund. Der Text legt Folgendes nahe: (1) Die immer wiederkehrenden Jahreszeiten sind ein Aspekt dieses Bundes (1.Mo 8,22); (2) Gott betont Seine Urheberschaft bei diesem Bund: «Und ich, siehe, ich richte meinen Bund mit euch auf» (1.Mo 9,9);5 (3) Gott verspricht feierlich, nie wieder durch eine Flut alles Fleisch umzubringen (9,11); (4) der Regenbogen ist das Zeichen des Bundes, solange dieser gültig sein wird (9,12-17); und (5) der Bund wird vorgestellt als «ewiger Bund» zwischen Gott und allem Fleisch, das auf der Erde ist (9,16) – ein sehr bedeutender Aspekt. Gottes Bund mit Noah ist der umfangreichste. Die Bundesverheissungen Gottes gelten nicht nur für die ganze Menschheit von jenem Moment an, sondern auch für «alle lebendigen Wesen von allem Fleisch» (9,15).
Für alle, die die Bibel für das wahre Wort Gottes halten, sollte Gottes Bund mit Noah zum Verständnis anderer Passagen der Bibel beitragen. Dieser Bund ist ja nicht ein isolierter Bund, für den im Unterschied zu anderen (speziell einseitigen) Bündnissen Gottes besondere Regeln der Auslegung gelten. Das göttliche Gericht über die Erde wurde buchstäblich ausgeführt. Nichts in diesem Text gibt Anlass zu einer allegorischen Auslegung. Dies gilt sowohl für Gottes Handeln in 1. Mose 6-9 als auch für Seine Verheissungen bezüglich der Zukunft. Mit Recht warnt Busenitz:
«Wenn Gott einen einseitigen Bund schliesst, der nur durch Seine eigene Treue garantiert wird; wenn Gott einen Bund schliesst, der den Menschen keinerlei Bedingungen auferlegt; wenn Gott einen Bund schliesst, der so lange bestehen bleibt, wie es Tag und Nacht und Jahreszeiten gibt – dann muss grösste Vorsicht walten. Es sollten keinerlei selbst erdachte Einschränkungen gemacht werden, die diesen Bündnissen das Leben und jegliche Grundlage entziehen würden. Sie würden die herrliche, vollkommene Verwirklichung all dessen aufheben, was Er in diesen Bündnissen versprochen hat. Ihre Bedeutung kann nicht überschätzt werden.»
Mit anderen Worten: Nichts in diesem Text gibt Anlass zum Gedanken, Jahwe hätte gar nicht vorgehabt, Seinen Bund wörtlich zu erfüllen. Nichts in diesem Text gibt dem Leser irgendeinen Anhaltspunkt dafür, dass Gott irgendwann in der Zukunft (zum Beispiel in Josua 21) erwägen würde, Seine Erde wieder durch eine Flut zu zerstören. Wenn Er in Josua 21,43-45 jede Verheissung erfüllt hätte, würde dies auch für die des Noah-Bundes gelten. Schliesslich hatte Er die Welt bislang nicht zerstört und wäre nun konsequenterweise wieder frei, dies ganz nach Belieben zu tun. Wenn man diesen Gedanken zu Ende denkt, gibt es keinen Grund anzunehmen, dass Jahwe noch irgendein Wort halten sollte. Wenn man Gottes Bund mit Noah so auslegen würde (so, wie es viele in Bezug auf Josua 21,45 tun), dann hätten wir keine Chance zu erfahren, ob überhaupt noch irgendeine Bundesverheissung Gottes gültig wäre. Wir wüssten nicht, wann Er dieses Kapitel abgeschlossen hätte. Wer die Bibel für wahr hält, wird diese Sichtweise zu Recht verlachen. Denn sie schwächt die Verheissungen Gottes im Bund mit Noah. Mehr noch: Dies wäre eine schwere Beleidigung Gottes und Seiner Bundestreue. Träfe diese Auslegung zu, dann wäre auf Sein Wort kein Verlass mehr. Es ist also von fundamentaler Bedeutung festzustellen: Die Weise, in der Gottes Bund mit Noah ausgelegt wird, legt fest, wie die anderen Bündnisse Gottes ausgelegt werden sollen – es sei denn, es lägen ausreichende Gründe vor, die Auslegungsweise zu ändern.
Von Greg Harris