Für die Auseinandersetzung mit Zukunftsereignissen, wie sie in der Bibel vorhergesagt werden, ist es von grosser Bedeutung, dass die Entrückung in den Abschnitten über die grosse Trübsal nie erwähnt wird. Jeder neutestamentliche Text über die Entrückung schildert dieses Geschehen als kurz bevorstehend, und es werden keine Ereignisse genannt, die ihm vorangehen. Als in Thessalonich einige Gläubige starben, stellten sich die Hinterbliebenen die Frage, was denn mit ihnen geschehen würde, wenn die noch Lebenden entrückt würden. Sie meinten wohl, dass die Auferstehung der Toten in Christus nicht bei der Entrückung, sondern danach stattfinden würde. Aus dem Thessalonicherbrief geht nicht eindeutig hervor, wie tiefgehend das Verständnis der dortigen Gemeinde über die kommende Trübsalszeit und die Wiederkunft Christi war. Als die Thessalonicher den Timotheus um Aufklärung baten, konnte er diesen Sachverhalt nicht klären und leitete ihn mit anderen theologischen Fragen an Paulus weiter. Seine Antwort lesen wir im 1. Thessalonicherbrief.
Die Erfahrung der Christen in Thessalonich verdeutlicht, dass sie das Kommen Christi zwar zu jeder Zeit erwarteten, aber nicht damit rechneten, die Zeit der Trübsal durchstehen zu müssen, denn diese wird nicht erwähnt. Paulus schildert in 1. Thessalonicher 4,13-18 die Einzelheiten der Entrückung. In dieser Offenbarung erklärt er, dass die Auferstehung der Toten in Christus nicht hinausgezögert wird; vielmehr werden sie kurz vor der Verwandlung der Lebenden auferweckt, damit beide Gruppen ihrem Herrn in der Luft begegnen können. Sie werden gemeinsam in das Haus des Vaters gehen, und so erfüllt sich das Versprechen Christi in Johannes 14. Noch wichtiger ist die häufig übersehene Tatsache, dass kein einziger Textabschnitt über die Entrückung irgendwelche vorhergehenden Ereignisse erwähnt. Die Gläubigen werden stets ermahnt, auf Christus zu warten, nicht auf die Trübsal oder den Antichristen. Da die Entrückung sowohl in Johannes 14,1- 3 als auch in 1. Thessalonicher 4,17–18 als Trost und Ermutigung dargestellt wird, sollten die Gläubigen nicht auf eine Trübsal warten, in der die meisten von ihnen getötet werden.
Alle Anhänger der Lehre von der Entrückung nach der Trübsal sind gezwungen, die Trübsal nicht wörtlich auszulegen. Vor dem Zweiten Weltkrieg behaupteten sie sogar, die Prophezeiungen über diese Zeit hätten sich bereits erfüllt. Nach der neusten von ihnen vertretenen Sichtweise liegt zwar eine Trübsal vor uns, aber diese wird stark verkürzt, sodass die Gemeinde Jesu diese Zeit ohne grosse Verluste überstehen wird. Aber diese Auslegung wird in der Offenbarung nicht bestätigt, denn dort ist in Kapitel 7 von den Menschen die Rede, die den Märtyrertod erleiden, aber auch von der Vernichtung eines Viertels der Weltbevölkerung in Kapitel 6,7-8 und von einem Drittel, das die Katastrophen überleben wird (vgl. Offb 9,18). Ausserdem werden in Offenbarung 16 jene schrecklichen Gerichte erwähnt, bei deren Höhepunkt ein Erdbeben praktisch die ganze Erde zerstört und nur Israel bewahrt wird. Wie kann man dann noch von einer «seligen Hoffnung» sprechen, wenn die Gemeinde Jesu diese Zeit der Bedrängnis und des Martyriums miterleben muss?
Eine Entrückung am Ende der Trübsal kann für Gläubige wohl kaum ein Trost sein, wenn die Gemeinde Jesu diese schlimme Zeit miterleben muss. Die Christen erwarten nach 1. Thessalonicher 1,4-10 «Seinen Sohn vom Himmel her». In jedem Kapitel des 1. Thessalonicherbriefs, in dem von der Entrückung die Rede ist, dient die Nähe dieses Ereignisses als Grundlage für die Ermahnung der Gläubigen, insbesondere in Kapitel 2,15 und 5,6, aber auch in 1. Johannes 3,2-3: «Meine Lieben, wir sind schon Gottes Kinder; es ist aber noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden. Wir wissen aber: wenn es offenbar wird, werden wir ihm gleich sein; denn wir werden ihn sehen, wie er ist. Und ein jeder, der solche Hoffnung auf ihn hat, der reinigt sich, wie auch jener rein ist.» Ähnliche Faktoren gelten auch für die Wiederkunft Christi. Wenn die Entrückung bereits geschehen ist, werden diejenigen, die in der Zeit danach leben, auf die Wiederkunft Christi warten und ermahnt werden, sich auf dieses Ereignis vorzubereiten.
Von John F. Walvoord