24.07.2011

Geld und Endzeit: Lenken Juden die Welt von heute?

Laut vielen Verschwörungstheorien sollen die Juden hinter allem stecken. Ist da etwas Wahres dran?
Angeblich soll König Ludwig XIV. einmal den berühmten französischen Philosophen Blaise Pascal um einen Beweis für die Existenz Gottes gebeten haben. Pascal habe ohne Zögern geantwortet: «Majestät, die Juden.» Der bibelgläubige Christ wird dem zustimmen. Wie könnte man in einem heute lebenden Juden etwas anderes sehen als den lebenden Beweis für die Existenz und Treue Gottes?
Doch wenn auch die Geschichte der Hebräer Gott zur Ehre gereicht, so hat Er sie doch für eine Zeit lang beiseitegesetzt. Nach der Bibel hat Er eine letzte «Zeit der Heiden» verordnet. Kein Geringerer als Jesus zeigt uns, was damit gemeint ist: «Sie werden fallen durch die Schärfe des Schwertes und gefangen weggeführt unter alle Völker, und Jerusalem wird zertreten werden von den Heiden, bis die Zeiten der Heiden erfüllt sind» (Lk 21,24).
Diese Ära begann kurze Zeit später tatsächlich und dauert bis heute an. Der babylonische König Nebukadnezar zerstörte Jerusalem und den Tempel und führte eine grosse Anzahl Juden gefangen nach Babylon. Von da an spricht man von den Zeiten der Heiden (manche meinen allerdings, diese Zeit sei mit der Gemeinde angebrochen). Das jüdische Land wurde von nichtjüdischen Völkern beherrscht.
Nach Sir Robert Anderson (er lebte im 19. Jahrhundert), dem berühmten Verfasser des Buches The Coming Prince (Der kommende Fürst), befinden wir uns jetzt in der sechsten, letzten und längsten Periode, in der die Hebräer bzw. ihre Nachkommen unter der Vorherrschaft der Heiden stehen: der Diaspora. Anderson weist darauf hin, dass die Hebräer vor unserem Zeitalter während fünf besonderer und voneinander getrennter Perioden von Heiden beherrscht wurden. Er bemerkt dazu: «Sie wurden acht Jahre lang durch den König von Mesopotamien versklavt, 18 Jahre lang durch den König von Moab, 20 Jahre durch den König von Kanaan, sieben Jahre durch die Midianiter und schliesslich 40 Jahre durch die Philister.»
Dennoch: Obwohl die Bibel klar bezeugt, dass gerade jetzt immer noch die «Zeit der Heiden» ist, hält sich rund um die Welt hartnäckig eine der schändlichsten Ansichten, nämlich, dass die Juden sich verschworen hätten, die Kontrolle über die Welt zu übernehmen. Wie könnte das nur wahr sein?
Das biblische Buch Ester ist prophetisch, wenn auch auf andere Weise als die ausdrücklichen Vorhersagen der Propheten. Das ganze Buch ist eine Allegorie dessen (oder besser gesagt: es lässt ahnen), was die Juden während der Diaspora erleben sollten. Die Geschichte handelt nur zwei Generationen nach der Zeit, als den Juden erlaubt wurde, nach Jerusalem zurückzukehren und es wieder aufzubauen. Die überwiegende Mehrheit (etwa 90 Prozent) blieb jedoch lieber in Babylon. Später zogen einige woanders hin, auch nach Susa. Aus dem Buch Ester erfahren wir, dass es ihnen unter König Xerxes in dieser persischen Stadt gut ging. Ester und Mordechai, die jüdischen Hauptakteure in diesem Bericht, stiegen beide in die höchsten Kreise der Gesellschaft auf. Ausserbiblische zeitgenössische Quellen aus Susa erwähnen viele Juden als reiche Kaufleute, Händler und Bankiers.
Im Buch Ester sehen wir die Juden von den anderen Völkern getrennt, doch anders als viele Juden heute, identifizierten sie sich nicht zwangsläufig mit dem Judentum als Religion. (Interessanterweise wird Gott im Buch Ester nicht ein einziges Mal erwähnt.) Wir stellen auch fest: Menschen neigen dazu, gerade die Juden zu verfolgen. Ein wichtiger Aspekt dieser Geschichte ist, dass die Juden während der Diaspora zwar durchaus Wohlstand und grossen Einfluss gewinnen konnten, aber weiter den Heiden untertan waren (Xerxes, ein Heide, besass immer noch eine herausragende Machtstellung). So ist es auch heute auf der Welt, sogar in den USA mit ihrem relativ grossen jüdischen Bevölkerungsanteil.
Viele Juden haben zwar einflussreiche Positionen in der Regierung (z.B. in der Vergangenheit Henry Kissinger oder Paul Wolfowitz) oder sind überdurchschnittlich an der Wall Street oder in Hollywood vertreten. Dennoch leben wir immer noch in der Zeit der Heiden. Die Juden sind weiterhin nur ein kleines Häuflein (weniger als ein 0.2 Prozent der Weltbevölkerung). Die Schrift sagt: «Der Herr wird euch zerstreuen unter die Völker, und es wird von euch nur eine geringe Zahl übrig bleiben unter den Heiden, zu denen euch der Herr wegführen wird» (5.Mo 4,27).
Auch trifft es zu, dass viele Juden sowohl im Guten als auch in eher umstrittenen Bewegungen herausragen bzw. an vorderster Front stehen. Juden findet man an praktisch allen Wendepunkten. Sie sind an bedeutenden Trends im Weltgeschehen beteiligt, sei es im sozialen, moralischen oder wirtschaftlichen Bereich. Man könnte daher meinen, sie hätten mehr Einfluss, als dies ihrer Anzahl entspricht. Doch hier muss man beachten: Sie sind zwar einflussreich, aber bei den Debatten stehen meistens auf beiden Seiten jüdische Vertreter. Denken Sie an das Ende des 19. Jahrhunderts, ehe zwei Millionen Juden Russland verliessen. Juden machten einen grossen Teil der beiden grössten Oppositionsparteien jener Zeit aus, sowohl bei den Bolschewiki als auch bei den Menschewiki. Auch in Amerika zeigen sich die Juden heute gespalten. Juden beteiligen sich aktiv auf beiden Seiten jeglichen Spektrums daran, ihre Meinung zu vertreten und Einfluss auszuüben.
Dies sind einige der Gründe dafür, warum wir die Verschwörungstheorien ablehnen müssen, nach denen angeblich die Juden hinter allem stecken. Am Ende wird Gott in Seinem Zorn die Juden dazu bringen, endlich den Messias anzuerkennen, «den sie durchbohrt haben» (Sacharja 12,10). Dann wird Er sie in der Tat zum Haupt der Welt erheben. Dies aber wird nicht geschehen, ehe die Zeiten der Heiden enden.
Von Wilfred J. Hahn