04.01.2013

Die Juden sind die Feinde aller Menschen?


«Denn, Brüder, ihr seid Nachahmer der Versammlungen Gottes geworden, die in Judäa sind in Christo Jesu, weil auch ihr dasselbe von den eigenen Landsleuten erlitten habt, wie auch jene von den Juden, die sowohl den Herrn Jesus als auch die Propheten getötet und uns durch Verfolgung weggetrieben haben, und Gott nicht gefallen und allen Menschen entgegen sind (andere Übersetzung: aller Menschen Feinde), indem sie uns wehren, zu den Nationen zu reden, auf dass sie errettet werden, damit sie ihre Sünden allezeit vollmachen; aber der Zorn ist völlig über sie gekommen» (1.Thess 2,14-16).

Wir sollten verstehen, welch eine Katastrophe sich im alten Israel ereignete: Nachdem die jahrhundertelangen Studien und Gesetzesauslegungen der Sophrim und Tanaim den Heiligen Schriften gleichgestellt und teils sogar über sie gestellt wurden, mutierte die ganze wunderbare Gottesoffenbarung an Israel zu einer simplen Religion mit ihren typischen Kennzeichen: Eine stolze, selbstgerechte und geldgierige religiöse Oberschicht dominierte das Volk und hielt es im ganzen Vorschriftenlabyrinth gefangen. Das betraf sowohl die sehr eifrigen, ja fanatischen Pharisäer, die wir auch als Legalisten einstufen können, als auch die liberalen Sadduzäer. Privilegien, Macht, Stolz und persönliche Bereicherung versteckten sie sehr geschickt und raffiniert unter einem frommen Schafspelz. Letztlich wurde «das Fleisch, der alte Adam, der natürliche Mensch» nach aussen hin veredelt und aufgemotzt, aber das alles führte in eine schreckliche Verblendung, in Blindheit und Betrug. Das Schlimmste aber war die verbissene Feindschaft gegenüber Jesus und allen, die Ihn als Messias und Retter bekannten! Religion ist eine satanische Taktik, um Jesus und das Kreuz zu vermeiden, zu umgehen und sogar zu bekämpfen. In ihrer ganzen Selbstgerechtigkeit brauchten die religiösen Führer, die sogenannten «Juden», gar keinen Messias mehr, der Sünden vergeben und stellvertretend sterben sollte. Das war für sie eine Beleidigung, eine Provokation! Höchstens einen politischen Führer wollten sie, der die Römer vertreiben und Israel wieder an die Spitze der Völker stellen sollte. Nur so verstehen wir das vernichtende und verdammende Urteil Jesu in Johannes 8 ab Vers 31 und warum Er «die Juden» als Söhne Satans brandmarkte und betonte, dass sie Ihn töten wollten. Das wurde zuerst vehement geleugnet, doch dann beschlossen und versucht (V 59). Genau das gleiche Muster und die tragischen Auswirkungen sehen wir heute bei einem Grossteil des sogenannten Christentums. Auf der einen Seite bibelkritische moderne Theologie und auf der anderen fromme Selbsthilfe-Appelle, gemischt mit einem magischen Glauben an das Wohlstandsevangeliums und ein schon krankhaftes Festhalten an «Zeichen und Wundern». Und das bedeutet, dass in naher Zukunft viele dieser religiösen dekadenten Gruppierungen dem Antichristen zujubeln werden.

Wer sind diese Juden? Wenn diese «Hoi Ioudaioi» (übersetzt «die Yehudim» – «Juden») im Johannesevangelium im negativen Sinn erwähnt werden, dann wird aus dem Zusammenhang klar, dass es sich eigentlich um judäische Jerusalemer handelt. Der Ausdruck «Jude» kommt heute sehr schlecht an und wirkt als antisemitisches Klischee. Selbst damals waren nicht alle Juden, denn es gab ja die Unterscheidung nach den 12 Stämmen Israels. Zu Jesu Zeiten wurden die Jünger als Galiläer bezeichnet. Heute werden alle semitischen Nachkommen aus der Linie Isaaks stereotyp Juden genannt – oft mit diskriminierenden Absichten. Und leider haben da auch die Bibelübersetzungen Vorarbeit geleistet, indem alle «Juden» als Feinde Gottes und der Menschheit und als Christusmörder gebrandmarkt wurden. Während der deutschen Nazi- Herrschaft wurde dieses Gedankengut willig aufgenommen und bis zum Holocaust durchgezogen, mit einer zum grössten Teil schweigenden und sogar zustimmenden Christenheit!

Wir müssen also aus dem Textzusammenhang herausfinden, was mit «den Juden» gemeint ist. Ob es sich um eine einfache Unterscheidung von Juden und Heiden handelt, ob es sich um judaisierende Mitglieder der Jerusalemer Gemeinde handelt, die unter den gläubig gewordenen Heiden Unruhe stifteten, oder ob es sich um die damalige religiöse Jerusalemer Obrigkeit handelt, die Jesus und später auch Seine Jünger aus dem Weg schaffen wollten.

Ist das Neue Testament antisemitisch? «Sie antworteten und sprachen zu ihm: Abraham ist unser Vater. Jesus spricht zu ihnen: Wenn ihr Abrahams Kinder wäret, so würdet ihr die Werke Abrahams tun; jetzt aber suchet ihr mich zu töten, einen Menschen, der die Wahrheit zu euch geredet hat, die ich von Gott gehört habe; das hat Abraham nicht getan. Ihr tut die Werke eures Vaters. Da sprachen sie zu ihm: Wir sind nicht durch Hurerei geboren; wir haben einen Vater, Gott. Jesus sprach zu ihnen: Wenn Gott euer Vater wäre, so würdet ihr mich lieben, denn ich bin von Gott ausgegangen und gekommen; denn ich bin auch nicht von mir selbst gekommen, sondern er hat mich gesandt. Warum verstehet ihr meine Sprache nicht? Weil ihr mein Wort nicht hören könnt. Ihr seid aus dem Vater, dem Teufel, und die Begierden eures Vaters wollt ihr tun. Jener war ein Menschenmörder von Anfang und ist in der Wahrheit nicht bestanden, weil keine Wahrheit in ihm ist. Wenn er die Lüge redet, so redet er aus seinem Eigenen, denn er ist ein Lügner und der Vater derselben» (Joh 8,39-44).

Gerade dieser Abschnitt wirkt schockierend. Aus dem Zusammenhang erkennen wir, dass es sich um eine «Tempelrede Jesu» handelt (V 2), in der Er sich an eine spezielle Zuhörerschaft richtete: «Jesus sprach nun zu den Juden, die ihm geglaubt hatten …» (V 31). Hier ist also vordergründig von Menschen die Rede, die an Jesus glaubten. Das ist doch wunderbar!? Aber Jesus liess sich nicht durch einen äusserlichen Schein täuschen und begann zu provozieren mit der Absicht, «dass kund würde, was in ihrem Herzen war» (vgl. 5.Mo 8,2; 2.Chr 32,31). Ihm geht es nicht um religiöse Mitläufer, nicht bloss um intellektuelles Bejahen, vielmehr um echte, d.h. wiedergeborene Nachfolger. Kompromisslos arbeitete Jesus hier an Qualität und nicht an Quantität! Doch irgendetwas stimmte hier nicht, denn diese Gruppe von Judäern disqualifizierte sich plötzlich selbst, indem sie Jesus mit einem der schlimmsten Schimpfwörter abstempelten: «Besessener Samariter!» (Joh 8,48). Das waren keine «normalen» Zuhörer. Es muss sich vielmehr um die gleiche Gruppe gehandelt haben, die schon von Johannes dem Täufer äusserst scharf zurückgewiesen wurde: «Als er aber viele der Pharisäer und Sadduzäer zu seiner Taufe kommen sah, sprach er zu ihnen: Otternbrut! Wer hat euch gewiesen, dem kommenden Zorn zu entfliehen? Bringet nun der Busse würdige Frucht; und denket nicht bei euch selbst zu sagen: Wir haben Abraham zum Vater; denn ich sage euch, dass Gott dem Abraham aus diesen Steinen Kinder zu erwecken vermag. Schon ist aber die Axt an die Wurzel der Bäume gelegt; jeder Baum nun, der nicht gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen» (Mt 3,7-10).

Später hören wir sehr ernste Worte von unserem Herrn selbst: «Deshalb sage ich euch: Jede Sünde und Lästerung wird den Menschen vergeben werden; aber die Lästerung des Geistes wird den Menschen nicht vergeben werden. Und wer irgend ein Wort reden wird wider den Sohn des Menschen, dem wird vergeben werden; wer aber irgend wider den Heiligen Geist reden wird, dem wird nicht vergeben werden, weder in diesem Zeitalter noch in dem zukünftigen. Entweder machet den Baum gut und seine Frucht gut, oder machet den Baum faul und seine Frucht faul; denn aus der Frucht wird der Baum erkannt. Otternbrut! Wie könnt ihr Gutes reden, da ihr böse seid? denn aus der Fülle des Herzens redet der Mund» (Mt 12,31-34). Und einige Kapitel weiter: «Wehe euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, Heuchler! denn ihr bauet die Gräber der Propheten und schmücket die Grabmäler der Gerechten und saget: Wären wir in den Tagen unserer Väter gewesen, so würden wir nicht ihre Teilhaber an dem Blute der Propheten gewesen sein. Also gebet ihr euch selbst Zeugnis, dass ihr Söhne derer seid, welche die Propheten ermordet haben; und ihr, machet voll das Mass eurer Väter! Schlangen! Otternbrut! Wie solltet ihr dem Gericht der Hölle entfliehen?» (Mt 23,29-33).

Diese «Juden» waren verhärtete Heuchler, dermassen verblendet, dass sie Jesus des dämonischen Betrugs bezichtigten, Ihn umbringen wollten. Mit dieser Anschuldigung begingen sie die Sünde wider den Heiligen Geist, für die es keine Vergebung gab. Und das Tragische war, dass es ja um Israel ging. Es ging um das von Gott auserwählte Volk, das zum Empfänger der göttlichen Offenbarung geworden war und der Kanal, durch den der Messias in diese Welt kommen sollte. «Wehe euch Gesetzgelehrten! Denn ihr habt den Schlüssel der Erkenntnis weggenommen; ihr selbst seid nicht hineingegangen, und die Hineingehenden habt ihr gehindert» (Lk 11,52). Wenn in den Evangelien der Ausdruck «Jude, Juden» im negativen Sinn angewandt wird, dann geht es immer um diese spezielle Gruppe, die wir heute besser als «judäische Obrigkeit aus Jerusalem» bezeichnen sollten. (Einige Bibelübersetzer haben das übrigens bemerkt und dementsprechend formuliert!) Denn leider wurde Jesu Urteil: «Euer Vater ist der Teufel» (Joh 8,44), schnell pauschal auf alle Juden übertragen. Dazu kamen noch die Protokolle der Weisen aus Zion und Boykott-Aufrufe gegen den «Apartheidsstaat Israel» und schon tönte es wieder: «Die Juden sind unser Unglück!»

Holocaust und kirchliche Vorarbeit. Wohin das «heilsgeschichtliche Auslöschen» Israels führen kann, entdecken wir bei der absolut antisemitischen Fehlentwicklung im Leben Martin Luthers, des grossen deutschen Reformators. Im berühmt-berüchtigten Buch Mein Kampf rechtfertigt Hitler seinen Kampf gegen die Juden mit den Worten: «Luther war ein grosser Mann, ein Riese. Mit einem Ruck durchbrach er die Dämmerung, sah den Juden, wie wir ihn erst heute zu sehen beginnen (…) Ich tue nur, was die Kirche seit fünfzehnhundert Jahren tut, allerdings gründlicher.» Und Julius Streicher, Herausgeber des antisemitischen Hetzblattes Der Stürmer, sagte vor Gericht zu seiner Verteidigung: «Dr. Martin Luther sässe heute an meiner Stelle auf der Anklagebank, wenn dies Buch von der Anklagevertretung in Betracht gezogen würde. In dem Buch ‹Die Juden und ihre Lügen› schreibt Dr. Martin Luther, die Juden seien ein Schlangengezüchte, man solle ihre Synagogen niederbrennen, man solle sie vernichten. Genau das haben wir getan!» Er verabschiedete sich bei seiner Hinrichtung am 16. Oktober 1946 mit folgenden Worten: «Heil Hitler! Dies ist mein Purimfest 1946 …» Sehr makaber und sarkastisch tönt es in Luthers Tischreden: «Wenn ich einen Juden taufe, will ich ihn an die Elbbrücke führen, einen Stein an den Hals hängen und ihn hinabstossen und sagen: Ich taufe dich im Namen Abrahams.» Unter dem Stichwort «Judensau» entdecken wir im Internet schockiert, dass es noch viele Kirchen mit diesem in Stein gehauenen Relief gibt. «Es ist hie zu Wittenberg an unserer Pfarrkirche eine Sau in Stein gehauen; da liegen junge Ferkel und Juden drunter, die saugen; hinter der Sau steht ein Rabbin, der hebt der Sau das rechte Bein empor, und mit seiner linken Hand zieht er den Pirzel über sich, bückt und guckt mit grossem Fleiss der Sau unter dem Pirzel in den Talmud hinein, als wollt er etwas Scharfs und Sonderliches lesen und ersehen …» (Aus der Schrift Von den Juden und ihren Lügen, Jena 1543, zit. nach Erlanger Ausgabe der Lutherschriften XXXII, S. 298). Es gibt auch Abbildungen, die die Kirche als kämpferische Frau auf einem Pferd darstellen, die die Synagoge mit einer Lanze angreift und in den Hals sticht, die mit geschlossenen Augen und seitlich geneigtem Kopf auf einem Schwein sitzt und sich an einem Ast festklammert.

Bringen wir es nun auf den Punkt: Dem «heilsgeschichtlichen Auslöschen Israels» durch die Kirchenväter folgten später handgreifliche Pogrome bis hin zum schrecklichen Holocaust inklusive der Ketzer-Prozesse während der mittelalterlichen Inquisition mit ihren unbeschreiblichen Foltermethoden. Im Rothenburger (o.T) Kriminalmuseum war auf einem mittlerweile entfernten Schildchen Folgendes zu lesen: «Den Germanen war die Folter fremd. Sie wurde durch die Inquisition eingeführt.» Das war nur möglich, weil der Katholizismus, ähnlich wie «die Juden» zur Zeit Jesu, eine Religiosität entwickelte, die neben und über das Wort Gottes noch menschengemachte Traditionen und Macht sichernde Zusätze stellte und so die «allein-seligmachende Monopol-Stellung» fanatisch und äusserst aggressiv verteidigte.

Der Antisemitismus Hitlers kann letzten Endes nur theologisch erklärt werden! Denn, so sagte Adolf Hitler schon in seinem Buch Mein Kampf: «Es darf nicht zwei auserwählte Völker geben.» Die Auslöschung des jüdischen Volkes, dieses «Krebsgeschwürs der Menschheit», war bis zuletzt Hitlers Hauptziel. Die Juden hätten das Gewissen erfunden, das Gewissen, das die Herrenrasse nicht brauche (ähnlich Himmler, der davon sprach, dass die 2.000-jährige christlich-jüdisch Geschichte nur falsche Schuldgefühle hervorgerufen habe). Hitler weiter: «Für unser Volk aber ist es entscheidend, ob sie den jüdischen Christenglauben und seine weichliche Mitleidsmoral haben oder einen starken, heldenhaften Glauben an Gott in der Natur, an Gott im eigenen Volke, an Gott im eigenen Schicksal, im eigenen Blut.» Genau das ist auch der Grund, warum zum Beispiel der Hollywoodschauspieler Richard Gere, ursprünglich aus christlichem Elternhaus, zum Buddhismus konvertierte: «Denn dort gibt es keine Schuld!»

Geradezu ins Auge springend ist die Ähnlichkeit des antijüdischen Vokabulars der Kirche seit den Tagen der Kirchenväter mit dem rassistisch geprägten Vokabular der Nationalsozialisten. Der Bonhoeffer-Biograf Eberhard Bethge sagt es ähnlich: «… die Nationalsozialisten hätten kein Wort neu erfunden. Die Kirchenväter in den ersten Jahrhunderten folgten fast alle dem Rat von Johannes Chrysostomus (5. Jh.): Es ist die Pflicht der Christen, die Juden zu hassen. Je mehr wir Christus lieben, müssen wir die Juden bekämpfen, die ihn hassen.»

So kommen wir zu dem Schluss: Der Holocaust ist die furchtbare Ernte einer anhaltenden Saat … Ohne den christlichen Antijudaismus wäre der rassistische Antisemitismus und damit der Holocaust nicht möglich gewesen. Ist das nicht furchtbar?!

Und das Alte Testament? Alle, die nun auf die sogenannten antisemitischen Passagen des Neuen Testaments zeigen und vorschlagen, sie ähnlich wie die Apokryphen abzusondern oder ganz zu streichen, sei allerdings gesagt: Ist Ihnen klar, dass die Heiligen Schriften Israels, das sogenannte Alte Testament, viel mehr «negative» Stellen enthalten als das Neue Testament? Zum Beispiel das Segens- und Fluchkapitel in 5. Mose 28 mit den angekündigten Konsequenzen für die anhaltende Rebellion gegen Gott – indem der göttlich zugelassene

Feind die Städte dann dermassen belagert und aushungert (Erfüllung z.B. in 2.Kön 18,27; Jes 36,12), dass sich alles bis zum verzweifelten und schrecklichen Kannibalismus zuspitzt (5.Mo 28,53ff.), bis zur quasi Ausrottung (5.Mo 28,62).

«Bibeltreuer» Antizionismus. Es gibt natürlich einige Bibelverse, die von «bibeltreuen» Christen verzerrt und gegen das Lager der Israelfreunde gebraucht werden. Diese Leute geben zu verstehen, dass es ausser der Gemeinde, das heisst, nach der Gemeinde, für Israel nichts mehr geben wird. Deshalb müssen wir unsere Bibel gut kennen, die ganze Schrift, den kompletten Ratschluss Gottes (Apg 20,20.27) und studieren und wachsam sein, denn, wie Rudolf Krause sagt: «Theologie nach Ausschwitz wird hellhörig sein gegenüber jedwedem Antijudaismus, auch verstecktem Antijudaismus in biblischen und dogmatischen Texten.»

Leider erwies und erweist sich das Christentum mit seinen vielen denominationellen Facetten als ein ideales Werkzeug, um zum Antisemitismus aufzurufen. Die Ersatztheologie ist das Fundament und die Bühne für die Ausschreitungen und Boykottaufrufe gegen Israel und die Juden. Denn sie ersetzt Israel durch die Gemeinde. In vielen unserer Veröffentlichungen warnten und warnen wir vor dem dadurch angerichteten Schaden. Ohne dem Wort Gottes Gewalt anzutun, ist es unmöglich, dieser Lehre anzuhängen und sie zu verteidigen. Ein Grossteil der biblischen Prophetie wird entgegen dem wahren Wortlaut und Sinn einem Symbolismus geopfert, der vielleicht Wunschgedanken und Vorurteile reflektiert, aber letztendlich eine Aggression, einen Angriff gegen Gottes Wort und Seinen Plan mit Israel darstellt!

Die «Light-Version» vieler Christen. «Ja, er spricht: Es ist zu gering, dass du mein Knecht seiest, um die Stämme Jakobs aufzurichten und die Bewahrten von Israel zurückzubringen; ich habe dich auch zum Licht der Nationen gesetzt, um mein Heil zu sein bis an das Ende der Erde» (Jes 49,6). Dieser Vers beginnt in einigen englischen Bibelübersetzungen mit den Worten: «It’s too light …», was auf Deutsch mit «es ist zu wenig, zu gering» ausgedrückt wird. Aus dem Zusammenhang wird klar, dass dieser Knecht des Herrn nicht nur Israel wiederherstellen soll, sondern auch Gottes Heil bis ans Ende der Erde sein soll. Israel allein ist Gott zu wenig! Er will Menschen in der ganzen Welt retten. Damit haben die meisten Christen keine Probleme. Aber wie stehen wir zur Rolle Israels im messianischen Auftrag? Dieser Gottes-Knecht ist ja bei Seinem ersten Kommen als Lamm Gottes gestorben, wie es detailliert vier Kapitel weiter, in Jesaja 53, prophezeit wurde. Dann, nach Pfingsten, begann die Verkündigung des Evangeliums, der Frohen Botschaft, auf der ganzen Welt – bis «ans Ende der Welt».Doch die Sammlung und Wiederherstellung Israels gehört auch zum Auftag des Christus bzw. Messias! Begnügen wir uns mit einer verstümmelten «Light-Version» oder glauben wir an die ganze Bibel?

Die nationale Hoffnung Israels oder: Kommt da noch etwas nach der Gemeinde? «Die Juden sind nicht länger Gottes auserwähltes Volk» – so krass und offen verkündet es zum Beispiel Harry Bethel mit seiner Bethel Ministries. Bei vielen anderen geschieht das verdeckter, unterschwellig, «zwischen den Zeilen», oder man merkt es nur an dem, was nie gesagt und gepredigt wird.

Der eigentliche Grund jeder christlichen Israel-Verneinung steckt in der Annahme, dass Gott dieses Volk endgültig verworfen hat und dass jetzt die Gemeinde den Platz belegt, der vorher Israel gehörte. Theologisch definiert nennt sich das Ersatztheologie. Für Colin Chapman, einem Verfechter dieser Ansicht, bedeutet das im Klartext: «Die Ankunft des Reiches Gottes durch Jesus Christus veränderte und reinterpretierte alle Verheissungen im Alten Testament.» Diese Ansicht gehört normalerweise zum Denkgebäude der sogenannten Bündnis- Theologie (aus Wessen verheissenes Land?, Colin Chapman, S. 285).

So einfach geht das also: die Verheissungen für Israel wurden alle ungültig und werden jetzt auf den Segensträger «Gemeinde» uminterpretiert und angewendet. Das hat übrigens auch Mohammed praktiziert und so alles durch den Islam zu den Arabern umgeleitet.

Die sogenannte Ersatztheologie gab es zwar auch schon am Ende des ersten Jahrhunderts, gehörte aber nicht zur offiziellen Position der christlichen Lehrmeinung, wie Dr. Thomas McCall erklärt. Erst Augustinus verbreitete am Ende des 4. Jahrhunderts dieses Gedankengut in seiner Schrift: Vom Gottesstaat oder auch «Stadt Gottes» genannt. Augustinus bezeugte, wie er zuerst ein Chiliast war. Das bedeutet, dass er an eine tausendjährige Regierung des Christus nach Seiner Wiederkunft auf diese Erde glaubte. Das ist dasselbe wie unser sogenannter Prämillenarismus (auch Prämillennialismus). Doch er kam dann zu der Überzeugung, dass das «fleischlich» sei und die Herrschaft des Christus, auf das Gemeindezeitalter ausgelegt, «geistlicher» sei. Dieser Standpunkt wird allerdings erst dann möglich, wenn man Israel (theologisch) «vernichtet» und total ausklammert und alle Verheissungen für das jüdische Volk streicht. Alle diese Segensverheissungen erfüllen sich dann an der Gemeinde.

Eine jüdische Stimme meint: «Obwohl die Christen ein klares Verständnis von ‹persönlicher› Errettung haben, ist ihnen die Vorstellung einer nationalen Errettung äusserst fremd. Obwohl nahezu 90 Prozent der prophetischen Bücher von der nationalen Erlösung des Hauses Israels oder der Nation von Israel sprechen …» (KolHaTor).

Es ist schon befremdend, wenn gerade bibeltreue Christen wichtige Verse unterschlagen, nach dem Motto: «Was nicht sein darf, kann nicht sein!» Vielleicht handelt es sich da um persönliche Präferenzen (Vorlieben) oder um eine chronische Abneigung gegen Juden. Auf jeden Fall ist da die biblische Objektivität getrübt. Wenn ein Wissenschaftler eine These aufstellt, so kann sich diese als wahr erweisen oder sie wird durch unwiderlegbare Gegenargumente zu Fall gebracht! So gehen wir auch jetzt vor und das Gott im Neuen Testament enthüllen lässt:

Das enthüllte Geheimnis. Wenn es nach dem Gemeinde-Zeitalter «nichts mehr für Israel gibt», was ist das dann für ein Geheimnis, das der Apostel Paulus durch den Heiligen Geist in Römer 11,25 erwähnt und offenbart?

«Denn ich will nicht, Brüder, dass euch dieses Geheimnis unbekannt sei, auf dass ihr nicht euch selbst klug dünket: dass Verstockung Israel zum Teil widerfahren ist, bis die Vollzahl der Nationen eingegangen sein wird; und also wird ganz Israel errettet werden, wie geschrieben steht: ‹Es wird aus Zion der Erretter kommen, er wird die Gottlosigkeiten von Jakob abwenden; und dies ist für sie der Bund von mir, wenn ich ihre Sünden wegnehmen werde›. Hinsichtlich des Evangeliums sind sie zwar Feinde, um euretwillen, hinsichtlich der Auswahl aber Geliebte, um der Väter willen. Denn Gottes Gnadengaben und Berufung sind unwiderruflich» (Röm 11,25-29). Unwiderruflich bedeutet auch: ohne Änderungsmöglichkeit (irreversibel = nicht rückgängig zu machen)! Was soll die Enthüllung dieses Geheimnisses, wenn Israel als Volk keine Verheissungen mehr hat?

Hier wird uns geoffenbart und klargemacht, dass es nach der Herausrettung von Menschen aus allen Nationen in besonderer Weise wieder mit Israel weitergeht. Nur so kann sich der Widerspruch auflösen: «Feinde um euretwillen, Geliebte um der Väter willen.» Paulus gebraucht dann einen starken Ausdruck: unwiderruflich! Deshalb bekräftigt auch unser amerikanischer Bruder Thomas Ice: «Nichts auf dieser Welt kann mich zu einem Meinungswechsel bewegen, es sei denn, dass jemand es fertig bringt, Sonne, Mond und die Sterne zu vernichten» (s. Jer 31,35-37). Maranatha!

Die Gemeinde Jesu glaubt nur dann wirklich an das, was die Bibel lehrt (sowohl Altes als auch Neues Testament), wenn sie daran festhält, dass Gott für Israel noch eine Zukunft hat. Diese Einsicht immunisiert dann auch gegen die Angriffe antisemitischer Theologie.

Von Reinhold Federolf