06.10.2010

Das Buch Daniel - Teil 2

Ein Überblick über die 70 Jahrwochen
Die Offenbarung der 70 Jahrwochen gehört zu den stichhaltigsten Beweisen für die Glaubwürdigkeit der Bibel. Lesen Sie hier Teil 2.
Bei den 70 Jahrwochen geht es nicht etwa um das Gemeindezeitalter der Gnade, sondern einzig und allein um die Heilsgeschichte Gottes mit Israel: «Über dein Volk und über deine heilige Stadt sind 70 Wochen bestimmt …» (Dan 9,24). Und es geht um eine klar definierte Zeitspanne: 70 Jahrwochen (70 x 7 Jahre = 490 Jahre). Dr. Roger Liebi schreibt zu den 70 Jahrwochen: «Das hier mit ‹Jahrwochen› übersetzte hebräische Wort ‹Shavua› hängt zusammen mit dem Zahlwort ‹sheva› (= ‹sieben›). Es bezeichnet eine ‹Siebenereinheit›, entweder von Tagen (= Woche) oder von Jahren (= Jahrwoche). In unserem Kontext kommt nur die Bedeutung von ‹Jahrwoche›, d.h. eine ‹Periode von sieben Jahren› in Frage. So wurde es z.B. offensichtlich auch im Talmud von den alten Rabbinern verstanden (Babylonischer Talmud, Nasir 32b).»
Was die 70 Jahrwochen für Israel beinhalten
«Über dein Volk und über deine heilige Stadt sind 70 Wochen bestimmt, um der Übertretung ein Ende zu machen und die Sünden abzutun, um die Missetat zu sühnen und eine ewige Gerechtigkeit herbeizuführen, um Gesicht und Weissagung zu versiegeln und ein Allerheiligstes zu salben» (Dan 9,24). Demnach beinhalten die 70 Jahrwochen für Israel Folgendes:
1. Die ständigen Übertretungen Israels werden ein Ende haben; es wird zu keinem weiteren Abfall kommen.
2. Das ständige Sündigen des Volkes und der Einzelnen wird aufgehört haben.
3. Die Missetaten Israels werden vergeben sein. Das geschah faktisch bereits am Kreuz von Golgatha (Hebr 9,26), praktisch wird es für Israel bei der Wiederkunft des Messias Wirklichkeit sein: «In jenen Tagen und zu jener Zeit wird man die Schuld Israels suchen, spricht der Herr, aber sie wird nicht mehr vorhanden sein …» (Jer 50,20). «Aus Zion wird der Erlöser kommen und die Gottlosigkeiten von Jakob abwenden» (Röm 11,26).
4. Das messianische Reich der Gerechtigkeit wird aufgerichtet werden: «Aber das Königreich, die Herrschaft und die Macht über die Königreiche unter dem ganzen Himmel wird dem Volk der Heiligen des Allerhöchsten gegeben werden; sein Reich ist ein ewiges Reich, und alle Mächte werden ihm dienen und gehorchen!» (Dan 7,27).
5. Alle Weissagungen und prophetischen Aussagen kommen zur Enderfüllung. So wie in Bezug auf die erste Ankunft Jesu und Sein Leiden alle Vorhersagen erfüllt werden mussten, so wird sich alles erfüllen, was hinsichtlich Seiner zweiten Ankunft noch aussteht. Prof. Dr. Werner Gitt führt in seinem Buch So steht’s geschrieben dazu an: «Finis Jennings Dake (1902-1987) hat die ganze Bibel durchsucht und in Statistiken erfasst. Nach seinen Berechnungen gibt es in der gesamten Bibel 6408 prophetische Aussagen, wovon sich 3268 buchstäblich und nachweislich erfüllten.»
6. Im Zusammenhang mit der Wiederkunft Jesu kommt es zur Resterfüllung. Dazu gehört auch die Salbung des Allerheiligsten. Das besagt, dass es im messianischen Reich einen neuen Tempel geben wird (Hes 40-48), der bei der Einweihung gesalbt wird, so wie die Stiftshütte mit Öl gesalbt wurde (2.Mo 40,9). In gewisser Weise wurde auch der erste Tempel gesalbt, indem die Herrlichkeit des Herrn darin erschien (1.Kön 8,10-11).
Die Aufteilung der 70 Jahrwochen
Nachdem in Vers 24 von Daniel 9 ein allgemeiner Überblick über die 70 Jahrwochen gegeben wurde, gehen die weiteren Ausführungen ins Detail: «So wisse und verstehe: Vom Erlass des Befehls zur Wiederherstellung und zum Aufbau Jerusalems bis zu dem Gesalbten, dem Fürsten, vergehen 7 Wochen und 62 Wochen; Strassen und Gräben werden wieder gebaut, und zwar in bedrängter Zeit. Und nach den 62 Wochen wird der Gesalbte ausgerottet werden, und ihm wird nichts zuteilwerden; die Stadt aber samt dem Heiligtum wird das Volk des zukünftigen Fürsten zerstören, und sie geht unter in der überströmenden Flut; und bis ans Ende wird es Krieg geben, fest beschlossene Verwüstungen. Und er wird mit den Vielen einen festen Bund schliessen eine Woche lang; und in der Mitte der Woche wird er Schlacht- und Speisopfer aufhören lassen, und neben dem Flügel wird ein Gräuel der Verwüstung aufgestellt, und zwar bis die fest beschlossene Vernichtung sich über den Verwüster ergiesst» (V 25-27).
Die 70 Jahrwochen werden in drei Teile aufgeteilt: 7 + 62 + 1 = 70
7 Jahrwochen entsprechen 49 Jahren, 62 Jahrwochen entsprechen 434 Jahren (insgesamt also 69 Jahrwochen, die 483 Jahren entsprechen), 1 Jahrwoche (die letzte) entspricht 7 Jahren (insgesamt sind das 70 Jahrwochen = 490 Jahre). Die letzte Jahrwoche wird aber nochmals unterteilt, und zwar in zwei Hälften von je 3½ Jahren.
Bis zum Erscheinen des Messias (Gesalbten) als Fürst sollen 7 + 62 = 69 Jahrwochen vergehen.
Es werden zwei Fürsten erwähnt: Zum einen der «gesalbte Fürst», das ist der Messias, zum anderen ein «zukünftiger Fürst», was sich auf den antichristlichen Weltherrscher bezieht.
Die ersten 7 Jahrwochen (49 Jahre) beschreiben die Zeit des Wiederaufbaus von Jerusalem: «So wisse und verstehe: Vom Erlass des Befehls zur Wiederherstellung und zum Aufbau Jerusalems bis zu dem Gesalbten, dem Fürsten, vergehen 7 Wochen und 62 Wochen; Strassen und Gräben werden wieder gebaut, und zwar in bedrängter Zeit» (Dan 9,25). Das ist gleichzeitig der Zeitpunkt, von dem auszugehen ist, um das Erscheinen des Messias in Niedrigkeit zu errechnen. Die Zeit der 70 Jahrwochen begann mit der Erlaubnis des persischen Königs Artasasta (Artaxerxes), Jerusalem wieder aufzubauen. Von diesem Erlass im zwanzigsten Jahr seiner Regierung berichtet Nehemia: «Es geschah aber im Monat Nisan, im zwanzigsten Jahr des Königs Artasasta …» (Neh 2,1). Nehemia war Mundschenk Artasastas und sehr niedergeschlagen, als er den König bediente. Das fiel Artasasta auf, denn Nehemia war vorher nie vor ihm traurig gewesen. Er erkundigte sich nach dem Grund seiner Betrübnis und Nehemia antwortete: «Der König lebe ewig! Warum sollte ich nicht traurig aussehen, da doch die Stadt, wo die Grabstätte meiner Väter ist, in Trümmern liegt und ihre Tore vom Feuer verzehrt sind?» (Neh 2,3). Artasasta zeigte Verständnis. Er gewährte ihm die Bitte, Jerusalem wieder aufzubauen und verfasste verschiedene Schreiben, die diesen Wiederaufbau ermöglichen sollten.
Da Artasasta im Juli 465 v.Chr. nach der Ermordung von Xerxes juristisch an die Macht kam (die Inthronisierung erfolgte ein Jahr später), muss man nach Nehemia 2,1 20 Jahre seiner Regierungszeit abziehen, um das Datum zu ermitteln, an dem Artasasta erlaubte, die Stadt Jerusalem wieder aufzubauen und entsprechende Verordnungen erliess (Neh 2,6ff). Das war demnach im Monat Nisan (Neh 2,1) im Jahr 445 v.Chr. Der Monat Nisan entspricht unserem März/ April. Aller Wahrscheinlichkeit nach war es der 1. N isan. Stanley A. Ellisen, der das gesamte Alte Testament in Tabellen und Karten und in einem zusammenfassenden Überblick aufgegliedert hat, sagt dazu: «Nach jüdischem Gebrauch ist bei fehlender Tagesangabe automatisch der Monatserste gemeint.» Nach 49 Jahren (7 Jahrwochen) sollte Jerusalem also wieder aufgebaut sein. Diese Angabe ist sehr wichtig, damit man den Erlass des Artasasta und damit den Wiederaufbau Jerusalems nicht mit dem Erlass des Kyrus verwechselt. Denn bereits der Perserkönig Kyrus hatte 539-538 v.Chr. einen Befehl zur Rückkehr des Volkes und zum Wiederaufbau Jerusalems und des Tempels gegeben (Esra 1; Jes 44,28), aber 49 Jahre später (489 v.Chr.) lag Jerusalem immer noch in Schutt und Asche, sogar noch Jahrzehnte später. Erst nach dem Erlass des Artasasta wurde Jerusalem wieder errichtet. Nun aber trieben die Zeitgenossen Nehemia, der Statthalter, und Esra, der Priester und Schriftgelehrte, den Wiederaufbau Jerusalems gemeinsam voran. Dieser Wiederaufbau gestaltete sich jedoch als sehr schwierig. Er war von Bedrängnis, Unruhen, Anfeindungen und Auseinandersetzungen gekennzeichnet, so wie Daniel es prophezeit hatte: «Strassen und Gräben werden wieder gebaut, und zwar in bedrängter Zeit» (Dan 9,25). Die Bücher Esra und Nehemia berichten eingehend über diese Zeit. Zuerst wurde die Stadtmauer und dann die Innenstadt gebaut.
John MacArthur erwähnt in seiner Studienbibel, dass das Ende der 49 Jahre mit der Wiederherstellung der Strassen und Gräben in Jerusalem, mit dem Ende des Dienstes des Propheten Maleachi und dem Abschluss des Alten Testaments zusammengefallen sei.
Die 62 Jahrwochen
Die dann folgenden 62 Jahrwochen betreffen die Zeit zwischen dem Abschluss des Alten Testaments und den Evangelien beziehungsweise dem Erscheinen Jesu. Das könnte zusätzlich eine Erklärung für die Unterteilung der 7 und der 62 Jahrwochen sowie der letzten Jahrwoche sein, die jeweils eine ganz bestimmte Zeit beschreiben, nämlich:
Erstens: Die 7 Jahrwochen beschreiben die Wiederherstellung Jerusalems und den Abschluss des Alten Testaments.
Zweitens: Die 62 Jahrwochen stellen eine Pause dar, denn in der Zeit zwischen dem Abschluss des Alten Testaments bis zu Johannes dem Täufer gab es in Israel keinen Propheten und keine Offenbarung Gottes mehr.
Dann (nach diesen 62 Jahrwochen) soll der Messias als Fürst erscheinen und das Neue Testament bringen. Die 62 Jahrwochen beschreiben somit den ungefähren Zwischenraum zwischen Altem und Neuem Testament beziehungsweise bis etwa zum Einzug Jesu in Jerusalem.
Drittens: Danach kommt es nochmals zu einem Einschub zwischen der 69. und 70. Jahrwoche.
Von Norbert Lieth