Mit Tiberius und Jesus stehen sich zwei Könige gegenüber, die zur selben Zeit lebten – ein Vergleich lohnt sich.
Der Evangeliumsautor, Historiker und Arzt Lukas beschreibt in seinem gleichnamigen Evangelium, dass Jesus Seinen öffentlichen Dienst zur Zeit des römischen Kaisers Tiberius antrat: «Aber im fünfzehnten Jahr der Regierung des Kaisers Tiberius, als Pontius Pilatus Statthalter von Judäa war und Herodes Vierfürst von Galiläa, sein Bruder Philippus aber Vierfürst von Ituräa und dem Gebiet von Trachonitis, und Lysanias Vierfürst von Abilene, unter den Hohenpriestern Hannas und Kajaphas, da erging das Wort Gottes an Johannes, den Sohn des Zacharias, in der Wüste» (Lk 3,1-2).
Zunächst ist die exakte Beschreibung erstaunlich und ein weiteres Indiz, das für die Genauigkeit der Bibel spricht (vgl. 1,1- 4). Des Weiteren wird an dieser Beschreibung ersichtlich, in welchem ungefähren Alter der Herr Jesus am Kreuz starb. Tiberius wurde 14 n.Chr. Kaiser, demnach war sein 15. Regierungsjahr das Jahr 29 n.Chr. Nach dem Johannesevangelium geht man davon aus, dass Jesus während drei Jahren als Messias auftrat, dementsprechend geschah Seine Kreuzigung um 32 n.Chr.
Tiberius war der Nachfolger des Kaisers Augustus. Dieser soll nicht sehr begeistert von Tiberius gewesen sein, hat ihn aus pragmatischen Gründen aber dennoch als Thronfolger eingesetzt. Jesus wurde zur Zeit des Augustus geboren (Lk 2,1) und Er starb während der Regentschaft des Kaisers Tiberius.
Während also Augustus von Tiberius als Nachfolger gar nicht angetan war, stellte Johannes der Täufer ehrfürchtig über Jesus fest: «Der aber nach mir kommt, ist stärker als ich, und ich bin nicht wert, ihm die Schuhe zu tragen» (Mt 3,11).
Der Herr hatte Tiberius in Rom vor Augen, als Er in einem Disput mit den Pharisäern und Herodianern sagte: «Bringt mir einen Denar, damit ich ihn ansehe! Da brachten sie einen. Und er sprach zu ihnen: Wessen ist dieses Bild und die Aufschrift? Sie aber sprachen zu ihm: Des Kaisers! Und Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist!» (Mk 12,15-17).
Aller Wahrscheinlichkeit nach war das Abbild des Tiberius auf der Münze abgebildet, und das offensichtlich nicht ohne Grund, denn es heisst von ihm: «Die Haushaltspolitik des Tiberius war durch ein rigoroses Sparprogramm geprägt, in dem keine grösseren Bauprojekte vorgesehen waren. Einige wenige Ausnahmen waren Tempel, die zur Demonstration der pietas dienten, sowie der Bau von Strassen für militärische Zwecke in Nordafrika, Spanien, Gallien, Dalmatien und Moesien.
Tiberius’ Sparsamkeit und seine Abkehr vom Luxus hatten sich bereits in dem gegen Kleidungsluxus gerichteten Senatsbeschluss des Jahres 16 gezeigt, der das Tragen von durchsichtigen Seidengewändern verbot, sowie in einem Gesetz aus dem Jahre 22, das sich gegen den Tafelluxus richtete. Tiberius sah davon ab, seine Popularität durch aufwendige Spiele zu erhöhen, und zeigte sich allgemein bei Spielen gegenüber der stadtrömischen Bürgerschaft desinteressiert.
Allerdings war er bei grossen Notlagen so spendabel wie kaum ein Politiker vor ihm. Bei den Grossbränden in der Stadt Rom in den Jahren 27 und 36 und bei einer Tiberüberschwemmung, die ebenfalls im Jahre 36 eintrat, sowie bei Getreideteuerungen spendete Tiberius Millionen von Sesterzen. Seine Grosszügigkeit in Notsituationen bekamen auch die Provinzen zu spüren: Als ein Erdbeben 17 n.Chr. zwölf asiatische Städte vernichtete, darunter Sardes, spendete er zehn Millionen Sesterzen und gewährte einen fünfjährigen Steuererlass. Diese Fürsorge des Tiberius wurde in der Münzprägung civitatibus Asiae restitutis (‹für den Wiederaufbau der Städte Asiens›) proklamiert.»
«Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist!» Der Herr Jesus respektierte die Obrigkeiten und betonte die Verpflichtung der Bürger, die vorgeschriebenen Abgaben an ihre Regierung zu zahlen. Wir stehen demnach in der göttlichen Pflicht, unsere Steuern zu zahlen. Gleichzeitig ruft der Herr uns darüber hinaus dazu auf, Gott zu geben, was Gottes ist. Das heisst, nach Seinem Reich zu trachten, Ihm unser Leben zur Verfügung zu stellen, mit Finanzen die Arbeit des Reiches Gottes zu fördern usw. Tiberius verstarb nur wenige Jahre nach Jesus (37 n.Chr.). Doch bis zu seinem Tod hatte er sich nicht nur beim Senat unbeliebt gemacht, sondern auch bei der stadtrömischen Bürgerschaft, die seinen Leichnam wie den eines Verbrechers in den Tiber werfen oder im Theater anrösten wollte. Die Anfeindungen in der Bevölkerung resultierten aus den zahlreichen Hinrichtungen der letzten Regierungsjahre, denen jährlich mehrere Hundert Bürger der Hauptstadt zum Opfer fielen. Ihre Leichname wurden zur Abschreckung auf den Gemonischen Treppen ausgestellt.
Als um 57 n.Chr. der Brief des Apostels Paulus an die Christen in Rom geschrieben wurde, gab es dort bereits eine blühende Gemeinde. Und das, obwohl der Herr in dem weit entfernten, von den Römern besetzten Jerusalem gestorben und auferstanden war. Dort, wo man den Kaiser hasste, begann man Jesus zu lieben. Dort, wo kaiserliche Diktatur vieles verdarb, drang die Liebe Gottes vor und brachte grossen Segen.
Tiberius – er wurde immerhin 80 Jahre alt – wurde von antiken Biografen zu seinem Lebensende als dick, lethargisch und mit Hautgeschwüren übersät beschrieben. Er galt als triste und melancholische Erscheinung und soll ein Lustgreis mit starken pädophilen Neigungen gewesen sein. Seine Villa auf Capri sei über und über mit pornografischen Darstellungen geschmückt gewesen und im Park hätte es unzählige «Liebesnischen» gegeben. Diese Anlagen wurden denn auch spöttisch «Die Gärten des alten Ziegenbocks» genannt. Modernere Historiker zweifeln allerdings an diesen Beschreibungen und fragen sich, ob ihm nicht manches angedichtet worden sei. Doch unbestritten ist die Tatsache, dass Kaiser Tiberius extrem unbeliebt war.
Petrus stellt über Jesus, der ja zur gleichen Zeit lebte, fest: «Er hat keine Sünde getan, es ist auch kein Betrug in seinem Mund gefunden worden» (1.Petr 2,22).
Der Hebräerbrief macht die Feststellung: «Denn wir haben nicht einen Hohenpriester, der kein Mitleid haben könnte mit unseren Schwachheiten, sondern einen, der in allem versucht worden ist in ähnlicher Weise wie wir, doch ohne Sünde» (Hebr 4,15).
Paulus betont: «Denn er hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm zur Gerechtigkeit Gottes würden» (2.Kor 5,21).
Und Jesus konnte auf Sein eigenes Leben zeigen und fragen: «Wer unter euch kann mich einer Sünde beschuldigen? Wenn ich aber die Wahrheit sage, warum glaubt ihr mir nicht?» (Joh 8,46).
Auf Tiberius folgten Caligula, Claudius und Nero. Zwischendrin gab es noch kurzzeitig drei Usurpatoren, die die Macht widerrechtlich an sich zogen. Sie alle brachten Unsicherheiten, Angst, Leid und Verfolgung über ihr Reich, das schon im Begriff war unterzugehen.
Die Nachfolger des Herrn Jesus waren unter anderem Petrus, Johannes und Paulus, die den Trost und die lebendige Hoffnung des Evangeliums verkündigten und dazu beitrugen, dass das Reich Christi unaufhörlich wuchs und unzählige Menschen gerettet wurden.
Während die Biografien über die Weltreiche und ihre Regenten gekennzeichnet sind von Grausamkeiten, Zersetzung, Unterdrückung und schliesslich von ihrem Untergang, beschreibt die Bibel den Werdegang der Heilsgeschichte Gottes als stetig zunehmend, das schlussendlich in das ewige Gottesreich führt.
Der vollständige Name des Tiberius zum Zeitpunkt seines Todes lautete: «Tiberius Caesar Divi Augusti filius Augustus, Pontifex maximus, Tribunicia potestate XXXVIII, Imperator VIII, Consul V», zu Deutsch: «Tiberius Caesar Augustus, Sohn des vergöttlichten Augustus, höchster Priester, im 38. Jahr Inhaber der tribunizischen Vollmacht, achtmal zum Imperator ausgerufen, fünfmaliger Konsul».
Der Name unseres Herrn lautet unter anderem:
Jesus = «Jahwe ist Rettung»,
Christus = «Der Gesalbte»,
«A und O, Anfang und Ende, der ist und der war und der kommt, der Allmächtige» (Offb 1,8),
«Name über alle Namen» (Phil 2,9),
«Fürst über alle Könige der Erde» (Offb 1,5),
«Der Treue und Wahrhaftige» (Offb 19,11),
«Das Wort Gottes» (Offb 19,13),
«König aller Könige und Herr aller Herren» (Offb 19,16).
Lediglich der Ort Tiberias erinnert noch mit Namen an den ungeliebten Kaiser, während Millionen von Touristen jedes Jahr nach Israel kommen, um auf den Fussspuren Jesu zu Pilgern.
Das mächtige Weltreich Rom, das einst Israel beherrschte und unterdrückte, ist verschwunden. Das Land, in dem Jesus einst lebte, existiert demgegenüber wieder als eigenständiger Staat.
Während alle römischen Kaiser mitsamt ihrem Reich sang- und klanglos untergingen, lebt der Herr als König immer und ewig und wird wiederkommen, um Sein Reich auch auf Erden zu verwirklichen.
Kaiser Augustus soll gesagt haben: «Habe ich meine Rolle gut gespielt? Nun, so klatscht Beifall, denn die Komödie ist zu Ende.»
Kaiser Alexander Severus, gestorben 235 n.Chr.: «Alles bin ich gewesen, und es hilft mir nichts.»
Der König Jesus Christus: «Ich lebe und ihr sollt auch leben» (Joh 14,19).
Auch in unserem Zeitalter gibt es etliche Führer, die Macht an sich reissen und damit prahlen, die sich dabei gegen Gott, das Christentum und Israel wenden und ihr eigenes Imperium errichten wollen. Doch in Psalm 2,4 heisst es: «Der im Himmel thront, lacht; der Herr spottet über sie.» Die Macht, die sie haben, kann Gott ihnen jederzeit wegnehmen, denn sie sind alle in Gottes Händen. Er setzt Könige ein und Könige ab (Dan 2,21), aber Sein König wird herrschen in Ewigkeit (Dan 2,44).
Von Norbert Lieth