Der mosaische Bund und
die eschatologische Bedeutung von 3. Mose 26 – Teil I
Zu
einem biblischen Verständnis von Josua 21,43-45. Teil 4.
Der mosaische Bund wurde zu
Lebzeiten Josuas bestätigt (2.Mo 24,1-8), der zusammen mit dem jüdischen Volk unter
dessen Bestimmungen lebte. An dieser Stelle fehlt der Raum für eine umfassende
Behandlung aller Elemente dieses nächsten Bundes Jahwes (Anm. Red.: nach
Noah-Bund, Teil 2, und abrahamitischer Bund, Teil 3). Jedoch sollte unter
anderem ein für diese Studie ungeheuer wichtiger Punkt erwähnt werden. Dies ist
von besonderer Bedeutung: In 1. Mose 15,18 nannte Jahwe den Euphrat als Teil
der Landesgrenze im abrahamitischen Bund. Und dies bestätigte Er bei drei
verschiedenen Gelegenheiten innerhalb des Bundesschlusses mit Mose: (1) 2. Mose
23,31: «Und ich will deine Grenze festsetzen von dem Schilfmeer bis
an das Philistermeer und von der Wüste bis an den Euphratstrom. Denn
ich will dir in deine Hand geben die Bewohner des Landes, dass du sie
ausstossen sollst vor dir her.» (2) Dem Volk, das Josua demnächst in das
verheissene Land führen würde, gab Jahwe in 5. Mose 1,7 die Anweisung: «Wendet
euch nun und zieht weiter, dass ihr zu dem Bergland der Amoriter
kommt und zu allen ihren Nachbarn in der Arava, im Bergland und
in der Schephela, zum Negev und zum Ufer des Meeres, in das Land der
Kanaaniter und zum Libanon, bis an den grossen Strom, den Fluss Euphrat!»
Und (3) 5. Mose 11,24: «Jeder Ort, auf den eure Fusssohle tritt,
soll euch gehören; von der Wüste an, vom Libanon und dem Euphratstrom
bis an das westliche Meer soll euer Gebiet reichen.»
Das ist bedeutend, denn das
Buch Josua beginnt mit der Anweisung Jahwes an den neuen Leiter, das dem Volk
gegebene Land erstrecke sich «von der Wüste und dem Libanon dort bis zum
grossen Strom Euphrat, das ganze Land der Hetiter, und bis zu dem
grossen Meer, wo die Sonne untergeht» (Jos 1,4). Darüber später mehr.
Für jetzt genügt festzustellen: Hätte Jahwe etwas anderes als den irdischen Euphrat
im Blick gehabt, dann müsste bewiesen werden, was Jahwe wohl meinte, wenn nicht
genau diesen Fluss, den Er spezifisch und wiederholt nannte. Darüber hinaus müsste
erklärt werden, wie Josua Gottes wahre Absicht wohl herausgefunden haben mochte
in seinem Bestreben, den Befehlen und Anordnungen Jahwes Folge zu leisten.
Die eschatologische
Bedeutung von 3. Mose 26. Ein anderer sachdienlicher Bestandteil
des mosaischen Bundes ist 3. Mose 26. Auch dieser Faktor muss bei
einer Auslegung von Josua 21,43-45 in Betracht gezogen werden. In
diesem Teil des Bundes mit Mose verhiess Jahwe dem Volk Israel Seinen
Segen, wenn es Ihm gehorchen würde (3.Mo 26,1-13). Dem folgten Gerichtsandrohungen
gegen das jüdische Volk, sollte es den Bund brechen (3.Mo
26,14-39). «Der Segen bezog sich auf die Landes- und
Segensverheissungen, die Gott im abrahamitischen Bund gegeben hatte; die
Flüche hingegen kündigten einen Fünfstufenplan der Vergeltung im
Rahmen des mosaischen Bundes an.» All die von Jahwe auferlegten Flüche
sollten das Volk zum Bundesgehorsam gegenüber Ihm zurückbringen (z.B.
3.Mo 26,18.21) – wie wir schon mehrfach festgestellt haben. Zu diesen
Strafen Jahwes für schamlosen und andauernden Bundesbruch gehört auch
das Gericht über das verheissene Land in 3. Mose 26,31-35:
«Und ich will eure Städte zu
Ruinen machen und eure heiligen Stätten
verwüsten und euren lieblichen Geruch
nicht mehr riechen. Und ich will das
Land verwüsten, sodass eure Feinde, die
darin wohnen werden, sich davor entsetzen
sollen. Euch aber will ich unter die
Heidenvölker zerstreuen und das Schwert
hinter euch her ziehen, sodass euer Land zur
Wüste wird und eure Städte zu Ruinen. Dann
wird das Land seine Sabbate geniessen, solange es verwüstet liegt und ihr im Land
eurer Feinde seid. Ja, dann wird das Land ruhen und seine Sabbate geniessen dürfen.
Solange es verwüstet liegt, wird es ruhen, weil es nicht ruhen konnte an euren
Sabbaten, als ihr darin wohntet.»
Interessanterweise wurde 3.
Mose 26 dem Volk schon am Berg Sinai gegeben (V 45); das war
noch, bevor die Kundschafter ausgesandt wurden, um das Land zu erkunden
(4.Mo 13-14). Jahrzehnte vor dem Einzug in das ihnen von Jahwe verheissene
Land hatte Jahwe den Israeliten also ein Leben im Land oder aber
die Vertreibung versprochen, je nachdem, ob sie im Bundesgehorsam bleiben
oder Ihm ungehorsam sein würden. Walter C. Kaiser formuliert es so: «Das
Eigentumsrecht am Land (als Geschenk Gottes) ist gesichert und ewig, aber
ob irgendeine der Generationen das Land besitzt, hängt von ihrem
jeweiligen Gehorsam ab.» Schon im vorhergehenden Kapitel nannte
Jahwe das Land «Sein Eigentum»: «Ihr sollt das Land nicht für immer
verkaufen; denn das Land gehört mir, und ihr seid Fremdlinge und Gäste bei mir»
(3.Mo 25,23). Wer denkt, die biblischen Landesverheissungen würden
über Gebühr betont, sollte sich diesen Vers zu Herzen nehmen: Bis
zu diesem Tag gehört das Land Jahwe.
Trotz der Bundesbrüche und
selbst wenn das Volk schliesslich in das angedrohte Exil ziehen müsste,
schliesst dieses Kapitel von Segen und Fluch (3.Mo 26) mit der
Verkündigung von Jahwes Absichten sowohl mit Seinem Land als auch
mit Seinem Volk:
«Dann werden sie ihre Schuld
und die Schuld ihrer Väter bekennen samt ihrer Untreue, die sie gegen mich
begangen haben, und dass sie sich mir widersetzten, weswegen auch ich mich
ihnen widersetzte und sie in das Land ihrer Feinde brachte. Und wenn sich dann
ihr unbeschnittenes Herz demütigt, sodass sie dann ihre Schuld annehmen, so
will ich an meinen Bund mit Jakob gedenken, und auch an meinen Bund mit Isaak
und auch an meinen Bund mit Abraham, und ich will an das Land gedenken. Aber
das Land wird von ihnen verlassen sein, um seine Sabbate zu geniessen, indem es
ohne sie öde liegt; sie aber werden ihre Schuld büssen, eben deshalb, weil sie
meine Rechtsbestimmungen missachtet haben und ihre Seele meine Satzungen
verabscheut hat. Jedoch, auch wenn sie im Land der Feinde sein werden, so will
ich sie nicht so verwerfen und sie nicht so verabscheuen, dass ich ein Ende mit
ihnen mache oder meinen Bund mit ihnen breche; denn ich, der Herr, bin ihr
Gott. Und ich will zu ihren Gunsten an meinen ersten Bund gedenken, als ich sie
aus dem Land Ägypten herausführte vor den Augen der Heidenvölker, um ihr Gott
zu sein. Ich bin der Herr» (3.Mo 26,40-45).
3. Mose 26,40-45 ist eine
ausserordentlich wichtige Schriftstelle, um Gottes Pläne und
Absichten mit dem jüdischen Volk und dem im abrahamitischen Bund
zugesagten Land zu verstehen. Allerdings bleibt das unter Theologen weithin
unberücksichtigt. Denn «das 3. Buch Mose gehört nicht gerade zu den
ersten biblischen Büchern, die Bibelschüler zu eschatologischen Studien
heranziehen». William D. Barrick fasst die Bedeutung von 3. Mose 26 richtig
zusammen: «Theologen und Ausleger haben es versäumt, 3. Mose 26
ebenso viel Aufmerksamkeit zu schenken wie 5. Mose 27-28; dieses
Versagen hat das Lehrgebäude der Kirche ausgehöhlt.» Dies ist
kein «Darbyismus des 19. Jahrhunderts», wozu man schlussfolgert: «Die
Theorie des Futurismus bezüglich Israel ist eine neue Lehre, die erst um
1830 entstanden ist.» Nein, dies ist vom ersten Moment an
inspiriertes Wort Gottes, das von Jahwe ausgegangen ist. Zu
behaupten, die Verheissungen in 3. Mose 26,40-45 seien eine Lehre aus
dem 19. Jahrhundert, würde bedeuten, die folgenden Aussagen seien der
«relativ neuen» Lehre der Reformation zuzurechnen und nicht dem ersten
Jahrhundert, in dem Paulus dies schrieb: «Der Gerechte wird aus
Glauben leben» (Röm 1,17) oder «Da wir nun aus Glauben gerechtfertigt
sind, so haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesus Christus» (Röm
5,1).
Nochmals: Ob jemand 3. Mose
26 in seine Eschatologie einschliesst oder nicht, hat weitreichende
Auswirkungen auf die Auslegung späterer biblischer Passagen. Barrick fasst die
eschatologische Bedeutung von 3. Mose 26 so zusammen:
«3. Mose 26 enthält
Offenbarungen über Israels zukünftige Busse und Wiederherstellung; diese werden
sowohl im Alten als auch im Neuen Testament bestätigt. Da ihre Busse und
Wiederherstellung noch nicht erfolgt sind, muss die Erfüllung eschatologisch
eingeordnet werden. Die Nähe von 3. Mose 26 zum abrahamitischen Bund knüpft die
Erfüllung an das Land, das Gott den Nachkommen Abrahams zu geben
versprochen hat. Die Erfüllung der Landesverheissungen wartet darauf, wartet
auf Israels Busse. Wenn Israel sich zu Gott wendet und seine Sünden bekennt,
wird Gott es im verheissenen Land wiederherstellen. Chronologisch gesehen
ist 3. Mose 26 die erste detaillierte Beschreibung von Israels
eschatologischer Busse und Wiederherstellung. Dieses Kapitel bietet
bedeutende Belege dafür, dass der Ungehorsam gegen den mosaischen Bund auf die
Beseitigung des im abrahamitischen Bund versprochenen Segens hinausläuft. Es
ist das Herzstück der Ankündigungen der alttestamentlichen Propheten über das zukünftige
messianische Königreich. Zu einem korrekten Verständnis des prophetischen
Programms des Alten Testaments gehört die Offenbarung von 3. Mose 26.»
Von
Greg Harris