Der mosaische Bund und
die eschatologische Bedeutung von 3. Mose 26
– Teil II
Zu einem biblischen Verständnis von Josua 21,43-45. Teil 5.
In gleicher Weise wie schon
bisher in dieser Serie sollten wir uns auch den Verheissungen in 3. Mose
26,40-45 annähern. In diesem Fall bedeutet das, zu überprüfen, wie sich diese
Verheissungen, an denen Jahwe sich selbst gebunden hat, auf Josua 21,43-45
beziehen. Damit die in 3. Mose 26,40-45 von Jahwe gegebene Verheissung in Josua
21,45 als erfüllt gelten kann, müssen die folgenden Elemente sich zuvor
historisch ereignet haben; es muss nachgewiesen werden, dass sie tatsächlich
eingetreten sind: (1) Das gesamte Volk hat national seine Sünden und die Schuld
seiner Vorfahren bekannt (26,40). (2) Jahwe hat feindschaftlich gehandelt und
das Volk Israel in das Land seiner Feinde vertrieben (26,41). (3) Jahwe hat
sich nach dem nationalen Sündenbekenntnis im Exil an Seinen Bund mit Jakob,
Isaak und Abraham erinnert (26,42). (4) Das Land war verlassen und lag brach,
bis alle seine Sabbate nachgeholt waren (26,43a). (5) Das jüdische Volk hat im
Exil für seine Schuld gebüsst (26,43b). (6) Jahwe darf sie weder verabscheuen
noch Seinen Bund brechen, selbst wenn das Volk im Land seiner Feinde ist
(26,44). (7) Und Er muss sich an Seinen Bund erinnern, den Er mit dem Volk
geschlossen hat (26,45).
Dies alles gehörte genauso zu
«all dem Guten, das der Herr dem Haus Israel verheissen hatte»
(Jos 21,45), wie alle anderen Verheissungen, die Jahwe seit 1. Mose 3,15
gegeben hatte. Noch passender ist, dass diese Verheissungen Jahwes dem
Gesamtzusammenhang von 3. Mose 26 entsprechen; in diesen Kapiteln finden sich
ja viele Bezüge auf die Landesverheissungen.
«3. Mose 26 beschreibt das
verheissene Land als Rahmen und Umfeld für die Erfüllung sowohl des Segens (V
4-12) als auch des Fluches (V 14-38). Es ist beachtenswert, dass Psalm 72,16-17
die weltweite Ausdehnung des davidischen Königreichs in Begriffen beschreibt,
die an den Segen in 3. Mose 26 erinnern. Das ist einer der Hinweise auf die
eschatologische Bedeutung dieses Kapitels.»
Auch wenn man eine noch so
lebhafte Vorstellungskraft an den Tag legt, nichts von diesen Elementen hat
sich historisch ereignet – gerade, weil in Josua 21 das Volk im Land lebte und
noch nicht weggeführt worden war. Folglich liegt die Beweislast bei denen, die
mit Elan behaupten, Jahwe habe tatsächlich alle Seine Verheissungen erfüllt.
Ausserdem würde man klären müssen, was Jahwe tatsächlich meinte, wenn Er nicht
vorhatte, das Volk wegzuführen und dann wieder zu sammeln.
Kurz bevor die Führung des
Volkes von Mose an Josua überging, warnte Gott das Volk Israel, denn es neigte bereits
dazu, sich in Rebellion von Ihm abzuwenden. Nach «dem Lied des Mose» (5.Mo 32),
das «ein Zeuge» sein sollte «gegen die Kinder Israels» vor ihrem Gott (31,19),
beendete Mose seine Rede mit der eindringlichen Ermahnung zum Gehorsam gegenüber
Jahwe. Dabei betonte er besonders, dass ihr Gehorsam bewirken würde, dass sie
als Volk lange wohnen würden in dem Land, das der Herr ihnen zu geben im
Begriff war. 5. Mose 32,44-47 besagt:
«Und Mose kam und trug alle Worte
dieses Liedes vor den Ohren des Volkes vor, er und Josua, der
Sohn Nuns. Und als Mose dies alles zu ganz Israel geredet hatte,
da sprach er zu ihnen: Nehmt zu Herzen alle Worte, die ich euch heute
bezeuge, damit ihr sie euren Kindern gebietet, dass sie darauf
achten, alle Worte dieses Gesetzes zu befolgen. Denn es ist kein
leeres Wort für euch, sondern es ist euer Leben, und durch dieses
Wort werdet ihr eure Tage verlängern in dem Land, in das ihr über den
Jordan geht, um es in Besitz zu nehmen!»
Aufgrund dieses Bibeltextes
fasst Keith H. Essex kurz zusammen, was Israel als Nation sowohl in der nahen als
auch in der ferneren Zukunft zu erwarten hat: «Die Torah schliesst mit der
Erwartung, dass diese Verheissung an Abraham in naher Zukunft erfüllt wird – in
Form der Eroberung des Landes unter Josua (5.Mo 31,1-8). Jedoch sagt die Torah
voraus, dass Israel wegen seines Ungehorsams das Land verwirken und unter die
Nationen zerstreut werden würde (5.Mo 29,22-28). In weiter Zukunft, nach der
Zerstreuung (5.Mo 4,30-31), würde der Herr das bussfertige Israel wieder in das
Land zurückbringen, wie Er es in Seinem Bund mit Abraham versprochen hatte (3.Mo
26,40-45).»
Die Frage stellt sich,
welche jüdischen Generationen die Erfüllung der Verheissung geniessen und das
Land bewohnen werden, wenn Jahwes Bund unumstösslich ist. Angesichts dessen beobachtet
Kaiser: «Die Bedingungen sind nicht an die Verheissung geknüpft, sondern einzig
und allein an die Teilhaber, die von diesen zuverlässigen Verheissungen profitieren
würden … Die Verheissung blieb dauerhaft bestehen, die Teilhabe am Segen
allerdings hing vom geistlichen Zustand des Einzelnen ab.»
Fasst man die Verheissungen
in diesem Artikel ausführlicher zusammen, könnte man Folgendes erwarten: (1)
Jahwe wird als Führer vor Seinem Volk einherziehen und es in das Land bringen
(5.Mo 31,3). (2) Israel wird trotz der Treue Jahwes abfallen und anderen
Göttern dienen (5.Mo 31,16). (3) Dies geschieht, weil, selbst als Mose noch
lebte, die Gedanken ihrer Herzen schon von Gott abgewandt waren (5.Mo 31,21).
(4) Deshalb wird Jahwe das ungehorsame Volk schliesslich unter alle Völker
zerstreuen (5.Mo 30,1). (5) Das Land wird seine Sabbate nachholen (3.Mo 26,43).
(6) Gott wird Sein Volk jedoch nicht verwerfen oder verabscheuen (3.Mo
26,44-45). (7) Die Juden werden in all den Ländern, in die Jahwe sie zerstreut
hat (5.Mo 30,1), Segen und Fluch erfahren. (8) Schliesslich wird das ganze Volk
Busse tun und zum Herrn umkehren (5.Mo 30,2). (9) Dann wird Jahwe die Juden aus
der Gefangenschaft wieder in ihr Land bringen (5.Mo 30,3-5). (10) Und über
diese Segnungen hinaus wird eines Tages Jahwe selbst ihre Herzen und die Herzen
ihrer Nachkommen beschneiden, «dass du den Herrn, deinen Gott, liebst von
ganzem Herzen und von ganzer Seele, damit du lebst» (5.Mo
30,6). (11) Ausserdem wird Gott selbst schwere Gerichte über die Völker
bringen, die Israel bedrängt haben (5.Mo 30,8). (12) Immerhin hatte Jahwe zuvor
versprochen: «Ich will segnen, die dich segnen, und verfluchen,
die dich verfluchen; und in dir sollen gesegnet werden alle
Geschlechter auf der Erde» (1.Mo 12,3). Gott steht zu Seinem Wort. Und
diese Verheissung ist ohne jeden Zweifel ein «gutes Wort» des Herrn (vgl. Jos
21,45, Lth84). (13) Schliesslich, nachdem Jahwe diese Elemente bis aufs
Kleinste genauestens ausgeführt haben wird, wird das Volk Ihm wieder gehorchen
und vollständig im Bundesgehorsam leben (5.Mo 30,8). Daraufhin wird es nochmals
Gottes Bundessegnungen empfangen (30,9-10). Diese Verse verlangen Gottes
schweres Gericht über das jüdische Volk wegen seines Ungehorsams. Und doch
enthalten sie Seine Verheissung für dasselbe Volk, das Er richtet, damit es Ihm
wieder gehorsam wird, nachdem es zuvor ungehorsam gewesen und deshalb von Ihm
bedrängt worden ist – bis hin zum Exil unter die heidnischen Völker. Wenn
irgendjemand im Zusammenhang mit 5. Mose 30 für die neutestamentliche Gemeinde
Segnungen dieser Art beansprucht, sollte er bedenken: Diese könnten nur erfolgen,
wenn die Gemeinde zuvor «Segen und Fluch» erlebt hat und unter alle Völker zerstreut
worden ist, wohin Gott sie verbannt hat (5.Mo 30,1).
Von
Greg Harris