11.02.2011

1. Timotheus 2:1-7: Eine geistliche Prioritätenliste

Im 1. Timotheusbrief zeigt der Apostel Paulus auf, «wie man sich verhalten soll im Hause Gottes, welches die Versammlung des lebendigen Gottes ist, der Pfeiler und die Grundfeste der Wahrheit». Lesen Sie hier Teil 5.
In 1. Timotheus 2,1 beginnt Paulus mit den Worten: «So ermahne ich nun, dass man vor allen Dingen …» Wir wissen alle, was eine Prioritätenliste ist und wie wichtig diese zum Beispiel für die Planung einer Büroarbeit, das persönliche Leben, das Familienleben, die Erziehung, die Leitung eines Betriebs, das Erreichen von Zielen, die man sich gesteckt hat, usw. ist. Manche Dinge kommen an erster Stelle, andere müssen hintenanstehen, sonst kommt man kaum richtig vorwärts.
Paulus hatte eine Prioritätenliste und er erwartete selbige auch von Timotheus und dass er sie im Gemeindeleben umsetzen würde. Paulus setzte Prioritäten im Gebet, in seinen Entscheidungen, in den Wegen, die er ging, in der Verkündigung, im Besuch der Versammlungen …
1. Priorität: Das Gebetsleben und die richtige Reihenfolge: «… Bitten, Gebete, Fürbitten und Danksagungen …» (V 1). Vor allen anderen Dingen, vor jeder neuen Aufgabe oder Arbeit, steht das Gebet an erster Stelle.
Wir sollten bedenken, dass der Timotheusbrief ein Gemeindebrief ist. Wir erhalten hierin Anordnungen für das Gemeindeleben. Auffallend ist die Rangfolge der vier Gebetsanweisungen: Bitten, Gebete, Fürbitten und Danksagung. In sehr vielen Gemeinden wird schon diese Reihenfolge nicht eingehalten und somit sind die Prioritäten falsch gesetzt. Bei Paulus steht die Danksagung (der Lobpreis) an letzter Stelle. In vielen Gottesdiensten hat aber der Lobpreis den ersten Platz eingenommen.
Beim «Bitten» (Flehen) geht es um Bedürfnisse, Nöte oder Mängel, die man dem Herrn im Gebet bringen darf und sollte. Mit den «Gebeten» meint Paulus die allgemeine, ständige Gebetshaltung, die wir im Herzen haben sollten, im Sinne von: «Betet ohne Unterlass!» (1.Thess 5,17). Bei den «Fürbitten» bringen wir die Anliegen anderer Menschen vor Gott, wir schliessen uns ihren Gebeten an und beten für andere. In den «Danksagungen» verleihen wir dem Vertrauen in unseren Herrn Ausdruck, wir danken Ihm im Glauben für das, was Er getan hat, wir rühmen Seine Macht usw.
Heute hat man meines Erachtens ein falsches Verständnis von Lobpreis. Man übersieht, dass diese Reihenfolge des Gebets insgesamt schon ein Lobpreis ist. Denn wenn ich beispielsweise mit Flehen und in Fürbitte zu Jesus komme, dann gebe ich Ihm doch darin bereits Lob und Ehre, weil ich Ihm alleine alles zutraue.
2. Priorität: Die Rangliste des Gebets: «… darbringe für alle Menschen, für Könige und alle, die in hoher Stellung sind, damit wir ein ruhiges und stilles Leben führen können in aller Gottesfurcht und Ehrbarkeit; denn dies ist gut und angenehm vor Gott, unserem Retter, welcher will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen» (V 1-4).
«Für alle Menschen»: Das bedeutet, dass niemand im Gebet ausgeschlossen werden darf und es keine Grenze gibt. Es gibt keine Exkommunion in der Fürbitte. Die Priorität setzt Gott selbst, denn soweit Gott will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen, so weit soll auch unser Gebet gehen. Niemand ist bei Gott ausgeschlossen. Bei Ihm gibt es kein «aber», Er setzt keine Grenze, also darf auch in unseren Gebeten niemand ausgeschlossen werden.
«Für Könige und alle, die in hoher Stellung sind»: Es geht um die Regierenden, von den Staatsoberhäuptern bis zu den Gemeinderäten, sowie sicher auch um Polizei, Ordnungshüter oder Militär. Zu jener Zeit wurde die junge Gemeinde oft durch die Obrigkeit verfolgt. Bis heute erleiden Christen weltweit Verfolgung. Dennoch werden sie dazu aufgerufen, die Regierung zu segnen, ihr Gehorsam zu leisten und sich ihr unterzuordnen.
Paulus deutet auch an, welche Macht das Gebet hat: «damit wir ein ruhiges und stilles Leben führen können in aller Gottesfurcht und Ehrbarkeit». Das Gebet ist mächtiger als die Macht der Regierenden. Es kann bewirken, dass wir ein ruhiges und stilles Leben führen und den Gottesdienst ungestört ausüben dürfen. Gott bewegt durchs Gebet Seiner Kinder auch die Herzen der Regierenden. Wir wenden dieses Gebet heute viel zu wenig an und trauen ihm zu wenig zu. Dieses Gebet ist explizit von Gott gewollt, wodurch Er als unser Retter Seinen Arm zu unseren Gunsten bewegt: «denn dies ist gut und angenehm vor Gott, unserem Retter» (V 3).
Ausserdem sollen wir uns vor Augen halten, dass Gott alle Menschen im Blickfeld hat und wir darum für alle Menschen beten sollen: «welcher will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen» (V 4). Nicht Gott schliesst den Menschen vom Heil aus – Sein Wille steht fest –, sondern der Mensch schliesst sich durch seinen Eigenwillen selbst aus.
Ein Beispiel finden wir in Matthäus 23,37: «Jerusalem, die du die Propheten tötest und steinigst, die zu dir gesandt sind! Wie oft habe ich deine Kinder sammeln wollen, wie eine Henne ihre Küken unter die Flügel sammelt, aber ihr habt nicht gewollt!» Und Petrus erklärt: «Der Herr zögert nicht die Verheissung hinaus, wie etliche es für ein Hinauszögern halten, sondern er ist langmütig gegen uns, weil er nicht will, dass jemand verloren gehe, sondern dass jedermann Raum zur Busse habe» (2.Petr 3,9). Wenn feststeht, was Gott will und was Er nicht will, wie kann man dann behaupten, dass Er in einer Vorauswahl einige bewusst rettet und andere bewusst verloren gehen lässt?
Unsere innere Glaubenshaltung sollte daher nie eine Prädestinationshaltung sein, wir sollten keinerlei Grenzen setzen. Wenn alles vorherbestimmt wäre, wären wir nicht in der Weise – wie in Vers 1 gefordert – zum Gebet für alle Menschen aufgerufen, dann stünde ja bereits alles fest. Gott führt uns nicht an der Nase herum. Weil Sein Wille darin besteht, alle Menschen zu retten, sollen wir für alle Menschen beten. Die Verse 5-6 weisen nochmals auf diesen Umstand hin: «Der Mensch Christus Jesus, der sich selbst als Lösegeld für alle gegeben hat …»
3. Priorität: Jesus allein, Vorrang in allem: «Denn es ist ein Gott und ein Mittler zwischen Gott und den Menschen, der Mensch Christus Jesus, der sich selbst als Lösegeld für alle gegeben hat. Das ist das Zeugnis zur rechten Zeit, für das ich eingesetzt wurde als Verkündiger und Apostel – ich sage die Wahrheit in Christus und lüge nicht –, als Lehrer der Heiden im Glauben und in der Wahrheit» (V 5-7).
Die Wirklichkeit der Menschwerdung Jesu: Paulus betont im ersten Satz drei Besonderheiten, nämlich «Gott», «die Menschen» und den «Menschen Christus Jesus». Wenn der «Mensch Christus Jesus» als Einzelperson im Kontrast zu allen anderen Menschen betont wird, dann hebt das Seine Menschwerdung in besonderem Masse hervor. Und das wiederum betont Seine Göttlichkeit und die Tatsache, dass Er als wahrer Gott wahrer Mensch geworden ist, um so als Mittler zwischen Gott und Menschen auftreten zu können. «Nur der vollkommene Gott-Mensch konnte Gott und Mensch zusammenführen» (John MacArthur). Es gibt bei Tausenden von Angeboten in Wirklichkeit keine andere Möglichkeit für den Menschen, mit Gott in Verbindung zu treten, als alleine über den menschgewordenen Gott Jesus Christus. «Denn was könnte ein Mensch als Lösegeld für sein Leben geben?» (Mk 8,37).
Was bedeutet die Mittlerschaft Jesu für mein Leben? Gott ist in Jesus ständig gegenwärtig und ich bin durch Jesus ständig bei Gott. Tritt der Herr Jesus aber nur dann als Mittler für mich ein, wenn ich Seinen Namen anrufe, wenn ich zu Ihm bete? Ist Er nur dann mein Mittler, wenn ich Busse tue und Ihm meine Vergehungen bekenne? Ist Er nur dann Mittler, wenn ich mich Gott dem Vater nahen will? Nein. Wir verstehen die Mittlerschaft des Herrn verkehrt, wenn wir sie auf bestimmte Situationen, Gelegenheiten oder Aktionen reduzieren. Jesus ist der ständige und beständige Mittler für uns. Immer und zu jederzeit steht Er in der Mitte – zwischen uns und dem Vater. Es gibt gar keine Ausnahme. Das heisst, dass der Vater uns immer in und durch Jesus sieht. Unser «Leben ist verborgen mit dem Christus in Gott» (Kol 3,3).
Vielleicht sind wir deshalb oft so niedergeschlagen, weil wir diese Wahrheit nicht vor unseren Glaubens-Augen haben. Wir sehen immer nur auf unsere Mängel und sind ständig betrübt, weil unser Leben den heiligen Anforderungen Gottes nicht genüge leisten kann. Viele unter uns leben deshalb immer mit dem Eindruck, dass Gott fortwährend grimmig auf unser Leben schaut, weil es Ihm ja nicht gefällt. Aber die Wahrheit ist, dass Gott uns durch Jesus ansieht. Und somit hat Er Seinen Sohn vor Augen und dadurch hat Er auch Wohlgefallen an uns. So wie wir in Adam gefallen sind, so werden wir in Jesus erhoben. Wenn wir nicht an Ersterem zweifeln, sollten wir auch nicht am Zweiten zweifeln.
Wann werde ich einen Stand erreicht haben, dass ich von mir selbst sagen kann: «Jetzt hat der Herr vollkommen Wohlgefallen an meinem Leben, jetzt habe ich mich so angestrengt, jetzt ist mein Wandel so gut, dass es besser gar nicht mehr geht»? Ehe dieser Fall eintritt, sind wir schon wieder hundertmal auf die Nase gefallen. Und jedes Mal, wenn wir auf die Nase gefallen sind, brauchen wir dann Jesus als Mittler? Nein, Er ist immerwährend die Mittelsperson. Diese herrliche Wahrheit verleitet uns nicht zu einem lässigen Lebensstil, sondern ganz im Gegenteil spornt sie uns dazu an, mit Jesus zu gehen und ein geheiligtes Leben in völligem Gehorsam zu führen.
Die Wirkung Seiner Menschwerdung: «Der sich selbst als Lösegeld für alle gegeben hat» (V 6). Hierbei ist zu beachten, dass es nicht heisst, Er wurde gegeben oder geopfert, sondern: «der sich selbst gegeben hat». Unsere Erlösung beruht allein und ausschliesslich auf der Initiative Gottes. Es ist Sein Heilshandeln für uns. Der Herr Jesus hat den ganzen Preis ganz allein bezahlt. Nichts konnte der Mensch dazu beitragen und nichts wurde vom Mensch erwartet. Jesus hat sich selbst als Lösegeld gegeben, nicht einen Teil von sich, nicht etwas oder vieles, sondern völlig und ganz sich selbst. Er hat alles, was Er ist, gegeben, Er hat nichts für sich zurückbehalten. Er hat den ganzen Preis mit Seinem ganzen Leben bezahlt.
Der Begriff «Lösegeld» hat drei verschiedene Bedeutungen. Daran erkennen wir, wie umfassend das Erlösungswerk Jesu Christi ist:
1. Es beschreibt die Deckung einer Schuld durch eine Ersatzgabe (Sühnegeld). «Wird ihm aber ein Lösegeld auferlegt, so soll er zur Erlösung seiner Seele so viel geben, wie man ihm auferlegt» (2.Mo 21,30).
2. Mit Lösegeld wurde ein Sklave freigekauft (3.Mo 25,51-55).
3. Lösegeld wurde für ein verfallenes Leben eingesetzt, das heisst, für ein dem Tod geweihtes Leben, um es dadurch zu retten bzw. zu erstatten (4.Mo 3,44-51; 2.Mo 21,32). 2. Mose 21,32 besagt: Wenn ein Rind einen Sklaven zu Tode brachte, musste für den Sklaven eine Entschädigung von 30 Silberlingen bezahlt werden. Das erinnert uns an die 30 Silberlinge, für die Jesus verraten wurde (Sach 11,12; Mt 26,15).
Wir wissen, dass der Herr Jesus den Preis des Lösegeldes nicht mit Silber und Gold beglichen hat, sondern mit Seinem teuren Blut (1.Petr 1,18-19). Das Lösegeld wurde für alle Menschen gezahlt, nicht bloss für eine Auswahl (V 6). Alle Menschen stehen unter dem göttlichen Ratschluss des Heils, niemand ist ausgenommen. Die Verbindung zwischen Vers 1 und Vers 4 (alle) macht das deutlich. Wir werden aufgerufen, für alle Menschen zu beten, weil alle Menschen Gegenstand Seiner Erlösung sind. Gott will, dass alle Menschen gerettet werden, darum hat Er für alle den Preis bezahlt.
Wie stimmt das aber überein mit der Aussage in Markus 10,45? «Denn auch der Sohn des Menschen ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben zu geben als Lösegeld für viele.» Der Preis ist für alle bezahlt, aber nur für den, der die Erlösung für sich persönlich in Anspruch nimmt, tritt das Lösegeld in Kraft. Es gibt noch weitere Aussagen über die Opfergabe Jesu und die Wirkung auf verschiedene Gruppen: In Epheser 5,25 heisst es: «Ihr Männer, liebt eure Frauen, gleichwie auch der Christus die Gemeinde geliebt hat und sich selbst für sie hingegeben hat.» Epheser 5,2 besagt: «Wandelt in der Liebe, gleichwie auch Christus uns geliebt und sich selbst für uns gegeben hat als Darbringung und Schlachtopfer für Gott, zu einem lieblichen Geruch.» Und in Galater 2,20 steht geschrieben: «Ich bin mit Christus gekreuzigt; und nun lebe ich, aber nicht mehr ich selbst, sondern Christus lebt in mir. Was ich aber jetzt im Fleisch lebe, das lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben hat.» Jesu Erlösungswerk gilt allen Menschen. Aber nur wer es in Anspruch nimmt, wird dessen teilhaftig. «Für sie» (Gemeinde); «für uns» (der Kreis, der es in Anspruch nahm); «für mich» (ganz persönlich). Das Zeugnis über die Menschwerdung Jesu: «Das ist das Zeugnis zur rechten Zeit, für das ich eingesetzt wurde als Verkündiger und Apostel – ich sage die Wahrheit in Christus und lüge nicht –, als Lehrer der Heiden im Glauben und in der Wahrheit» (V 6-7). Worauf bezieht sich das Zeugnis zur rechten Zeit? Auf die in diesem Zusammenhang erwähnten Aussagen, nämlich:
– Gott ist unser Retter geworden (V 3).
– Gott will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen (V 1.4.6; vgl. 4,10).
– Es gibt nur einen Gott und Mittler zwischen Gott und den Menschen (V 5).
– Der Herr hat durch sich selbst für alle den Preis zur Erlösung bezahlt.
«Das ist das Zeugnis zur rechten Zeit», für das Paulus eingesetzt wurde, als Lehrer und Apostel, besonders für die Heiden, weil diese jetzt auch mit eingeschlossen sind in den Begriff «alle» (Gal 2,7-8).
Was ist mit diesem Zeugnis zur rechten Zeit gemeint? Im Speziellen unsere Heilszeit, auf die die soeben erwähnten Dinge allesamt zutreffen und die sich in Jesus erfüllt haben. Parallel dazu schreibt Paulus im zweiten Brief an Timotheus: «Er hat uns ja errettet und berufen mit einem heiligen Ruf, nicht aufgrund unserer Werke, sondern aufgrund seines eigenen Vorsatzes und der Gnade, die uns in Christus Jesus vor ewigen Zeiten gegeben wurde, die jetzt aber offenbar geworden ist durch die Erscheinung unseres Retters Jesus Christus, der dem Tod die Macht genommen hat und Leben und Unvergänglichkeit ans Licht gebracht hat durch das Evangelium, für das ich als Verkündiger und Apostel und Lehrer der Heiden eingesetzt worden bin» (2.Tim 1,9-11). In Galater 4,4 erklärt Paulus: «Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und unter das Gesetz getan.» Und in Römer 5,6: «Denn Christus ist, als wir noch kraftlos waren, zur bestimmten Zeit für Gottlose gestorben.»
Wir haben das Vorrecht, in dieser besonderen Zeit zu leben, in dem Evangeliumszeitalter, dem Zeitalter der Gnade, dem Gemeindezeitalter. Nun besteht unsere Aufgabe darin, dieses Zeitalter optimal auszukaufen und Prioritäten zu setzen: «Kauft die Zeit aus!» (Kol 4,5; Eph 5,16) – im Gebet für alle Menschen und in der Verbreitung der «gesunden Lehre» (1.Tim 1,10). Paulus betont in diesem Zusammenhang, wie wichtig es ist, zu dieser Lehre im Glauben und in der Wahrheit zu stehen. Sie muss also unser eigenes Herz erfüllen; und wenn wir sie verkündigen oder auf irgendeine Weise weitergeben, muss es in der Wahrheit der einen wahren Lehre geschehen, der gesunden und guten Lehre (1,10; 4,6).
Von Norbert Lieth