Sollte man um einen geöffneten Himmel beten? Wie lange muss man beten, bis man zum Herrn durchdringt? Das sind Fragen, die ein Christ sich gar nicht stellen müsste.
Angenommen, Sie wären von einem grosszügigen, wohlhabenden Gastgeber zu einer Feier auf sein Anwesen eingeladen. In dem Einladungsbrief steht ausdrücklich, dass alles zum Fest bereitet ist, die Tür ab 14.00 Uhr für jeden Gast offen steht und man ungeniert eintreten soll. Nun kommen Sie zur angegebenen Zeit, stehen vor der offenen Tür, aber schämen sich einzutreten. Stattdessen rufen Sie den Hausherrn an und bitten ihn, er möge Ihnen doch die Türe öffnen und Sie hereinholen. Wie käme der Gastgeber sich vor? Würde er Ihr Verhalten honorieren? Würde er nicht denken, dass Sie sein Wort nicht ernst genommen haben? Würde er nicht verständnislos und missbilligend den Kopf schütteln?
Ich stelle immer wieder fest – und ertappte mich auch selbst schon dabei –, dass wir in unseren Gebeten geneigt sind, den Herrn zu bitten, dass Er uns doch den Himmel öffnen möge – zum Gebet, für Segnungen, für Seine Wirkungen. Es gibt Christen, die meinen, dass sie erst so lange beten müssten, bis sie durchgedrungen sind. Und erst wenn sie das Gefühl haben, durchgedrungen zu sein, sind sie glücklich. Solch ein Gebet mag aufrichtig sein, es mag ehrfürchtig sein, aber es ist verkehrt, denn wir nehmen Gottes Wort nicht ernst.
Der Himmel steht seit der Auferstehung und Himmelfahrt unseres Herrn Jesus Christus beständig offen. In dem Moment, in dem wir in Jesus beten, Seinen Namen anrufen, sind wir bereits mit dem ersten Satz durchgedrungen und eingedrungen in Gottes Gegenwart. Egal, ob wir das fühlen oder nicht.
Was Jesus durch Seine Auferstehung vollbracht hat, ist einzigartig. Das gab es vorher nicht, das gibt es nirgendwo anders, und wir sollten das viel mehr im Glauben nutzen.
Vor dem Kommen des Herrn in die Welt und vor Seiner Himmelfahrt öffnete sich der Himmel immer nur zu bestimmten Anlässen (Offenbarungen) und verschloss sich dann wieder. Schuld daran ist der Sündenfall. Seitdem war der Himmel verschlossen, die Sünde stand zwischen den Menschen und Gott und trennte sie von Ihm. Nur hier und da öffnete Gott den Himmel, um eine Botschaft zu vermitteln.
«Es geschah im dreissigsten Jahr, am fünften Tag des vierten Monats, als ich unter den Weggeführten am Fluss Kebar war, da öffnete sich der Himmel, und ich sah Gesichte Gottes» (Hes 1,1). Der Himmel öffnete sich, weil er ansonsten geschlossen war und der Prophet sah in der Folge Gotteserscheinungen. Unter diesen Erscheinungen war eine die Herausragendste. Hesekiel sah den Messias, Gott gleich (Phil 2,6ff.): «Und oberhalb der Himmelsausdehnung, die über ihren Häuptern war, war das Gebilde eines Thrones, anzusehen wie ein Saphirstein. Oben auf dem Gebilde des Thrones aber sass eine Gestalt, anzusehen wie ein Mensch. Ich sah auch etwas wie Goldschimmer, wie das Aussehen eines Feuers inwendig ringsum; von der Erscheinung seiner Lenden nach oben hin und von der Erscheinung seiner Lenden nach unten hin sah ich wie das Aussehen eines Feuers, und ein Glanz war rings um ihn her. Wie der Bogen aussieht, der an einem Regentag in den Wolken erscheint, so war auch der Glanz ringsum anzusehen. So war das Aussehen der Erscheinung der Herrlichkeit des Herrn. Als ich sie sah, fiel ich auf mein Angesicht; und ich hörte die Stimme von einem, der redete» (Hes 1,26-28).
Wenn man diese Darstellung mit den Ausführungen in der Offenbarung vergleicht, dann fällt einem die Übereinstimmung auf (Offb 1,12-17; 4,2-8). Gott erschien Hesekiel in Menschengestalt, und das ist sicher ein Hinweis auf den Messias vor Seinem Kommen in die Welt. Da Er zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht gekommen war, verschloss sich zwangsläufig der Himmel wieder und öffnete sich erst bei dem Auftreten Jesu als Messias erneut.
Mit dem Kommen des Erlösers erschien Der in unserer Welt, den Hesekiel Jahrhunderte zuvor im geöffneten Himmel geschaut hatte. Als der Herr Jesus Seinen Dienst antrat und im Jordan getauft wurde, geschah Folgendes: «Als Jesus getauft war, stieg er sogleich aus dem Wasser; und siehe, da öffnete sich ihm der Himmel, und er sah den Geist Gottes wie eine Taube herabsteigen und auf ihn kommen. Und siehe, eine Stimme kam vom Himmel, die sprach: Dies ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe!» (Mt 3,16-17). Nach dem Sündenfall hatte sich der Himmel noch nie in der Art und Weise über einem Menschen geöffnet. Bei Hesekiel geschah es, um ihm Offenbarungen zuteilwerden zu lassen. Aber bei dem Sohn Gottes geschah es zu dessen Bestätigung.
Bei Seinem ersten Kommen kündigte Jesus bereits die Zeit an, in der der Himmel für immer geöffnet sein würde: «Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Künftig werdet ihr den Himmel offen sehen und die Engel Gottes auf- und niedersteigen auf den Sohn des Menschen!» (Joh 1,51). Durch Jesus wurde für uns der Himmel geöffnet und durch Ihn wird er ständig offen stehen. Das erinnert uns an die Jakobsleiter: «Und er hatte einen Traum; und siehe, eine Leiter war auf die Erde gestellt, die reichte mit der Spitze bis an den Himmel. Und siehe, auf ihr stiegen die Engel Gottes auf und nieder» (1.Mo 28,12). Jesus ist die Leiter in den Himmel, durch Ihn gelangen wir in den Himmel und durch Ihn gelangt der Himmel zu uns.
Es ist nicht ohne Bedeutung, dass an beiden Stellen (Joh 1,51; 1.Mo 28,12) zuerst vom Aufsteigen und erst dann vom Niedersteigen die Rede ist. Dadurch, dass Jesus aus den Toten aufgestiegen ist, steigen die himmlischen Segensgaben zu uns hinab.
Bei der Himmelfahrt geschah es dann: Jesus ist durch die Himmel gegangen und hat sie uns für immer geöffnet (vgl. Hebr 4,14). Der Zugang zum Vater ist frei. Was durch den ersten Adam zerstört wurde, das wurde durch Jesus wieder aufgerichtet. Von nun an heisst es nicht mehr, wie es vor der Auferstehung Jesu bei Hesekiel oder der Taufe Jesu am Jordan geschah: «da öffnete sich der Himmel». Vielmehr sehen wir jetzt den Himmel ständig geöffnet, da sie durch die Auferstehung und Himmelfahrt des Herrn nicht mehr geschlossen werden.
Ein grossartiger Hinweis darauf, dass der Himmel jetzt beständig offen steht und wir durch Jesus Christus den direkten Zugang zum Vater haben, ist die Gabe des Heiligen Geistes, der uns vom Himmel her gesandt ist. Er ist die ständige Verbindung zwischen uns und dem geöffneten Himmel. «… im Heiligen Geist, der vom Himmel gesandt wurde – Dinge, in welche auch die Engel hineinzuschauen begehren» (1.Petr 1,12).
Stephanus konnte deshalb voll Heiligen Geistes bezeugen: «Siehe, ich sehe den Himmel offen und den Sohn des Menschen zur Rechten Gottes stehen!» (Apg 7,56). Es heisst nicht mehr: «da öffnete sich der Himmel», weil er immer wieder geschlossen wird, sondern: «ich sehe den Himmel offen», weil er durch Jesus nicht mehr geschlossen ist. Dies sehen wir auch in allen anderen, darauf folgenden neutestamentlichen Stellen: Über Petrus lesen wir: «Er sah den Himmel geöffnet und ein Gefäss zu ihm herabkommen, wie ein grosses, leinenes Tuch, das an vier Enden gebunden war und auf die Erde niedergelassen wurde» (Apg 10,11). Johannes bezeugt in der Offenbarung: «Nach diesem schaute ich, und siehe, eine Tür war geöffnet im Himmel; und die erste Stimme, die ich gleich einer Posaune mit mir reden gehört hatte, sprach: Komm hier herauf, und ich will dir zeigen, was nach diesem geschehen muss!» (Offb 4,1; vgl. Offb 19,11).
Wenn Sie das nächste Mal beten oder einen Dienst tun, dann denken Sie bitte daran, dass der Himmel nicht erst geöffnet werden muss, sondern dass er offen steht. So wie des Grabes Tor geöffnet wurde und Jesus nicht halten konnte, so ist das Tor des Himmels geöffnet. «So lasst uns nun mit Freimütigkeit hinzutreten zum Thron der Gnade, damit wir Barmherzigkeit erlangen und Gnade finden zu rechtzeitiger Hilfe!» (Hebr 4,16).
Von Norbert Lieth