23.04.2011

Was trug Jesus nicht am Kreuz?

«Fürwahr, er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre.» (Jes 53,4).
Das ideaSpektrum 50.2010 berichtete von einem Ehepaar in Philadelphia (USA), das sich auf Glaubensheilung verliess: «Ihr Kind starb ohne ärztliche Hilfe.» Das Gericht befand die Eltern der fahrlässigen Tötung schuldig. Zu dieser Meldung schrieb ein Leser unter anderem: «Es gibt innerhalb der weltweiten Pfingstbewegung überall Gemeinden, die Ähnliches lehren, wie die ‹Evangeliumsgemeinde des ersten Jahrhunderts› in Philadelphia: ‹Krankheit hänge mit mangelndem Glauben zusammen und stamme in jedem Fall vom Teufel›. Diese Lehre ist falsch und unverantwortlich. Es kann durchaus an Gottes Zulassung oder erklärtem Willen liegen, wenn ein Christ an einer Krankheit stirbt. (…) Wer immer nur von Heilung redet und nicht heilen kann, sollte seine Gemeindeglieder auf jeden Fall immer zum besten Arzt schicken, den er kennt.» Der Herr Jesus trug nicht unsere Krankheiten am Kreuz. Mit welchen Argumenten kann man eine solch «dreiste» Behauptung untermauern?
1. Die Auswirkungen: Hätte Jesus unsere Krankheiten am Kreuz getragen, müsste die Auswirkung zwangsläufig dieselbe sein wie die Erlösung. Das ist sie aber nicht. Wenn ein Mensch sich zu Jesus bekehrt, ist die direkte Folge davon, dass ihm die Sünden ganz und gar vergeben werden, er den Heiligen Geist erhält und wiedergeboren wird – seine Seele und sein Geist werden gesund. Aber wird er auch sofort und in jedem Fall körperlich gesund? Nein! Ausnahmen bestätigen zwar die Regel, Gott ist souverän und Ihm sei gedankt dafür – doch warum wird ein Mensch nicht immer und in jedem Fall gesund, obwohl er erlöst worden ist? Weil das Fleisch nicht erlöst ist, weil man immer noch in einem sündigen Leib lebt, der für jede Art von Krankheit anfällig ist.
2. Das Wort selbst erklärt es uns: In Matthäus 8 wird beschrieben, wie der Herr zunächst einen Aussätzigen heilt. Danach heilt Er den Knecht eines römischen Hauptmannes von Kapernaum. Darauf folgt die Heilung der Schwiegermutter des Petrus. Und in diesem Zusammenhang heisst es: «Als es aber Abend geworden war, brachten sie viele Besessene zu ihm; und er trieb die Geister aus mit seinem Wort, und er heilte alle Leidenden, damit erfüllt würde, was durch den Propheten Jesaja geredet ist, der spricht: ‹Er selbst nahm unsere Schwachheiten und trug unsere Krankheiten›» (Mt 8,16-17). Jesus erfüllte demnach die Prophezeiung aus Jesaja 53,4 vor der Kreuzigung, während Seines irdischen Lebens und Wandels, als Er viele Seiner jüdischen Mitmenschen heilte, Mitleid mit ihnen hatte, ihre Not auf sich nahm und sie gesund machte. Er litt mit ihren Leiden, Er erbarmte sich über sie und trug ihre Schwachheiten und Krankheiten. Diese Prophezeiung wurde in erster Linie in und an Israel erfüllt und war bereits eine Vorausschattung des zukünftigen messianischen Reiches. Immer, wenn die Bibel im Neuen Testament sagt, dass etwas erfüllt ist, dann ist es auch vollendet, dann gibt es keine Nacherfüllung mehr, keine Haupterfüllung. Betrachten wir einige Beispiele aus dem Matthäusevangelium, wo es jedes Mal heisst «auf dass erfüllt würde»:
– 1,22-23: Die Jungfrauengeburt.
– 2,15.17-18.23: Die Flucht nach Ägypten, Kindermord in Bethlehem, dass Er Nazarener genannt würde.
– 4,14-16: Die Weissagungen über Sebulon, Naphtali und das Galiläa der Heiden.
– 13,14-15.35: Die Blindheit der Pharisäer und das Reden in Gleichnissen.
– 21,4-5: Der Einzug Jesu in Jerusalem, reitend auf einem Esel.
– 27,9-10: Der Verrat mit dreissig Silberlingen und der Kauf des Blutackers.
Für all diese Aussagen gibt es keine weitere Erfüllung, weil sie bereits erfüllt wurden. Wie genau hier die Bibel ist, zeigt uns der Tag von Pfingsten. Als dieser geschah, heisst es nicht, dass Pfingsten die Erfüllung von der Joelprophezeiung sei, sondern: «Dies ist es, was durch den Propheten Joel gesagt worden ist: ‹Und es wird geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott, da werde ich ausgiessen von meinem Geist auf alles Fleisch; und eure Söhne und eure Töchter werden weissagen, und eure jungen Männer werden Gesichte sehen, und eure Ältesten werden Träume haben›» (Apg 2,16-17). Warum benutzt Petrus nicht das Wort «erfüllt»? Weil Pfingsten noch nicht die vollendete Erfüllung von Joels Aussage ist. Es steht noch eine Haupterfüllung aus, die geschieht, wenn Jesus wiederkommt. Dies ersieht man auch aus Johannes 19,36-37: «Denn dies ist geschehen, damit die Schrift erfüllt würde: ‹Kein Knochen soll ihm zerbrochen werden›. Und wiederum sagt eine andere Schrift: ‹Sie werden den ansehen, welchen sie durchstochen haben›.» Bei Vers 36 ist die Schrift erfüllt, aber bei Vers 37 noch nicht, weil das noch zukünftig ist, darum auch der Unterschied in der Aussage.
Diese Behandlung der Materie ist wichtig,
– damit wir die Schrift richtig einordnen und ihr nicht Gewalt antun,
– damit wir nicht unnüchtern werden und uns in etwas verbeissen, was biblisch nicht haltbar ist und wir nachher enttäuscht sind.
So viele Menschen leben ein verkrampftes Christenleben, weil ihnen Glauben gemacht wird, dass sie auf jeden Fall gesund werden müssten. So geraten sie in grösste Nöte, wenn es nicht geschieht. Das Neue Testament spricht an unzähligen Stellen von körperlichem Leid. Auch Christen werden nicht davor bewahrt, im Gegenteil, ihnen wird Mut gemacht, Leiden zu ertragen.
«Er trug unsere Krankheiten» bedeutet, dass Er während Seines Lebens auf Erden die Krankheiten vieler wegnahm, aber nicht, dass Jesus am Kreuz etwa AIDS, Hepatitis oder Krebs gehabt hätte, wie manchmal behauptet wird.
Was Jesus am Kreuz trug: An keiner Stelle, die über das Kreuz spricht, redet die Bibel darüber, dass Jesus unsere Krankheiten getragen hätte, vielmehr redet sie von der Sünde, die Jesus auf sich nahm – die Ursache der Krankheit und des Todes. Erst in Jesaja 53,5, nicht in Vers 4, ist die Rede vom Kreuz und davon, was Er am Kreuz trug: «Doch er wurde um unserer Übertretungen willen durchbohrt (Kreuz), wegen unserer Missetaten zerschlagen; die Strafe lag auf ihm, damit wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt worden (geheilt von den Übertretungen). Wir alle gingen in die Irre wie Schafe, jeder wandte sich auf seinen Weg; aber der Herr warf unser aller Schuld auf ihn» (Jes 53,5-6). «Denn er hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm zur Gerechtigkeit Gottes würden» (2.Kor 5,21).
Wir Menschen sind getäuscht und geprägt von einer falschen inneren Haltung. Wir meinen, reagieren oder tun so, als wäre die Krankheit schlimmer als die Sünde. Im Allgemeinen hält man Krankheit für das Schlimmste. Darum wünscht man sich «allezeit Gesundheit» oder man sagt: «Hauptsache gesund». Aber es gibt etwas, das viel schlimmer ist als jede Krankheit: die Sünde. Die Sünde ist es, die uns tötet, nicht die Krankheit. Die Sünde ist die Ursache aller Krankheit, die Wurzel des Todes und allen Leides überhaupt. Es ist schlimm, zu leiden und an Krankheit zu sterben, aber unendlich viel schlimmer ist es, in Sünden zu sterben.
Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Wir glauben daran, dass Gott auch heute noch Wunder tut und Menschen gesund macht, dass man dafür beten darf und soll, und dass man im Glauben nach Jakobus 5,14-16 handelt. Aber wie bei allen Themen sollte auch der Glaube über Krankenheilung auf den Gesamtaussagen der Heiligen Schrift gegründet sein, damit man nicht in ein falsches Fahrwasser gerät.
Von Norbert Lieth