Obwohl manche Beobachter meinen, die weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise gehöre bereits in die Annalen der Geschichte, sind deren Folgen doch von epochaler Bedeutung für die Welt. Diese Entwicklung ist ein weiterer Schritt im Prozess, der in die letzte Phase der Endzeit hineinführt.
In einer kürzlich veröffentlichten Studie erwähnen Carmen Reinhart und Kenneth Rogoff, zwei bekannte Experten für internationale Wirtschaft, dass die weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise katastrophale Auswirkungen auf die Staatsverschuldung der «Top-5- Krisen-Nationen» (USA, Grossbritannien, Irland, Island und Spanien) hatte. Ihrem Bericht1 zufolge ist dieser Posten in den letzten zwei Jahren um 75 Prozent gestiegen. In der kurzen Zeitspanne von zwei Jahren ist die Staatsverschuldung dieser Länder um mehr als zwei Drittel angestiegen. Der Prozentsatz der Steigerung ist für diese kurze Zeitspanne erstaunlich hoch.
Obwohl Beobachter der Entwicklungen im globalen Finanzsektor über dieses Phänomen nicht allzu erstaunt sind, ist es dennoch beängstigend. Spielt die Staatsverschuldung in der Endzeit eine Rolle? Diese Entwicklungen liegen tatsächlich auf einer Linie mit biblisch-prophetischen Aussagen über die Endzeit. Obwohl wir natürlich keine kurzfristigen, konkreten Prognosen abgeben können, wäre es fahrlässig, wenn wir nicht zur Schlussfolgerung kommen würden, dass sich die Welt auf dem besten Weg in eine Situation der Bedrängnis befindet, «wie sie noch nie gewesen ist» (Dan 12,1).
Die Medien berichten über Untersuchungsausschüsse und Anhörungen, die den Ursachen der weltweiten Finanzkrise auf den Grund gehen wollen. Banker von der Wall Street und Führungskräfte aus der Finanzwelt lädt man vor Sondertribunale, in denen die Amerika und der Welt aufgebürdeten Verluste und Schwankungen untersucht werden. Warum ist das alles geschehen? Wer hat Schuld an dieser Entwicklung?
Llyod Blankfein, ein Banker von der Wall Street und Direktor der Investmentfirma Goldman Sachs, behauptete vor der Untersuchungskommission zur Finanzkrise sogar, die Wirtschaftskrise sei ein «Eingreifen Gottes» gewesen. Wenige Wochen vorher meinte er in London während eines Interviews, er sei nur ein Banker, der «das Werk Gottes» ausführe. Andere leitende Finanzleute haben sich ebenfalls positiv über den moralischen Wert ihrer Arbeit, ihrer finanzkräftigen Unternehmen und ihrer Einkommen geäussert. Sie wollen sich die Schuld an den Verwerfungen am Finanzmarkt nicht in die Schuhe schieben lassen. Dieser Wesenszug von weiten Teilen der Finanzbranche ist schon seit Langem bekannt. In seinem Buch The Great Crash: 1929 schreibt der einflussreiche Ökonom John Kenneth Galbraith über die Führungskräfte dieser Branche: «Sie blieben sehr still. Das Verantwortungsgefühl für die Gesellschaft als Ganzes ist in der Finanzbranche nicht klein, sondern so gut wie gar nicht vorhanden. Wenn man sich gegen den Wahnsinn ausspricht, könnte man diejenigen ruinieren, die ihm verfallen sind. Deshalb sind die Klugen an der Wall Street fast immer still. Die Törichten haben die Oberhand und niemand weist sie in ihre Schranken.» Wenn man heute die weitverbreitete Gewissenlosigkeit an der Wall Street beobachtet, ist es noch viel schlimmer als in den Schilderungen von Galbraith. So sagte zum Beispiel Daniel Fass, der Organisator einer Spendenaktion der Wall Street für Obama: «Die Leute aus der Finanzbranche fühlen sich gänzlich missverstanden. Ihrer Meinung nach gibt es keinen Grund, warum sie nicht zwischen 1 und 200 Millionen Dollar pro Jahr verdienen sollen. Sie wollen auch nicht für die weltweite Finanzkrise verantwortlich gemacht werden.» Nur ein Jahr nachdem die Finanzbranche vor dem sicheren Zusammenbruch gerettet worden ist – mit staatlichen Hilfen, die auch künftige Generationen belasten werden –, bekommen diese Leute erneut Bonuszahlungen in Milliardenhöhe. Nur zu unserer Erinnerung: Die staatlichen Rettungsaktionen haben ihren Teil zur explodierenden Staatsverschuldung beigetragen.
Warum gibt es nach wie vor keinen Protest gegen solche Machenschaften? Von früheren Verfehlungen und Formen des Missmanagements einmal abgesehen, wissen die Banker, dass sie das Steuer noch immer in der Hand halten. Wie ist das möglich? Die Finanzindustrie sitzt fest im Sattel des Geldes. Die Banker (und damit sind alle gemeint, die in Finanzinstituten arbeiten und mit den globalen Finanzmärkten vernetzt sind) wissen ganz genau, dass man sie nicht so schnell aus dem «Tempel» vertreibt, den die Menschheit im heutigen Zeitalter des Kapitals errichtet hat. Wir leben in einer Ära der globalen Annäherung, auch von Wertvorstellungen. Die Welt folgt fast geschlossen einer Philosophie des humanistischen Materialismus. Ein partielles Reservesystem, Wohlstand durch Verschuldung und die Vorstellung, dass menschlicher Fortschritt sich über das Wachstum des Bruttosozialprodukts definiert, bilden die unheilige Dreieinigkeit von schwankenden Götzen, die um jeden Preis gestützt und festgenagelt werden müssen. «Man schmückt es (das Götzenbild) mit Silber und mit Gold. Mit Nägeln und mit Hämmern befestigen sie es, dass es nicht wackelt» (Jer 10,4).
Als die Banker die Regierungen zur Rettung des Banksystems zwangen, lautete ihr Hauptargument: «Die Wirtschaft kann sich nicht erholen, wenn ihr nicht zulasst, dass wir uns erholen.» Daraus können wir schliessen, dass die Welt zur Geisel der Finanzindustrie geworden ist. Wie ist es dazu gekommen? In den letzten Jahrzehnten hat sich die Finanzindustrie zu einem wahren Monstrum entwickelt, nicht nur in den USA, sondern weltweit. Geldgeschäfte haben zahlenmässig derart zugenommen, dass über ein Drittel aller Unternehmensgewinne aus diesem Sektor stammen. Wie kommt es, dass eine Industrie, die zur gesamtwirtschaftlichen Leistung so wenig Produktives beisteuert, so gewinnbringend geworden ist und eine so grosse Zahl von Arbeitskräften beschäftigt? Franklin D. Roosevelt sagte einmal: «Die Geldwechsler sind von ihren hohen Stühlen im Tempel unserer Zivilisation geflohen. Wir können nun diesen Tempel wieder den alten Wahrheiten zurückgeben.» Diese optimistischen Worte stammen aus seiner Rede zur Amtseinführung im Jahr 1933. Damals befand sich Amerika mitten in der Grossen Depression. Die Wall Street hatte einen Dämpfer bekommen und Tausende Banken mussten schliessen. Leider hatte Roosevelt Unrecht. Er konnte sich damals wahrscheinlich nicht vorstellen, dass das Geschäft mit dem Geld einmal solche gigantischen Ausmasse annehmen würde. Das ist aber geschehen, und es wird wohl auch so bleiben. Die «Geldliebe» in ihrem fortgeschrittenen Stadium beherrscht inzwischen die ganze Welt, und es gibt immer weniger Menschen, die versuchen, diese Macht einzudämmen. In hohen Positionen ist die Korruption weitverbreitet. Die Welt hat sich der Ideologie eines materialistischen «Himmels auf Erden» (und der Leugnung Gottes) verschrieben. Auch religiöse Kreise haben sich mit dieser Situation arrangiert. Dass sich die Menschheit mit dieser Haltung jedoch auf dem Weg zu ihrer endgültigen Zerstörung befindet, bestätigt Jesus mit Seinen eigenen Worten, wenn Er sagt: «Nicht von Brot allein soll der Mensch leben, sondern von jedem Wort, das durch den Mund Gottes ausgeht» (Mt 4,4).
Von Wilfred J. Hahn