Die Neue Zürcher
Zeitung berichtete: «Im vorletzten Jahr wurde das höchste Gebäude der Welt in
Dubai fertiggestellt, doch schon im Jahr 2007 hatte es den Turm Taipeh 101 überholt.
Fast gleichzeitig begann die weltweite Finanzkrise, und so ist Dubai inzwischen
praktisch bankrott. (…) Für Andrew Lawrence von der Bank Barclays (…) ist das
kein Zufall, sondern ein ökonomisches Gesetz. (…) Als Beweis für seine These
verweist Lawrence auf Beispiele in den letzten rund 100 Jahren. So sei der
Wettlauf um das höchste Hochhaus in New York mit dem Chrysler Building 1930 und
dem Empire State Building 1931 zeitlich mit dem grossen Börsenkrach 1929
zusammengefallen. Die Eröffnung der Twin Towers in New York 1972/73 und des
Sears Tower in Chicago 1974 wurde begleitet vom Zusammenbruch des damaligen
Finanzsystems und von der Erdölkrise. Auf die Errichtung des Petronas Towers
1997 folgte die Asienkrise.»
Zu diesen Beispielen
könnte man noch das allererste Beispiel überhaupt anführen, nämlich den Turmbau
zu Babel. Diesen sollte man aber um des Prinzips willen besser den Turmfall zu Babel
nennen. Auch dieses von Menschenhand errichtete «Hochhaus» war mit einer
grossen Krise verbunden. Es kam zu einem gewaltigen Umbruch, zu einer
Sprachenkrise und zur Zerstreuung der Menschen.
Der grosse Operntenor
Placido Domingo hat einmal gesagt: «Wer glaubt, ganz oben zu sein, ist schon
auf dem Weg nach unten.» Das Babel-Prinzip reflektiert den grenzenlosen Hochmut
des Menschen. Er will buchstäblich hoch hinaus, höher als alle anderen vor ihm,
und vor allem aus eigener Kraft und ohne Gott. Wer das höchste Gebäude hat, ist
der Grösste – nur so erklären sich die Wettläufe zu immer gigantischeren
Objekten.
Ein Beispiel dafür
ist das im Sommer eingeweihte Hochhaus «The Shard» in London. Spiegel Online
berichtete: «Es ist das höchste Haus Europas und soll das neue Wahrzeichen
der Stadt werden. Der pyramidenförmige Wolkenkratzer mit Glasfassade ist fast
310 Meter hoch, wie die Bauträgerfirma mitteilte. Damit überholt der wegen
seiner zackigen Spitze ‹The Shard› (auf Deutsch: die Scherbe) genannte
Wolkenkratzer den Capital City Tower in Moskau als höchstes Haus Europas.
Allerdings wird der noch nicht fertige Mercury City Tower in Russlands Hauptstadt
bald mit 332 Metern noch höher werden.»
Das ist
bemerkenswert, wenn man die gegenwärtigen Turbulenzen in der europäischen Wirtschaft
bedenkt. So wird für die nahe Zukunft ein dramatischer Absturz der Weltwirtschaft
befürchtet: Die Finanzplätze London und New York gerieten stark ins Wanken und
müssten zusammen mit Japan erkennen, dass sie mit ihrem Latein am Ende seien.
Wolkenkratzer sind eine
Art Statussymbol: Wir sind die Reichsten, die Fortschrittlichsten, die
Modernsten, die Mächtigsten, die Klügsten und die Grössten. Doch der wahrhaft
Allmächtige gibt darauf eine ganz sachliche Antwort: «Stolz kommt vor dem
Zusammenbruch, und Hochmut kommt vor dem Fall» (Spr 16,18). Das
scheint ein geistliches Gesetz zu sein, ähnlich wie ein Naturgesetz. Das Gesetz
über Hochmut lehrt uns, dass Hochmut unweigerlich den Fall nach sich zieht. «Wer
auf seinen Reichtum vertraut, der wird fallen; die Gerechten aber werden
grünen wie das Laub» (Spr 11,28).
In diesem
Zusammenhang ist interessant, dass der oben erwähnte Finanzexperte Lawrence
meint, es sei eine allgemeine falsche Allokation von Kapital in Hochbauten zu beobachten.
Es käme zu einer Fehlplatzierung von Kapital und daraufhin zu einer Korrektur
durch die Märkte: «Es kommt zu einer Blasenbildung und dann zum Platzen der Blase.»
Vor dem Turmfall zu
Babel machte Gott die Feststellung: «Siehe, sie sind ein Volk, und
sie sprechen alle eine Sprache, und dies ist erst der Anfang ihres Tuns!
Und jetzt wird sie nichts davor zurückhalten, das zu tun, was sie sich
vorgenommen haben» (1.Mo 11,6). Der Mensch strebt in seiner
Unabhängigkeit von Gott immer höher hinaus und kennt dabei keine
Grenzen. Diesem Hochmut stellt sich Gott entgegen, indem Er so
manche Krise zulässt, damit wir erkennen, dass wir Ihn, den wahrhaft Grössten,
brauchen.
Von
Norbert Lieth