Die Botschaft der Propheten
ist nicht immer leicht zu lesen. Schon mancher Bibelleser hat sich gefragt, was
er mit dieser oder jener bisweilen recht «schwer verdaulichen Kost» anfangen
soll. Doch wir dürfen nicht vergessen, dass die Botschaft aller biblischen
Propheten immer den inneren Zustand der Menschen, zu denen sie sprechen
mussten, widerspiegelte. Dabei gab es von jeher zwei Kategorien von Adressaten
und zwei Arten von Botschaft. Die Adressaten waren entweder die Angehörigen des
Volkes Gottes oder die Nationen, die sogenannten Heiden. Verkündigt wurde
entweder Gnade für die Gottesfürchtigen oder Gericht für die Gottlosen.
Allerdings gab es sehr wohl
einen Unterschied, ob das Volk Gottes eine Gerichtsbotschaft empfing, weil es
abgefallen war, oder ob die Nationen diese empfingen, weil sie Gott
verachteten. Das heisst nicht, dass Gott parteiisch ist. Nein, bereits im Alten
Testament sprach Er: «Meinst du, dass ich Gefallen habe am Tode des
Gottlosen, spricht Gott der Herr, und nicht vielmehr daran, dass er sich
bekehrt von seinen Wegen und am Leben bleibt?» (Hes 18,23; vgl.
1.Tim 2,4). Doch während eine Gerichtsbotschaft gegen Menschen, die nicht zum Volk
Gottes gehörten, durchaus normal, ja sogar unausweichlich war, war eine Gerichtsbotschaft
an das Volk Gottes nicht nur sehr traurig, sondern auch äusserst unnatürlich.
Für Gott den Herrn ist es
etwas sehr Schlimmes, wenn Er die Kinder Seines Eigentumsvolkes schlagen und
züchtigen muss (vgl. Jes 1,3-6). Deshalb heisst es auch in Klagelieder 3,33: «Denn
nicht von Herzen plagt und betrübt er die Menschen.» Manchmal
muss der Herr mit Seinen Kindern Wege gehen, die Er sich – und natürlich auch
Seinen Kindern – lieber erspart hätte. Doch durch alle Züchtigung des Herrn
bricht immer wieder Seine Liebe wie ein strahlendes Licht hervor. Er züchtigt
Sein Volk aus Liebe (Offb 3,19), wie es auch in Hebräer 12,6 geschrieben steht:
«Denn wen der Herr lieb hat, den züchtigt er, und er schlägt
jeden Sohn, den er annimmt.» Der Grund: «Gott ist Liebe» (1.Joh
4,8). Es ist sehr wichtig, dass wir diese zentrale Wahrheit tief in unserem
Herzen festhalten, damit wir jegliche Züchtigung des Herrn im richtigen Licht
sehen und ein Buch wie das des Propheten Micha richtig verstehen.
Wer
war Micha? Der Prophet war gebürtig aus Moreschet (Mi 1,1), einem Ackerbaustädtchen
zwischen Hebron und Gaza im Südreich Juda. Wahrscheinlich arbeitete Micha dort,
wie Amos, als Landbauer. Er war ein Zeitgenosse der Propheten Jesaja, Hosea und
Amos. Besonders Jesaja hatte eine sehr ähnliche Botschaft wie Micha (vgl. Mi
4,1-5 mit Jes 2,2-5). Überdies wurde Micha später von Jeremia zitiert: «Zur
Zeit Hiskias, des Königs von Juda, war ein Prophet, Micha von
Moreschet; der sprach zum ganzen Volk Juda: So spricht der Herr Zebaoth:
Zion wird wie ein Acker gepflügt werden, und Jerusalem wird zu
Steinhaufen werden und der Berg des Tempels zu einer Höhe wilden
Gestrüpps» (Jer 26,18). Auch unser Herr Jesus zitierte Micha, als Er über
sich selbst eine Aussage machte, die zu Michas prophetischer Verkündigung gehört
hatte: «Denn ich bin gekommen, den Menschen zu entzweien mit seinem
Vater und die Tochter mit ihrer Mutter und die Schwiegertochter mit
ihrer Schwiegermutter. Und des Menschen Feinde werden seine eigenen Hausgenossen
sein» (Mt 10,35-36). Diese Aussage entspricht fast wörtlich Micha 7,6.
Der Name Micha bedeutet:
«Wer ist wie Gott?» Damit war seine Botschaft bereits in seinem Namen
enthalten, zumal in seiner Predigt immer wieder das: «Zurück zu Gott!» zu hören
war. Dieses «Zurück» widerspiegelt auch die messianische Stelle in Micha 5,2-4,
wo es um das Zurück nach Bethlehem geht: zurück zu David, zum Sohn Davids, dem Messias,
der der Friede sein wird (vgl. V 4 mit Eph 2,14). Wir finden dieses «Zurück»
auch in Micha 6,8, einem Schlüsselvers des Buches: «Es ist dir gesagt,
Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert, nämlich Gottes
Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott.»
Es gibt einige
Prophezeiungen im Buch Micha, die sich bereits erfüllt haben:
– Die Niederlage und der
Fall Samarias (Mi 1,6).
– Die Zerstörung Jerusalems
(Mi 3,12).
– Die babylonische
Gefangenschaft (Mi 4,10).
– Die Geburt Jesu in
Bethlehem (Mi 5,1).
Ein besonderes Merkmal des
Propheten Micha ist, dass sein Buch eines der meistzitierten alttestamentlichen
Bücher im Neuen Testament ist.
Micha
Kapitel 1: Wenn das Volk Gottes sündigt. Im ersten Kapitel werden insbesondere
die beiden Hauptstädte des Nord- und Südreiches genannt: Samaria im
Zehnstämmereich Israel und Jerusalem im Zweistämmereich Juda. Sie waren die
Hochburgen des damaligen sündigen Lebens (Mi 1,2-5). Dies hat eine tief tragische
Bedeutung! Oder hätten etwa nicht gerade die Hauptstädte Israels die Möglichkeit
bieten sollen, den Gott Israels kennenzulernen? Denn sicherlich richteten die
umliegenden Völker ihr Augenmerk auf diese Städte; sie waren sozusagen die
Visitenkarten der beiden Königreiche. Doch ausgerechnet dort waren die Zentren
der Sünde. Dabei hatte Gott die Israeliten zu Seinem Eigentumsvolk berufen,
damit sie ein positives und gesegnetes Vorbild für alle Völker sein sollten: «Sieh,
ich habe euch gelehrt Gebote und Rechte, wie mir der Herr, mein Gott,
geboten hat, dass ihr danach tun sollt im Lande, in das ihr kommen
werdet, um es einzunehmen. So haltet sie nun und tut sie! Denn
dadurch werdet ihr als weise und verständig gelten bei allen
Völkern, dass, wenn sie alle diese Gebote hören, sie sagen müssen: Ei,
was für weise und verständige Leute sind das, ein herrliches
Volk!» (5.Mo 4,5-6).
Doch die Israeliten
versagten in dieser wunderbaren Berufung und waren keine Zeugen des Herrn, wie
sie es laut Jesaja 43,10 hätten sein sollen. Aus diesem Grund finden wir zum
Beispiel in Jesaja 63,10 die erschütternde Aussage: «Aber sie waren widerspenstig
und betrübten seinen heiligen Geist; darum ward er ihr Feind und
stritt wider sie.» Gott selbst stritt gegen Israel; und genau das finden wir
auch in Micha 1: «Höret, alle Völker! Merk auf, Land und alles, was
darinnen ist! Denn Gott der Herr hat mit euch zu reden, ja, der
Herr aus seinem heiligen Tempel» (Mi 1,2). Gott erhob Seinen Finger wider
Sein Volk, indem Er alle Völker ansprach. Denn Israel hatte vor den Augen aller
Völker gesündigt, indem seine Hauptstädte, die ein Zeugnis für den Gott Israels
hätten sein sollen, Zentren des Bösen waren. Deshalb stellte sich der Herr
öffentlich gegen diese Städte!
Micha 1,13 erklärt, wo die
Sünde ihren Anfang nahm: «Du Stadt Lachis, spanne Rosse an und fahre
davon; denn du bist für die Tochter Zion der Anfang zur Sünde,
und in dir finden sich die Übertretungen Israels.» Lachis (od.
Lachisch) war eine Grenzstadt im äussersten Südwesten und grenzte fast unmittelbar
an das Land der Philister. Die Sünden der heidnischen Völker konnten ohne
Weiteres via Lachis in ganz Israel eindringen. Lachis war zwar nur ein kleiner
Ort, aber durch diese Stadt wurde der «Sauerteig der Sünde» über ganz Israel
verbreitet! Hier liegt für die Gemeinde Jesu eine sehr ernste und tiefe
Wahrheit verborgen. Für uns ist diese Begebenheit eine deutliche Warnung, nicht
leichtfertig Grenzgebiete des Feindes aufzusuchen und mit dem Feuer zu spielen,
denn «ein wenig Sauerteig» durchsäuert «den ganzen Teig» (1.Kor 5,6; vgl. Hld
2,15). Jakobus schreibt: «Wisst ihr nicht, dass Freundschaft mit der
Welt Feindschaft mit Gott ist? Wer der Welt Freund sein will, der wird
Gottes Feind sein» (Jak 4,4).
So kündigte denn der Prophet
Micha im ersten Kapitel um der Sünde willen das kommende Gericht an: «Denn
siehe, der Herr wird herausgehen aus seiner Wohnung und
herabfahren und treten auf die Höhen der Erde, dass die Berge unter
ihm schmelzen und die Täler sich spalten, gleichwie Wachs vor dem Feuer
zerschmilzt, wie die Wasser, die talwärts stürzen. Das alles um
Jakobs Übertretung willen und um der Sünden willen des Hauses
Israel» (Mi 1,3-5).
Micha
Kapitel 2: Ein Gott, der straft? In Kapitel 2 finden wir die
gleiche Botschaft wie in Micha 1. Gleich in den ersten Versen wird uns
unmissverständlich erklärt, dass es immer Folgen hat, wenn man sündigt: «Weh
denen, die Schaden zu tun trachten und gehen mit bösen Gedanken
um auf ihrem Lager, dass sie es frühe, wenn’s licht wird, vollbringen,
weil sie die Macht haben! Sie reissen Äcker an sich und nehmen
Häuser, wie sie’s gelüstet. So treiben sie Gewalt mit eines jeden Hause
und mit eines jeden Erbe» (Mi 2,1-2). Hier wird die Sünde beschrieben,
wie sie ist: Unendlich böse und abgrundtief schlecht. Und so lautete die
Botschaft Gottes an Sein abtrünniges Volk: «Siehe, ich ersinne wider dies
Geschlecht Böses, aus dem ihr euren Hals nicht ziehen und unter dem ihr
nicht so stolz dahergehen sollt; denn es soll eine böse Zeit
sein. Zur selben Zeit wird man einen Spruch von euch machen und klagen:
Es ist aus – so wird man sagen –, wir sind vernichtet! Meines Volkes
Land kriegt einen fremden Herrn! Wann wird er uns die Äcker
wieder zuteilen, die er uns genommen hat? Jawohl, ihr werdet keinen
Anteil behalten in der Gemeinde des Herrn!» (Mi 2,3-5).
Es ist ganz offensichtlich:
Auf Sünde folgt Strafe, denn Übertretung muss gesühnt werden (vgl. 2.Mo 21,24). Doch das Alte
Testament bezeugt auch, dass unser Gott im Himmel «ein barmherziger und
gnädiger Gott» ist, «langmütig und reich an Gnade und Treue» (2.Mo
34,6; vgl. Ps 86,15; 103,8). Wie sind Worte von Gnade, Langmut und Erbarmen mit
den überaus harten Worten in Micha 2 vereinbar? War Gott ohne Mitleid, als Er
Israel die Strafe ankündigte? Nein, das war Er nicht; Er war, ist und bleibt ein
Gott der Liebe! All das, was Micha ankündigen musste, hatten die Israeliten
selbst verschuldet.
Natürlich war es Gottes Hand, die sich wider sie erhob, aber der Grund waren
ihre eigenen Sünden und Übertretungen. In Jesaja 59,2 steht klar und deutlich
geschrieben: «Eure Verschuldungen scheiden euch von eurem Gott, und
eure Sünden verbergen sein Angesicht vor euch, dass ihr nicht gehört
werdet.»
In Micha 2,6 lesen wir die
Reaktion des Volkes auf diese Botschaft: «Lasst das prophetische
Predigen! predigen sie; derartige Dinge predigt man nicht! Nicht wird
Schande uns alle treffen!» Israel verwarf die kompromisslose Botschaft des
Propheten Micha. Das Volk glaubte nicht, dass das, was Micha ankündigte, wahr
war: «Das Haus Jakob tröstet sich also: Meinst du, der Herr sei
schnell zum Zorn? Sollte er solches tun wollen?» (V 7). Hätte Micha
oberflächlich gepredigt oder dummes Zeug verkündigt, hätten sie ihn gerne als
Prediger des Herrn akzeptiert, wie der Prophet selbst feststellte: «Wenn ich
ein Irrgeist wäre und ein Lügenprediger und predigte, wie sie
saufen und schwelgen sollen – das wäre ein Prediger für dies Volk!» (V
11).
Diese Aussage ist heute
hochaktuell. Schon der Apostel Paulus prophezeite, dass diese Unsitte auch
innerhalb der Gemeinde Jesu Einzug halten würde. Nachdem er seinen geistlichen
Sohn Timotheus ermahnt hatte: «Predige das Wort, steh dazu, es sei
zur Zeit oder zur Unzeit; weise zurecht, drohe, ermahne mit aller
Geduld und Lehre» (2.Tim 4,2), erklärte er weiter: «Denn es wird eine
Zeit kommen, da sie die heilsame Lehre nicht ertragen werden; sondern
nach ihren eigenen Gelüsten werden sie sich selbst Lehrer
aufladen, nach denen ihnen die Ohren jucken, und werden die Ohren von
der Wahrheit abwenden und sich den Fabeln zukehren.»
Diese unselige Entwicklung
grassiert wie eine Seuche innerhalb des christlichen Lagers. Allzu oft wird die
Heilige Schrift untergraben. Man greift Gottes Wort an, statt sich von ihm
strafen zu lassen. Micha wollte man damals verbieten, das Wort des Herrn so zu
verkündigen, wie Gott es ihm aufgetragen hatte. Man sagte: «Derartige Dinge
predigt man nicht … (predige lieber) … von Wein und
Würztrank …» (Mi 2,6.11). Heute werden schwierige Stellen in der Schrift so
lange bearbeitet, bis alle Ecken und Kanten verschwunden sind. Aber das Wort
Gottes hat sehr oft Ecken und Kanten; und wohl dem, der sich von Zeit zu Zeit
so richtig daran stösst! Es muss bisweilen wehtun, wenn wir Gottes Wort lesen.
Gott der Herr sagte einst durch den Propheten Jeremia: «Ist mein Wort nicht
wie ein Feuer … und wie ein Hammer, der Felsen zerschmeisst?» (Jer
23,29).
Sein Wort ist wie ein Feuer,
weil wir immer wieder von allen Schlacken gereinigt werden müssen, wollen wir
ein Gefäss zu Seiner Ehre sein: «Nur wenn die Schlacken vom Silber
geschieden werden, so kommt dem Goldschmied ein Gerät zustande» (Spr
25,4). Sein Wort ist wie ein Hammer, der Felsen zerschmeisst, weil unsere Herzen
manchmal hart sind wie Granit. Hebräer 3,7-8 richtet eine Warnung an die Kinder
des Neuen Bundes: «Deshalb gilt uns das Wort des heiligen Geistes:
Heute, wenn ihr Seine Stimme hört, verhärtet eure Herzen nicht, wie
es einst bei der Erbitterung am Tage der Versuchung in der Wüste
geschah!» Auch unsere Herzen brauchen von Zeit zu Zeit den Hammer des
Wortes: «Denn das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und
schärfer als jedes zweischneidige Schwert und dringt durch, bis es
scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein, und ist ein Richter
der Gedanken und Sinne des Herzens» (Hebr 4,12).
Hüten wir uns davor, in die
gleiche Sünde zu fallen wie die Israeliten zur Zeit des Propheten Micha, indem
wir eine biblische Botschaft verwerfen, weil sie uns nicht gefällt! Dies
gereichte dem Volk letztendlich zum grossen Schaden.
Micha
Kapitel 2: Ein Gott, der liebt! Trotz Gerichtsandrohung
gibt es einen Lichtpunkt in Micha 2, und dies sind die zwei letzten Verse des
Kapitels. Sie reden nämlich in wunderbarer Weise von Befreiung: «Ich will
dich, Jakob, sammeln ganz und gar und, was übrig ist von Israel, zusammenbringen.
Ich will sie wie Schafe miteinander in einen festen Stall tun und
wie eine Herde in ihre Hürden, dass es von Menschen dröhnen soll. Er
wird als ein Durchbrecher vor ihnen heraufziehen; sie werden
durchbrechen und durchs Tor hinausziehen, und ihr König wird vor
ihnen hergehen und der Herr an ihrer Spitze» (Mi 2,12-13).
Dies ist eine Verheissung
für den Überrest Israels, für das, «was übrig ist von Israel».
Auch wenn Micha 1 und 2 uns erschreckend klar aufzeigen, dass jegliche Sünde gesühnt
werden muss, nimmt das doch die Tatsache nicht weg, dass es immer auch einen
Überrest gibt. Das sind jene Menschen, die sich durch alles hindurch an ihren
Gott gehalten haben. Im Buch des Propheten Maleachi werden diese Menschen «die Gottesfürchtigen»
genannt: «Aber die Gottesfürchtigen trösten sich untereinander: Der
Herr merkt und hört es, und es wird vor ihm ein Gedenkbuch geschrieben
für die, welche den Herrn fürchten und an seinen Namen gedenken. Sie
sollen, spricht der Herr Zebaoth, an dem Tage, den ich machen will, mein Eigentum
sein, und ich will mich ihrer erbarmen, wie ein Mann sich seines Sohnes
erbarmt, der ihm dient» (Mal 3,16-17). Genau das besagen auch die letzten
beiden Verse von Micha 2: Gott selbst wird sich eines Tages über den Überrest
Seines Volkes Israel erbarmen und als Durchbrecher und König vor ihnen
herziehen und sie erretten.
Es ist ein gewaltiger Beweis
der Liebe Gottes, dass Er gerade in diesem Kapitel, wo es doch um Sünde, Schuld
und Strafe geht, auch von Errettung spricht. Dies darf auch Sie, der Sie zum
Neuen Bund gehören und Ihrem Herrn treu bleiben wollen, ermutigen. Der ganze
Werdegang dieser Welt, die Sünde, die Ungerechtigkeit, scheint uns Kinder
Gottes manchmal fast zu lähmen; es bedrückt uns, wenn uns all dieses Negative
bewusst wird. Aber das ist nicht das Ende! Nein, gerade dann, wenn uns die
gegenwärtige Weltlage fast erdrücken will, sollten wir unser Augenmerk zum
Beispiel auf Lukas 21,28 richten, wo unser Herr selbst sagt: «Wenn aber
dieses anfängt zu geschehen, dann seht auf und erhebt eure Häupter,
weil sich eure Erlösung naht.»
Ja, unser Durchbrecher Jesus
Christus kommt wieder und wird vor uns heraufziehen. Wir werden durchbrechen
und durchs Tor hinausziehen und unser König wird vor uns hergehen. Der Apostel
Paulus beschreibt dieses bevorstehende herrliche Ereignis so: «Denn der Herr
selbst wird, sobald sein Weckruf ergeht, sobald die Stimme des
Engelfürsten erschallt und die Posaune Gottes ertönt, vom Himmel
herabkommen, und die Toten in Christus werden zuerst auferstehen; darauf
werden wir, die wir noch leben und übriggeblieben sind, zusammen mit
ihnen auf Wolken dem Herrn entgegen in die Luft entrückt werden; und
alsdann werden wir allezeit mit dem Herrn vereinigt sein» (1.Thess
4,16-17). Und dann fügt er noch seelsorgerlich die Worte hinzu: «So tröstet
euch also untereinander mit diesen Worten!» (V 18).
Die Welt mag im Argen
liegen, die Anfechtungen mögen stärker werden, das Böse mag überhandnehmen, und
doch wissen Kinder Gottes: Der Durchbrecher ist da, und mit Ihm gehen wir einer
herrlichen Zukunft entgegen!
Micha
Kapitel 3: Wem viel gegeben ist, bei dem wird man viel suchen.
Micha 3 ist ebenso ernst wie die beiden vorhergehenden Kapitel. Nach der
Ankündigung des Gerichts klagt Gott nun verschiedene Gruppen des Volkes direkt an.
Die Fürsten Israels unterdrückten ihr Volk so sehr, dass Micha sie mit wilden
Tieren vergleicht, die ihre Opfer in wilder Gier zerreissen (Mi 3,1-3). Die Vergeltung
des Herrn würde sie besonders schmerzlich treffen: «Darum, wenn ihr
nun zum Herrn schreit, wird er euch nicht erhören, sondern wird sein
Angesicht vor euch verbergen zur selben Zeit, wie ihr mit eurem
bösen Treiben verdient habt» (Mi 3,4). Für unseren Herrn ist es ein
schlimmes Vergehen, wenn man sich an schwachen Mitmenschen versündigt (vgl. Mt
18,6). Gott kümmert sich besonders um die Schwachen: «Keine Witwe oder Waise
sollt ihr bedrücken. Wenn du sie irgendwie bedrückst und sie dann zu
mir schreien, so werde ich ihr Schreien gewisslich erhören, und mein
Zorn wird entbrennen» (2.Mo 22,21-23).
In diesen ersten Versen von
Micha 3 steckt auch eine Botschaft für uns. Grundsätzlich ist es so, dass
alles, was den Israeliten widerfahren ist, «ist jenen aber vorbildlicherweise
widerfahren und ist niedergeschrieben worden zur Warnung für uns,
denen das Ende der Weltzeiten nahe bevorsteht» (1.Kor 10,11). Auch
wir können manchmal wie wilde Tiere über einander herfallen, wie Paulus es
ausdrückt: «Wenn ihr euch aber untereinander beisst und fresst, so
seht zu, dass ihr nicht einer vom andern aufgefressen werdet» (Gal
5,15). Dies schrieb Paulus, nachdem er darüber gesprochen hatte, dass einer dem
anderen durch die Liebe dienen soll und dass das ganze Gesetz in einem Wort
erfüllt ist: «Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!» (Gal 5,13-14).
Wie kann es so weit kommen,
dass wir einander beissen und fressen, statt Nächstenliebe zu üben? Wir müssen annehmen,
dass sich die Fürsten zur Zeit Michas in ihrem Hochmut über die einfachen
Menschen erhaben fühlten. Sie meinten, etwas Besseres zu sein. Diese hochmütige
Haltung ist für eine Gemeinschaft, in der Liebe vorherrschen sollte, verheerend.
Wenn man tief im Herzen beginnt, sich besser, frömmer oder heiliger zu fühlen
als seine Nächsten, erlischt die Liebe. Doch wir sollten bedenken, dass der
Herr gerade die Menschen, die wir vielleicht geringschätzig behandeln würden, besonders
umsorgt, und dass Er die Unterdrücker besonders richtet (Mi 3,4).
Micha tadelte auch die
geistlichen Oberhäupter Israels: die Propheten, die grundsätzlich nur dann
Gutes prophezeiten, wenn sie beschenkt wurden, und Schlechtes voraussagten,
wenn sie nichts erhielten: «Darum soll euch die Nacht ohne Gesichte
sein und die Finsternis ohne Wahrsagung. Die Sonne soll über den
Propheten untergehen und der Tag über ihnen finster werden» (Mi
3,6). Den betrügerischen Sehern und Wahrsagern wurde gesagt: «Und die Seher
sollen zuschanden und die Wahrsager zu Spott werden; sie müssen alle
ihren Bart verhüllen, weil kein Gotteswort da sein wird» (V
7). Auch die Priester, die ihren Dienst nicht mehr aus Berufung, sondern als
Beruf ausübten, weil sie es ausschliesslich für Geld taten, mussten wie die
anderen Gottes Urteil vernehmen: «… seine Priester erteilen Rechtsbescheide
für Bezahlung, und seine Propheten wahrsagen für Geld; und dabei verlassen
sie sich auf den Herrn, dass sie sagen: Ist nicht der Herr in unserer Mitte?
Uns kann kein Unglück widerfahren! Darum wird um euretwillen Zion zu Ackerland
umgepflügt und Jerusalem zu einer Trümmerstätte werden und der Tempelberg
zu einer bewaldeten Höhe!» (Mi 3,11-12).
Tatsächlich waren die
Häupter, Priester und Propheten die Hauptschuldigen, dass Jerusalem verwüstet
wurde. Natürlich war das Volk auch mitschuldig, aber weil die Führer den Weg
Gottes verlassen hatten, war der Niedergang sozusagen vorprogrammiert. Dass
dies den Herrn sehr bedrückte, wird in den ersten beiden Versen von Micha 3
deutlich: «Höret doch, ihr Häupter im Hause Jakob und ihr
Herren im Hause Israel! Ihr solltet die sein, die das Recht kennen. Aber ihr
hasst das Gute und liebt das Arge …» Die hohe Verantwortung, die die Häupter
des Volkes damals hatten, haben wir Gläubige des Neuen Bundes auch. Denn Sie
und ich, wir alle sind Fürsten und Priester! Offenbarung 1,6 erklärt, dass
Jesus Christus uns zu Königen gemacht hat vor Gott, Seinem Vater. Petrus nennt
uns «das auserwählte Geschlecht, die königliche Priesterschaft» (1.Petr
2,9). In der Ewigkeit werden wir als Könige herrschen (Offb 22,5), und diese
hohe Berufung tragen wir jetzt schon in uns. Als Gläubige sind wir in Jesus
Christus zu Priestern gemacht. Unser neutestamentlicher Priesterdienst besteht
darin, dass jeder einzelne von uns sich völlig dem Herrn ausliefert, sich
selbst Gott zum Opfer bringt (1.Petr2, 5.9). Und als Gemeinde haben wir die priesterliche
Aufgabe, einer verlorenen Welt das Lamm Gottes zu verkündigen. Paulus schreibt:
«Damit ich ein Diener Christi Jesu unter den Heiden sei, um das
Evangelium Gottes priesterlich auszurichten, damit die Heiden ein Opfer
werden, das Gott wohlgefällig ist, geheiligt durch den heiligen Geist»
(Röm 15,16).
Sind Sie sich Ihres
königlichen Priesterdienstes bewusst? Ihre Verantwortung ist keineswegs
geringer als diejenige der Fürsten und Priester zur Zeit des Propheten Micha.
So erklärt der Herr Jesus: «Wem aber viel gegeben ist, von dem wird
auch viel gefordert werden, und wem viel anvertraut ist, von dem wird
man auch umso mehr verlangen» (Lk 12,48). Deshalb sollten wir uns davor hüten,
so zu unterdrücken, zu lügen und zu sündigen wie damals die Leiterschaft in
Micha 3. Vielmehr sollten wir uns zu Herzen nehmen, was Paulus erklärt: «Wenn
jemand den Tempel Gottes verdirbt, den wird Gott verderben, denn der
Tempel Gottes ist heilig; der seid ihr» (1.Kor 3,17). Hier wird in einem einzigen
Vers unsere ganze Verantwortung beschrieben, die wir als Diener des Neuen
Bundes haben.
Das
Herz Michas. Im Gegensatz zu den Führern des Volkes nahm
Micha seine Verantwortung wahr. In Kapitel 3,8 sagte er über sich selbst: «Ich
aber bin voll Kraft, voll Geist des Herrn, voll Recht und Stärke,
dass ich Jakob seine Übertretung und Israel seine Sünde anzeigen kann.»
War dieses Selbstzeugnis Michas nicht ein wenig überheblich? Keineswegs! Es
war ein Lobpreis, ein Rühmen des Herrn im Sinne von Jeremia 9,22-23. Er wollte
aufzeigen, dass da ein starker Gott war, der ihm Kraft und Mut und Stärke
verlieh.
In Vers 7 musste Micha
darüber sprechen, dass wegen der Sünden der gottlosen Seher kein Gotteswort
mehr da sein würde. Und in Vers 9 musste er die Häupter des Hauses Jakob schwer
rügen, weil sie das Recht verkehrten. Aber genau dazwischen finden wir in Vers 8
seinen Siegesruf. Trotz aller Misere proklamierte Micha, dass er einen grossen Gott
kannte. Genauso sollten auch wir nicht mit den Wölfen heulen und angesichts der
Zustände auf dieser Erde ein Jammerlied anstimmen, sondern vielmehr die Kraft
und Majestät unseres grossen Gottes preisen und rühmen.
Nichtsdestotrotz setzten die
zum Teil schweren Gerichtsworte, die Micha verkündigte, ihm auch persönlich zu.
Ja, sie erschütterten ihn derart, dass er in lautes Wehklagen fiel. So erklärte
er in Kapitel 1: «Darüber muss ich klagen und heulen, ich muss
barfuss und bloss dahergehen; ich muss klagen wie die Schakale und jammern
wie die Strausse» (V 8).
Übertrieben war diese
Verhaltensweise, dieser Ausdruck der Trauer, nicht. Micha musste tatsächlich
Entsetzliches und Schreckliches ankündigen. So sollte beispielsweise aus der
blühenden Stadt Samaria ein Steinhaufen werden (Mi 1,6). Diese Prophezeiung
erfüllte sich 722 v.Chr. buchstäblich. Micha wusste ganz genau, was geschehen
würde. Kein Wunder also, dass er weinte und nach Worten suchte, um den ganzen
Schrecken dieser kommenden feindlichen Invasion zu beschreiben.
In Micha 1,10-15 benutzte
der Prophet verschiedene Wortspiele, um das ganze Elend der kommenden Invasion
zu beschreiben. Hermann Menge lieferte zu jeder Ortsangabe, die Micha nannte, die
wörtliche deutsche Übersetzung. Dadurch wird uns klar, was Micha mit seinen
Wortspielen sagen wollte: Wie traurig es ihm ums Herz war und wie bedrückt er
über den Zustand seines Volkes war: «In Gath (d.h. Kundstadt) tut es
nicht kund! In Akko (d.h. Wein-Au) veranstaltet kein Weinen! In
Beth-Leophra (d.h. Staubheim) wälzt euch im Staube! Mache dich
auf den Weg, Einwohnerschaft von Saphir (d.h. Schmuckstadt), in
schimpflicher Entblössung! Die Bevölkerung von Zaanan (d.h. Auszug) zieht
nicht mehr aus! Die Trauer Beth-Haezels (d.h. Nimmhausen oder:
Raststadt) nimmt euch die Lust, dort zu rasten. Ach, es zittert um ihr Heil
die Bevölkerung von Maroth (d.h. Bitterkeiten), denn Unheil
fährt vom Herrn her an die Tore Jerusalems herab! Schirre die Renner
an den Wagen, Einwohnerschaft von Lachis (d.h. Rennstadt)! …
Darum musst du das Entlassungsgeschenk (oder: den Scheidebrief) geben
an Moreseth-Gath (d.h. Brautstadt bei Gath). Die Häuser von
Achsib (d.h. Trugheim) werden für die Könige von Israel trüglich
werden. Einen neuen Besitzer (oder: Erben) bringe ich dir,
Bewohnerschaft von Maresa (d.h. Besitztum oder: Erbenhausen)» (Mi
1,10-15).
Micha war ob der Wucht
dieser enormen Strafandrohung ganz zerschlagen. Er suchte förmlich nach Worten,
Ausdrücken und Bildern, um das herannahende Gericht zu beschreiben. Mit dieser Herzenseinstellung
war der Prophet ein Hinweis auf den grössten Propheten Israels, nämlich Jesus
Christus. Etwa 800 Jahre nach Micha sprach auch unser Herr Jesus Worte des
Gerichts aus; und zwar über Seine Stadt Jerusalem, weil sie Ihn verworfen
hatte. Auch Er rang wie Micha nach Worten, als Er Seinen tiefen Schmerz
äusserte: «Jerusalem, Jerusalem, die du tötest die Propheten und steinigst,
die zu dir gesandt werden, wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen
wie eine Henne ihre Küken unter ihre Flügel und ihr habt nicht gewollt!
Seht, euer Haus soll euch wüst gelassen werden» (Lk 13,34-35).
Später, als der Heiland sich wieder Seiner Stadt Jerusalem nahte, weinte Er
sogar über sie: «Und als er nahe hinzukam, sah er die Stadt und
weinte über sie und sprach: Wenn doch auch du erkenntest zu dieser Zeit,
was zum Frieden dient! Aber nun ist’s vor deinen Augen verborgen. Denn
es wird eine Zeit über dich kommen, da werden deine Feinde um dich
einen Wall aufwerfen, dich belagern und von allen Seiten
bedrängen» (Lk 19,41-43).
Wie sieht es bei uns aus?
Wir kennen doch so manche unmissverständliche Strafandrohung, die Gott
ausgesprochen hat, auch für unsere Welt heute. Wie gehen wir mit solch
folgenschweren Aussagen des Herrn um? Treffen sie uns bis ins Tiefste unserer
Seele; sind wir immer wieder neu darüber erschüttert; treiben sie uns ins
Gebet?
Wir brauchen ein Herz wie
Micha, der zwar das Gericht des liebenden Gottes ankündigen musste, aber
gleichzeitig innerlich zutiefst erschüttert und betroffen war. Nehmen wir uns
auch ein Beispiel an unseren Herrn Jesus, der über Seine Stadt Jerusalem
weinte, und von Dem es auch heisst: «Als Jesus … eine grosse Menge
Volks versammelt sah, ergriff ihn tiefes Mitleid mit ihnen, denn sie
waren wie Schafe, die keinen Hirten haben» (Mk 6,34).
Gott sucht auch heute noch
nach solch weinenden Herzen, nach Herzen, die voller Erbarmen sind. Schon im
Alten Testament erklärte Gott – und auch hier ging es wieder um ein
Gerichtsurteil: «Ich suchte unter ihnen, ob jemand eine Mauer ziehen und in
die Bresche vor mir treten würde für das Land, damit ich’s nicht
vernichten müsste» (Hes 22,30).
Wollen Sie sich in diesen
Dienst rufen lassen und sich ein brennendes Herz schenken lassen für die
Verlorenen unter uns? Micha hatte so ein Herz, und das zeichnete diesen Mann in
besonderer Weise aus.
Von
Marcel Malgo