24.08.2012

Hat Gott Seine Verheissungen erfüllt? - Teil 5


Der mosaische Bund und die eschatologische Bedeutung von 3. Mose 26  – Teil II

Zu einem biblischen Verständnis von Josua 21,43-45. Teil 5.


In gleicher Weise wie schon bisher in dieser Serie sollten wir uns auch den Verheissungen in 3. Mose 26,40-45 annähern. In diesem Fall bedeutet das, zu überprüfen, wie sich diese Verheissungen, an denen Jahwe sich selbst gebunden hat, auf Josua 21,43-45 beziehen. Damit die in 3. Mose 26,40-45 von Jahwe gegebene Verheissung in Josua 21,45 als erfüllt gelten kann, müssen die folgenden Elemente sich zuvor historisch ereignet haben; es muss nachgewiesen werden, dass sie tatsächlich eingetreten sind: (1) Das gesamte Volk hat national seine Sünden und die Schuld seiner Vorfahren bekannt (26,40). (2) Jahwe hat feindschaftlich gehandelt und das Volk Israel in das Land seiner Feinde vertrieben (26,41). (3) Jahwe hat sich nach dem nationalen Sündenbekenntnis im Exil an Seinen Bund mit Jakob, Isaak und Abraham erinnert (26,42). (4) Das Land war verlassen und lag brach, bis alle seine Sabbate nachgeholt waren (26,43a). (5) Das jüdische Volk hat im Exil für seine Schuld gebüsst (26,43b). (6) Jahwe darf sie weder verabscheuen noch Seinen Bund brechen, selbst wenn das Volk im Land seiner Feinde ist (26,44). (7) Und Er muss sich an Seinen Bund erinnern, den Er mit dem Volk geschlossen hat (26,45).

Dies alles gehörte genauso zu «all dem Guten, das der Herr dem Haus Israel verheissen hatte» (Jos 21,45), wie alle anderen Verheissungen, die Jahwe seit 1. Mose 3,15 gegeben hatte. Noch passender ist, dass diese Verheissungen Jahwes dem Gesamtzusammenhang von 3. Mose 26 entsprechen; in diesen Kapiteln finden sich ja viele Bezüge auf die Landesverheissungen.

«3. Mose 26 beschreibt das verheissene Land als Rahmen und Umfeld für die Erfüllung sowohl des Segens (V 4-12) als auch des Fluches (V 14-38). Es ist beachtenswert, dass Psalm 72,16-17 die weltweite Ausdehnung des davidischen Königreichs in Begriffen beschreibt, die an den Segen in 3. Mose 26 erinnern. Das ist einer der Hinweise auf die eschatologische Bedeutung dieses Kapitels.»

Auch wenn man eine noch so lebhafte Vorstellungskraft an den Tag legt, nichts von diesen Elementen hat sich historisch ereignet – gerade, weil in Josua 21 das Volk im Land lebte und noch nicht weggeführt worden war. Folglich liegt die Beweislast bei denen, die mit Elan behaupten, Jahwe habe tatsächlich alle Seine Verheissungen erfüllt. Ausserdem würde man klären müssen, was Jahwe tatsächlich meinte, wenn Er nicht vorhatte, das Volk wegzuführen und dann wieder zu sammeln.

Kurz bevor die Führung des Volkes von Mose an Josua überging, warnte Gott das Volk Israel, denn es neigte bereits dazu, sich in Rebellion von Ihm abzuwenden. Nach «dem Lied des Mose» (5.Mo 32), das «ein Zeuge» sein sollte «gegen die Kinder Israels» vor ihrem Gott (31,19), beendete Mose seine Rede mit der eindringlichen Ermahnung zum Gehorsam gegenüber Jahwe. Dabei betonte er besonders, dass ihr Gehorsam bewirken würde, dass sie als Volk lange wohnen würden in dem Land, das der Herr ihnen zu geben im Begriff war. 5. Mose 32,44-47 besagt:

«Und Mose kam und trug alle Worte dieses Liedes vor den Ohren des Volkes vor, er und Josua, der Sohn Nuns. Und als Mose dies alles zu ganz Israel geredet hatte, da sprach er zu ihnen: Nehmt zu Herzen alle Worte, die ich euch heute bezeuge, damit ihr sie euren Kindern gebietet, dass sie darauf achten, alle Worte dieses Gesetzes zu befolgen. Denn es ist kein leeres Wort für euch, sondern es ist euer Leben, und durch dieses Wort werdet ihr eure Tage verlängern in dem Land, in das ihr über den Jordan geht, um es in Besitz zu nehmen!»

Aufgrund dieses Bibeltextes fasst Keith H. Essex kurz zusammen, was Israel als Nation sowohl in der nahen als auch in der ferneren Zukunft zu erwarten hat: «Die Torah schliesst mit der Erwartung, dass diese Verheissung an Abraham in naher Zukunft erfüllt wird – in Form der Eroberung des Landes unter Josua (5.Mo 31,1-8). Jedoch sagt die Torah voraus, dass Israel wegen seines Ungehorsams das Land verwirken und unter die Nationen zerstreut werden würde (5.Mo 29,22-28). In weiter Zukunft, nach der Zerstreuung (5.Mo 4,30-31), würde der Herr das bussfertige Israel wieder in das Land zurückbringen, wie Er es in Seinem Bund mit Abraham versprochen hatte (3.Mo 26,40-45).»

Die Frage stellt sich, welche jüdischen Generationen die Erfüllung der Verheissung geniessen und das Land bewohnen werden, wenn Jahwes Bund unumstösslich ist. Angesichts dessen beobachtet Kaiser: «Die Bedingungen sind nicht an die Verheissung geknüpft, sondern einzig und allein an die Teilhaber, die von diesen zuverlässigen Verheissungen profitieren würden … Die Verheissung blieb dauerhaft bestehen, die Teilhabe am Segen allerdings hing vom geistlichen Zustand des Einzelnen ab.»

Fasst man die Verheissungen in diesem Artikel ausführlicher zusammen, könnte man Folgendes erwarten: (1) Jahwe wird als Führer vor Seinem Volk einherziehen und es in das Land bringen (5.Mo 31,3). (2) Israel wird trotz der Treue Jahwes abfallen und anderen Göttern dienen (5.Mo 31,16). (3) Dies geschieht, weil, selbst als Mose noch lebte, die Gedanken ihrer Herzen schon von Gott abgewandt waren (5.Mo 31,21). (4) Deshalb wird Jahwe das ungehorsame Volk schliesslich unter alle Völker zerstreuen (5.Mo 30,1). (5) Das Land wird seine Sabbate nachholen (3.Mo 26,43). (6) Gott wird Sein Volk jedoch nicht verwerfen oder verabscheuen (3.Mo 26,44-45). (7) Die Juden werden in all den Ländern, in die Jahwe sie zerstreut hat (5.Mo 30,1), Segen und Fluch erfahren. (8) Schliesslich wird das ganze Volk Busse tun und zum Herrn umkehren (5.Mo 30,2). (9) Dann wird Jahwe die Juden aus der Gefangenschaft wieder in ihr Land bringen (5.Mo 30,3-5). (10) Und über diese Segnungen hinaus wird eines Tages Jahwe selbst ihre Herzen und die Herzen ihrer Nachkommen beschneiden, «dass du den Herrn, deinen Gott, liebst von ganzem Herzen und von ganzer Seele, damit du lebst» (5.Mo 30,6). (11) Ausserdem wird Gott selbst schwere Gerichte über die Völker bringen, die Israel bedrängt haben (5.Mo 30,8). (12) Immerhin hatte Jahwe zuvor versprochen: «Ich will segnen, die dich segnen, und verfluchen, die dich verfluchen; und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf der Erde» (1.Mo 12,3). Gott steht zu Seinem Wort. Und diese Verheissung ist ohne jeden Zweifel ein «gutes Wort» des Herrn (vgl. Jos 21,45, Lth84). (13) Schliesslich, nachdem Jahwe diese Elemente bis aufs Kleinste genauestens ausgeführt haben wird, wird das Volk Ihm wieder gehorchen und vollständig im Bundesgehorsam leben (5.Mo 30,8). Daraufhin wird es nochmals Gottes Bundessegnungen empfangen (30,9-10). Diese Verse verlangen Gottes schweres Gericht über das jüdische Volk wegen seines Ungehorsams. Und doch enthalten sie Seine Verheissung für dasselbe Volk, das Er richtet, damit es Ihm wieder gehorsam wird, nachdem es zuvor ungehorsam gewesen und deshalb von Ihm bedrängt worden ist – bis hin zum Exil unter die heidnischen Völker. Wenn irgendjemand im Zusammenhang mit 5. Mose 30 für die neutestamentliche Gemeinde Segnungen dieser Art beansprucht, sollte er bedenken: Diese könnten nur erfolgen, wenn die Gemeinde zuvor «Segen und Fluch» erlebt hat und unter alle Völker zerstreut worden ist, wohin Gott sie verbannt hat (5.Mo 30,1).

Von Greg Harris