23.05.2011

Verschwörungstheorien: Aus welchen Quellen schöpfen wir? – Teil 4

Was sagt die Bibel über Weltverschwörungstheorien? Gehören sie zum prophetischen Wort? In dieser Reihe soll auf solche und damit verbundene Fragen eingegangen werden. Lesen Sie hier Teil 4.
In 1. Johannes 4,1 heisst es: «Geliebte, glaubt nicht jedem Geist, sondern prüft die Geister, ob sie aus Gott sind! Denn viele falsche Propheten sind in die Welt hinausgegangen.» Das gilt auch für alles, was uns auf dem Gebiet der Verschwörungstheorien präsentiert wird.
Als Teenager tauchte ich selbst in die Welt der Verschwörungstheorien ein. Das erste Mal wurde ich aufmerksam, als jemand mir die Schrift «Verführung im frommen Gewand – Neonazismus als angebliche Fortsetzung christlicher Offenbarung» von Friedrich T. Külling (Immanuel-Verlag 1986) gab. In dieser Schrift werden die angeblichen Enthüllungsbücher von Des Griffin und Wolfgang Borowsky genau analysiert. Friedrich Külling weist ganz klar das christlich ummantelte, nationalsozialistische Gedankengut nach, das in diesen «Enthüllungsbüchern» weitergeben wird. Unter anderem wird der Holocaust ganz raffiniert infrage gestellt und die bösen Juden als die Wurzel alles Übels angesehen. Seltsamerweise kommen dabei die USA immer schlecht und Europa immer besser weg. Leider werden die Bücher von Des Griffin sogar in einem christlichen Enthüllungsbuch als Literaturnachweis angegeben.
Das endgültige Erwachen kam, als ich mich mit den Ursprüngen des Judenhasses und Antisemitismus auseinandersetzte. Inzwischen ist durch eine Vielzahl von Literatur und Forschung belegt, dass Hitler von der freimaurerischen Weltverschwörung, hinter der das Judentum stehen soll, überzeugt war. All diese esoterischen Theorien fussen auf den sogenannten «Protokollen der Weisen aus Zion», die von der zaristischen Geheimpolizei als eine Fälschung erfunden und den Juden untergeschoben wurden. Darin wurde das jüdische Weltfreimaurertum bezichtigt, die Weltherrschaft anzustreben, für seinen Zweck Grossstädte in die Luft sprengen und die westliche Zivilisation zerstören zu wollen. Vielleicht dämmert es nun, wie man auf eine angebliche Verschwörung des 11. Septembers kommt. Diese gefälschten Protokolle mussten als Belege herhalten, um die Pogrome und Übergriffe gegen die Juden zu rechtfertigen. Hitler und Himmler waren geradezu besessen von der Idee der freimaurerisch-jüdischen Weltverschwörung und verfolgten deshalb die Freimaurer und mit noch viel grösserer Konsequenz die Juden, die angeblich dahintersteckten.
Bis in die Gegenwart kommt vieles der sogenannten Enthüllungsbücher aus der rechtsextremen Ecke. Als Beispiel seien dafür die Schriften Udo Holeys genannt, der unter dem Pseudonym Jan van Helsing seine Enthüllungsbücher publizierte. Von diesem esoterisch-antisemitischen Autor stammt beispielsweise auch die Behauptung, dass Helmut Kohl in Wirklichkeit Jude sei und sein Name deshalb von Kohn in Kohl umgeschrieben wurde. Zu meiner eigenen Schande muss ich eingestehen, dass ich diese Behauptung selbst von einem Glaubensbruder, der angeblich ein Experte auf dem Gebiet der Freimaurerei war, übernommen und geglaubt hatte. Damals wusste ich noch nicht um den okkulten, rechtsextremen Hintergrund solcher Thesen. Aus denselben Quellen stammt die Behauptung, dass die Juden den Holocaust als Waffe gegen Deutschland gebrauchen usw. Ebenso wird die unsinnige Behauptung verbreitet, dass der Aidsvirus auf Befehl der jüdischen Illuminaten in einem amerikanischen Labor hergestellt wurde.
Übrigens wurden die Bücher von Holey alias Jan van Helsing in Deutschland verboten. Seine Thesen wurden jedoch von anderen Autoren munter weiterverbreitet. Auch die Bücher von Des Griffin wurden vor einigen Jahren von einem Verlag vertrieben, der wegen seiner neonazistischen Tendenzen unter Beobachtung des Bundesverfassungsschutzes stand.
Eine gläubige Person, die sich selbst auch als Aufklärungsexperte in Sachen Weltfreimaurertum ansieht, äusserte mir gegenüber, dass der heutige Staat Israel im tiefsten Grund ein freimaurerisches Gebilde sei. Das ist nicht nur zutiefst schockierend, wenn man um die «braunen» Quellen solcher Thesen weiss. Zugleich grenzt eine solche Aussage an Gotteslästerung. Natürlich haben wir noch nicht das errettete Israel vor uns. Auch israelische Politiker können Freimaurer sein, wie beispielsweise Jitzchak Rabin. Aber die Wiederherstellung des Staates Israel und die begonnene Rückwanderung der Juden sind das Werk Gottes und die Erfüllung biblischer Verheissungen. Das hat mit der angeblichen Weltherrschaft der Freimaurer rein gar nichts zu tun.
Es war dieselbe Person, die das Weltfreimaurertum als Wegbereiter des Antichristus ansieht. Auf meine Frage, was er mit diesen Thesen mache, wenn der Antichrist genauso wie einmal Hitler als Gegner und Verfolger der angeblichen Weltverschwörung auftrete, blieb er mir die Antwort schuldig.
Eine weitere dubiose Quelle der Enthüllungsbücher ist der esoterisch geprägte Kopp-Verlag. Leider haben in diesem Verlag jetzt auch ernstzunehmende Personen wie der Islamkenner Udo Ulfkotte oder die ehemalige Fernsehmoderatorin Eva Herrmann publiziert, die dadurch aber ihre eigene Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzten. In diesem Verlag wimmelt es nur so von Enthüllungsliteratur, von Ausserirdischen, die vor einigen Jahrtausenden die Erde besucht haben sollen, von angeblichen unterirdischen Basen, die die Nazis bis heute am Südpol betreiben, von okkulten Prophezeiungen, von Büchern über die wahren Hintergründe der Weltverschwörung, Weltwirtschaftskrise und vieles andere mehr.
Unter anderem erschien hier das Buch über Skull & Bones und die Zugehörigkeit von George Bush zu diesem Geheimorden der Yale-Universität. Angeblich steuert dieser Studentengeheimbund, zu welchem Bush tatsächlich gehört, die Weltherrschaft an. Dass George Bush nur wenige Jahre nach Erscheinen des Buches als einer der unbeliebtesten US-Präsidenten in die Geschichte einging und seiner Partei eine historische Niederlage bescherte, scheint niemanden mehr zu kümmern. Besonders, weil Barack Obama kein Absolvent von Yale ist. Aber trotzdem gehen die Verschwörungstheorien munter weiter.
Viel zu wenig wird bei all den Verschwörungstheorien die Frage gestellt: Aus welcher Quelle stammt diese Information? Welche Personen liefern solche Informationen? In factum Nr. 7/2010 machte Thomas Lachenmaier deutlich, dass die Verschwörungstheorien, die nun im Westen über das Erdbeben in Haiti und den damit verbundenen angeblichen Wunderwaffen der USA kursieren, schon zu DDR-Zeiten ein Mittel der sozialistisch-ideologischen Kriegsführung gegen die USA waren. Es ist manchmal erschreckend, wie gerade unter Gläubigen leichtfertig irgendwelche Dinge übernommen werden, nur weil sie scheinbar in das eigene System passen, ohne nachzufragen, aus welchen Quellen diese Informationen stammen. Obwohl man ja gegen den Islam ist, stört es bei den Verschwörungstheorien auf einmal nicht mehr, dass es solche Bücher und Thesen in den islamischen Ländern wie Sand am Meer gibt.
Noch ein Beispiel: Vor Jahren las ich im Nachrichtenmagazin Focus ein Interview mit einem der Hauptideologen, die die Illuminatenverschwörung vertreten. Auf dem Bild waren im Hintergrund seines Arbeitszimmers eine Buddhafigur zu sehen und das esoterische Zeichen von Yin und Yang. Deshalb meine Frage – nicht nur an das rechte Spektrum: Was sind das für Personen, wessen Geistes Kinder sind sie, die uns solche scheinbar spektakulären und unverzichtbaren Informationen liefern?
Es geht bei Weitem nicht darum, die Freimaurer, Bilderberger, die UNO oder sonst jemanden zu verharmlosen und als etwas Gutes oder Neutrales darzustellen. Aber erkennen wir den Geist, der hinter diesen ganzen Verschwörungstheorien steckt? Überprüfen wir diese Dinge wirklich im Licht der Bibel oder werden sie vorschnell übernommen, weil sie scheinbar, ich betone, nur scheinbar, in das eigene System passen?
An dieser Stelle möchte ich ein Wort aus Jesaja 8,9-13 zitieren: «Tobet, ihr Völker, und erschreckt! Und horcht auf, all ihr fernen Bewohner der Erde! Gürtet euch und erschreckt, gürtet euch und erschreckt! Plant einen Plan, er geht in die Brüche! Beschliesst einen Beschluss, er wird nicht zustande kommen! Denn Gott ist mit uns. Denn so hat der Herr zu mir gesprochen, als seine Hand mich packte und er mich davor warnte, auf dem Weg dieses Volkes zu gehen: Ihr sollt nicht alles Verschwörung nennen, was dieses Volk Verschwörung nennt. Das, was sie fürchten, sollt ihr nicht fürchten und nicht davor erschrecken! Den Herrn der Heerscharen, den sollt ihr heiligen! Er sei eure Furcht, und er sei euer Schrecken!»
Diese Worte waren an Ahas, den König von Juda, gerichtet. Er erzitterte vor dem herannahenden Aram in Zusammenschluss mit dem Zehnstämme-Reich und vor den Assyrern. Das Volk witterte Verschwörung hinter den bedrohlichen Feindmächten. Darüber wurde es blind für das Reden und das damit verbundene Gericht Gottes. Stehen wir nicht heute genau in derselben Gefahr? Anstatt sich selbst angesichts der Ereignisse und Entwicklungen unter das Reden und damit verbundene Gericht Gottes zu beugen, werden irgendwelche bösartigen Verschwörungen verantwortlich gemacht. Deshalb ist die Alternative zu den Verschwörungstheorien nach Jesaja 8 die Gottesfurcht. Warum? In diesem Kapitel wird deutlich, dass der Herr selbst – und nicht irgendeine Verschwörung – Seine Pläne mit starker Hand durchführt. Aus diesem Grund sind diese ganzen Verschwörungstheorien so brandgefährlich. Sie ziehen die Gläubigen ganz heimlich in eine falsche Richtung. Für sie ist es nicht mehr Gott, der aktiv handelt und Seine Absichten entgegen allen menschlichen Verschwörungstheorien und Plänen durchführt, sondern plötzlich hat das angebliche Weltfreimaurertum oder sonst jemand das Heft in der Hand. Aber wir sollen den Herrn fürchten. Alles andere ist Unglauben. Interessant sind in diesem Zusammenhang auch die Verse 19-20. Hier wird deutlich, wie eng die falsche Verschwörungsangst in Juda mit okkulten Quellen und Praktiken verbunden war.
Von Johannes Pflaum