Israels Ministerpräsident
Netanjahu hatte keinen Hehl daraus gemacht: Er hätte lieber Mitt Romney als US-Präsidenten
gesehen. In welche Richtung gehen die Beziehungen zwischen den USA und Israel nach
Obamas Wiederwahl?
Am 6. November 2012 wurde
der Ausgang der Wahlen in den USA verkündet. Am 22. Januar 2013 wird man den
Ausgang der Wahlen in Israel kennen. Kurz nach dem Wahlsieg des alt-neuen US-Präsidenten
Obama sagte ein Aktivist im Wahlkampfquartier des Verlierers Mitt Romney zu
israelischen Reportern: «Das ist schlecht, schlecht für euch. Jetzt stehen euch
vier gefährliche Jahre bevor.» Man kann davon ausgehen, dass nicht nur Romney-Freund
Benjamin Netanjahu ähnliches durch den Kopf ging. In Israel sind viele nicht
nur wegen Obamas aussenpolitischer Linie besorgt, sondern auch, weil der
wiedergewählte Präsident wenig Empathie für Israels Premier zu empfinden scheint.
Dies beruht allerdings auf Gegenseitigkeit. Zudem glauben einige, dass Obama Netanjahu
und Israel in der einen oder anderen Form spüren lassen wird, dass seine offene
Favorisierung Romneys eine Einmischung in interne US-Angelegenheiten war.
«So ein Quatsch»,
kommentierte solche Überlegungen der ehemalige israelische Konsul in New York,
Alon Fuchs. «Die Beziehungen zwischen Staaten beruhen auf geteilten Interessen
und Werten, nicht auf persönlichen Sympathien. Der wiedergewählte Präsident der
Vereinigten Staaten wird entsprechend der Interessen seines Landes handeln.
Dazu gehört nun einmal auch ein enges strategisches Bündnis mit Israel.» Andere
Kommentatoren sind da anderer Meinung: «Natürlich geht es um Interessen und Werte.
Und trotzdem: Obama kann uns, wenn er möchte, das Leben ganz schön schwer
machen, auch wenn im Repräsentantenhaus gegenwärtig eine republikanische Mehrheit
besteht, wodurch gewisse Schritte des Präsidenten ausgebremst werden können.
Dennoch kann Obama die militärische Unterstützung zurückhalten, gemeinsame
Manöver absagen und versuchen, die Finanzhilfe für Israel zu reduzieren. Und
uns fallen noch sehr viel mehr Dinge ein, mit denen er uns das Leben schwer
machen könnte.»
Noch wissen wir nicht,
welche Richtung Obama tatsächlich einschlagen wird. In einer Sache gibt es
allerdings keine Diskussionen; es ist eine Tatsache, dass Obama und Netanjahu
keine Sympathie füreinander empfinden. Man kann es sogar noch schärfer
formulieren: Sie können einander nicht ausstehen. Daher stockt die direkte Kommunikation,
die oftmals viele Hürden auf einfache Weise aus der Welt zu schaffen vermag. Während
Netanjahu vor der Wahl eindeutig Stellung für Romneys Seite bezog, war nach der
Wahl nichts mehr davon zu hören. Im Ministerpräsidentenbüro versuchte man, Zweifel
zu zerstreuen, und gab sofort bekannt, dass Netanjahu Obama in einem persönlichen
Telefonat zu seinem Wahlsieg gratuliert habe.
Doch schnell stand die erste
echte Prüfung des Verhältnisses an, denn nur wenige Tage nach Obamas Wiederwahl
kündigte die Palästinensische Autonomiebehörde an, bei den Vereinten Nationen einen
Antrag zu stellen, um als Staat mit Beobachterstatus in den Kreis der UNO-Vollversammlung
aufgenommen zu werden. Die Obama-Regierung lehnte diesen Schritt ausdrücklich
ab, so wie Israel es sich nicht anders hätte wünschen können. Ist damit das
Thema also vom Tisch?
Vermutlich nicht. In Israel
geht man davon aus, dass Obama die Forderung der Palästinenser auf Einstellung
aller Bauaktivitäten in den Siedlungen unterstützen wird. Zudem glaubt die
israelische Regierung, dass Obama jene Prozesse fördern wird, die zu einer
Gründung von zwei Staaten in der Region Erez Israels führen werden.
Das wohl wichtigste Thema
wird der Iran bleiben. Wie vehement wird Obama sich gegen die iranischen
Bestrebungen stellen, in den Besitz von nuklearen Waffen zu kommen? Wird er sich
mit den Iranern letztlich doch noch an den Verhandlungstisch setzen? Wird er
ernsthaft militärische Massnahmen erwägen bzw. gutheissen? Das sind für Israel
Fragen von grösster Relevanz. Die jeweiligen Antworten werden für das Land und
den gesamten Nahen Osten bedeutsam sein und massgeblich vorgeben, wie sich das Verhältnis
zwischen Israel und den USA entwickeln wird – auch unabhängig vom Ausgang der
Wahlen in Israel.
Von Zwi Lidar