19.09.2011

Das «Dennoch des Glaubens» im Leiden

Viele Gläubige nehmen heute an, dass ein Christ keine Krankheiten und Leiden haben muss. Das ist aber alles andere als die Lehre der Bibel. Es steht im Alten sowie im Neuen Testament, dass der Gläubige wohl leiden und Krankheiten durchmachen kann. In Psalm 73 oder Psalm 116,10 wird davon gesprochen, dass der Glaube nicht die Schwierigkeiten aufhebt, im Sinne von: «Wenn ich glaube, dann habe ich keine Probleme mehr.» Das Neue Testament bestätigt dies, zum Beispiel in 1. Petrus 4, Verse 1, 16 und Vers 19: «Welche nach dem Willen Gottes leiden.» Oder 1. Petrus 5,10: «… die ihr eine kleine Zeit leidet.» Auch Paulus sprach davon: «Gleichwie wir des Leidens Christi viel haben» (2.Kor 1,5). Die Frage ist wirklich nicht, ob das in unserem Leben sein kann oder nicht, sondern: Wie verhalten wir uns in diesen Umständen? Dringen wir durch zu einem «Dennoch des Glaubens», auch wenn die Leiden bleiben, die Schwierigkeiten weitergehen?
Dass es nicht einfach ist, solche Situationen zu durchleben, erklärt auch Psalm 73,13-14: «Soll es denn umsonst sein, dass mein Herz unsträflich lebt und ich meine Hände in Unschuld wasche, ich bin geplagt täglich, und meine Strafe ist alle Morgen da?» Wie überwindet der Psalmist nun diese Situation? Er geht ins Heiligtum. Er betet und erkennt, dass es auf das Ende ankommt, und gewinnt dadurch neuen Mut. Paulus drückt es mit folgenden Worten aus: «Denn ich halte es dafür, dass dieser Zeit Leiden der Herrlichkeit nicht wert sei, die an uns soll offenbart werden» (Röm 8,18). Der Psalmist erlitt offensichtlich wirkliche Schmerzen: «Da es mir wehe tat im Herzen und mich stach in meinen Nieren … wenn mir gleich Leib und Seele verschmachten» (V 21.26). Trotzdem dringt er durch zu einem «Dennoch»: «Dennoch bleibe ich stets an dir, denn du hältst mich bei meiner rechten Hand» (V 23). Und er beschreibt das «Dennoch des Glaubens»: «Wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde» (V 25). Wer dennoch glaubt, wird Gott zum Lohn haben und sich freuen auch im Leiden. Wer Gott die Ehre gibt, indem er das Leid aus Seiner Hand annimmt, darf eine unbeschreibliche Herrlichkeit erwarten. Leiden wir mit, so werden wir mitherrschen (Röm 8,17). Das Mass der Leiden hat mit dem Mass der Herrlichkeit zu tun. Glauben Sie dennoch, auch wenn sich trotz Ihrer Gebete nichts geändert hat. Paulus machte diese Erfahrung auch. Er betete dreimal und erfuhr keine Heilung, aber die Zusage: «Lass dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig» (2.Kor 12,9).
Das «Dennoch des Glaubens» im Leiden kann auch bedeuten, was uns 1. Petrus 4,16.19 lehrt: Man ehre Gott in einem solchem Falle und befehle Ihm seine Seele an (vgl. Dan 3,17-18). Wer dennoch glaubt, wird getröstet, denn Gott verwandelt das Leiden in Herrlichkeit. Glauben Sie das?
Dazu stiess ich einmal auf eine passende Geschichte: «Pfarrer G. D. Krummacher besuchte einmal eine Kranke, die sich in einem sehr niedergedrückten seelischen Zustand befand. Er redete verständnisvoll mit ihr und sagte ihr zum Trost einige biblische Verheissungen. Aber sie wollte sich nicht trösten lassen. Da stand Krummacher auf, trat an das Fenster und sah eine Weile in den Garten hinaus, in dem viele Obstbäume standen. Plötzlich wandte er sich um und sagte zu der niedergeschlagenen Frau:
‹Was haben Sie da nur für schlechte Bäume im Garten!›
‹Warum?›, fragte die Kranke.
‹Ich sehe, dass sie so dürr und kahl sind, kein Blatt ist daran. Warum lassen Sie die nutzlosen Bäume nicht umhauen?›
‹Aber Herr Pfarrer, es ist doch Winter; wenn der Frühling kommt, werden sie bestimmt wieder ausschlagen …›
Krummacher sah die Frau nun freundlich an und sagte:
‹Mit den Bäumen wissen Sie so gut Bescheid, aber mit sich selbst kommen Sie nicht zurecht. In Ihrem Herzen ist auch Winter; aber glauben Sie nicht, dass der treue, barmherzige Gott in Ihnen einen neuen Frühling schaffen kann?›
Sie begriff – diese Frage half ihr, auch die Krankheitszeit als Segenszeit aus der Hand Gottes zu nehmen.»
Von Ernst Kraft