07.09.2011

Geld und Endzeit: Wer ist schuld an der Weltfinanzkrise?

Grosse Krisen – seien sie finanzieller, wirtschaftlicher oder anderer Art – fordern immer Opfer und Sündenböcke. In solchen Zeiten ist es bequem und politisch zweckmässig, jemandem die Schuld dafür zu geben. Das beruhigt das nationale Gewissen. Wem also können wir diesmal den Schwarzen Peter zuschieben? Wer eignet sich am besten als Sündenbock? Nicht einmal zehn Jahre vor der Weltfinanzkrise wurden Leute wie Martha Stewart (amerikanische Fernsehmoderatorin, die 2004 wegen eines Aktien-Insidergeschäfts zu fünf Monaten Haft verurteilt wurde, d. Übers.) Bernhard Ebbers (als Firmenchef verantwortlich für den WorldCom-Skandal) Kenneth Lay (Enron-Vorstandsvorsitzender), Dennis Kozlowski (Chef von Tyco International) und andere auf ihrem Weg zum Gericht oder ins Gefängnis von den Fernsehkameras vorgeführt. Es wurde zum sprichwörtlichen Spiessrutenlauf. Manche von ihnen bekannten, Christen zu sein. Diese Sündenböcke waren nicht schlimmer als viele andere Geschäftsleute. Sie hatten nur das Pech, in aller Öffentlichkeit erwischt zu werden. Wenn überhaupt, dann spiegelten sie nur wider, was zu dieser Zeit kulturell akzeptiert war: eine Kultur des Betrugs.
Wem könnte man diesmal offiziell die Schuld geben? Könnten es die hochprofilierten Eliten sein, vielleicht die grossen Verschwörer wie die Illuminati oder die internationalen Bankiers? Nein, wir wollen nichts zu solchen Theorien beitragen, die die biblische Sicht aussen vor lassen. Alle möglichen Leute waren daran beteiligt, vom Bettler bis zum Edelmann.
Es ist verwirrend, wie viele intelligente Christen im Nebel der Verschwörungstheorien den klaren Blick verlieren. Dadurch lassen sie sich als Vermittler des «Sozialen Evangeliums» einspannen. Ja, es gibt Verschwörungen auf der Welt, und es gibt eine Menge reicher, korrupter Menschen. Natürlich sind nicht alle Reichen korrupt, aber doch viele, wie die Bibel dies verschiedentlich nahelegt (vgl. z.B. Jak 2,6 und 5,1).
Die Schrift bringt Verschwörungstheorien unmissverständlich mit dem Geist des Antichristen in Zusammenhang. Der Apostel Johannes sagt: «Und das ist der Geist des Antichristen, von dem ihr gehört habt, dass er kommt; und jetzt schon ist er in der Welt» (1.Joh 4,3). Jeder läuft Gefahr, dabei eine Rolle zu spielen, sei diese klein oder gross. In diesem Sinne kann es eine ganze Reihe Antichristen geben, und die Bibel zeigt, dass es in der Tat viele sind. «Kinder, es ist die letzte Stunde! Und wie ihr gehört habt, dass der Antichrist kommt, so sind nun schon viele Antichristen gekommen; daran erkennen wir, dass es die letzte Stunde ist» (1.Joh 2,18). Allein schon mit den Werten dieser Welt und ihrer humanistischen Agenda übereinzustimmen, macht jemanden zum Verschwörer, zu einem «Mini-Antichristen». Der Geist des Antichristen vereint wirklich alle Einzelnen, Gruppen und Nationen, die eine Gesinnung der Rebellion gegen Gott an den Tag legen, mögen sie zur Elite zählen oder nicht.
Doch das sollte kein Grund für uns sein, irgendwelche Mittäter zu Feinden zu erklären oder zu verdammen. Es erinnert uns daran, dass wir «nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen» haben, «sondern mit Mächtigen und Gewaltigen, nämlich mit den Herren der Welt, die in dieser Finsternis herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel» (Eph 6,12). Hierbei handelt es sich nicht um einen einzigen Geist, sondern um eine Hierarchie von Dämonen. Sie werden vom «Kosmokrator» angeführt, dem obersten Engel, Satan. Gegen diese Verschwörung kämpfen wir – nicht gegen verführte, sterbliche Menschen.
Wir nutzen unsere Zeit daher besser damit, für Verschwörer und Antichristen zu beten – wer sie auch sein mögen – und nach einem biblischen Glaubensleben zu streben. Eliten, Globalisierer oder welch andere Schurken der «Neuen Weltordnung» es auch geben mag, sind nicht anders oder schlimmer als die Masse der Menschheit, die durch den Fürsten dieser Welt, «der in der Luft herrscht», verführt oder verblendet werden. Verschwörungstheorien sind für Christen in der Tat nur eine vollkommen überflüssige Ablenkung.
Die Geldgier, «die Fleischeslust, die Augenlust und der Hochmut des Lebens» (1.Joh 2,16) gehören schlicht zur Natur des Menschen. Jedermann, ob er zur Elite zählt oder nicht, muss sich für seine Taten und seinen Götzendienst verantworten. Wenn es überhaupt einen Unterschied gibt, dann den, dass die Sünden mancher sich auf die ganze Welt auswirken können; bei anderen berühren sie nur ihr direktes Familienumfeld oder sie selbst.
Der grosse Auftrag der Gemeinde lautet nicht, Sünder zu verurteilen und zur Strecke zu bringen. Wer es sich zum Lebensziel setzen will, sogenannte globale Verschwörer zu skalpieren, Wall-Street-Drahtzieher aufzuhängen oder vielleicht Vertreter der käuflichen Liebe ins Gefängnis zu bringen, der möge dies tun. Aber wir dürfen nicht behaupten, dass Christen dazu einen besonderen Auftrag hätten. Gott hat Herrscher und Regierungen eingesetzt, damit diese irdische Gerichte aufbauen und derartige Initiativen durchführen.
Zuallererst hat die Gemeinde das Evangelium zu predigen, dass der Mensch ein Sünder auf dem Weg zur Hölle ist und allein dadurch gerettet wird, dass er Christus als Herrn, Sohn Gottes und Retter annimmt. Dann, wenn ihn erst einmal der lebendige Heilige Geist durchdringt, wird er von Herzen seiner Sünden überführt. Das Skalpieren, Verdammen und Aufhängen ergibt keine Busse, die zum ewigen Leben führt. Die Bibel spricht wiederholt vom Wort Gottes als dem Schwert des Geistes (Eph 6,17; Hebr 11,34; Offb 2,16 und 19,15). Wenn wir in die Offensive gehen sollen, muss es mit diesem Schwert geschehen und nicht mit unseren sozialaktivistischen Programmen.
Die Geschichte und die Bibel warnen uns wiederholt davor, andere zum Sündenbock zu machen. Das ist eine grosse Tragödie und Ungerechtigkeit.
Von Wilfred J. Hahn