Zu einem biblischen
Verständnis von Josua 21,43-45. Teil 8.
In Hank
Hanegraaffs Buch The Apocalypse Code
ist ein geeignetes Fallbeispiel dafür zu finden, wie jemandes Auslegung von Josua 21,43-45 seine
Eschatologie beeinflusst. Dies hat vier Gründe: 1. Hanegraaff präsentiert ein hermeneutisches und exegetisches Auslegungssystem in einem Buch, das sich ausschliesslich der Eschatologie widmet; 2. er verurteilt vehement jegliche zukunftsbezogene Auslegung in Bezug auf die endzeitliche Rolle des Landes Israel; 3. er stellt sich in seinem Radioprogramm
als «Mann der biblischen
Antworten» vor; 4. Hanegraaff ist einer der führenden und lautesten Befürworter der Sichtweise,
dass Josua 21,43-45 klar die ganze
Erfüllung der Verheissungen Gottes an
das jüdische Volk zeigt.
Er schreibt: «Erstens waren die Landesverheissungen schon bald erfüllt worden, als Josua die leiblichen Nachkommen Abrahams nach Palästina hineinführte. Wie das Buch Josua berichtet, ‹gab der Herr Israel das ganze Land, von dem er geschworen hatte, es ihren
Vätern zu geben, und sie nahmen
es in Besitz und wohnten darin›.
Tatsächlich sagt Josua: ‹Es fehlte nichts
an all dem Guten, das der Herr dem Haus Israel verheissen hatte; alles war eingetroffen› (Josua 21,43.45). Noch während das Leben seinen Körper verliess, erinnerte Josua die Kinder Israels daran, dass der Herr seine Verheissungen treu erfüllt hatte. ‹Und siehe, ich gehe heute den Weg aller Welt; so
sollt ihr erkennen mit eurem ganzen
Herzen und mit eurer ganzen Seele,
dass nicht ein Wort gefehlt hat von all dem Guten, das der Herr, euer Gott, euch verheissen
hat; es ist alles für euch
eingetroffen, und nicht ein Wort davon
ist ausgeblieben› (Josua 23,14).»
Die Auswirkung
auf Hanegraaffs Eschatologie
kommt schon dadurch zum Ausdruck, dass
er es nicht einmal übers Herz bringt, das
Land als das Land Israel zu bezeichnen,
wenn er über Josua schreibt –
stattdessen spricht er davon, dass «Josua die leiblichen Nachkommen Abrahams nach Palästina
hineinführte». Josua hätte mit
dieser absolut unbiblischen Bezeichnung
nichts anfangen können. Gott
nennt dieses Land, das Er Abraham verheissen hat, kein einziges Mal «Palästina». Das ist umso bedeutender, weil laut Walter Kaiser das Wort «Land» das vierthäufigste
Substantiv in der hebräischen Bibel ist. Die Bezeichnung «Palästina» für das im abrahamitischen Bund verheissene Land findet sich weder im Pentateuch noch anderswo in der Schrift. Dieser Name taucht erst viele Jahrhunderte später auf, während der «Zeiten der Heiden» (Lk 21,24).
Hanegraaffs
Aussagen sind höchst bedeutsam, da The
Apocalypse Code seinen Lesern und den
Anwendern seiner «exegetischen
Eschatologie» nicht nur vollmundig
verspricht: «Sie werden … befähigt werden, alle Schätze der Bibel zu heben» (xxvii), sondern auch eine Methode anpreist, die angeblich in jedem ordentlichen Bibelkreis oder im privaten Bibelstudium angewendet werden sollte: «Wie Sie sicher sofort vermutet haben, geht es in The Apocalypse Code um die Endzeit. Aber dieses Buch spricht über viel mehr als nur über die Endzeit. Hier lernen Sie, die Bibel richtig zu lesen. Sie lernen, alle Schätze der Bibel zu heben! Das Rückgrat des Buches ist ein Grundsatz, den ich exegetische
Eschatologie nenne. Exegese
ist die Methode, mittels derer man sich
bemüht aufzudecken, was ein Autor oder
eine Autorin sein oder ihr ursprüngliches
Publikum wissen lassen wollte. In
scharfem Gegensatz dazu liest die Eisegesis
in den biblischen Text etwas hinein,
was ganz einfach nicht dort steht.»
Hanegraaff
erklärt weiter, er sei «keiner
besonderen Methode der Eschatologie verpflichtet» und plädiere stattdessen für «die offensichtliche und korrekte Bedeutung» eines Textes: «Ich habe den Ausdruck ‹exegetische Eschatologie› geprägt … um zu
unterstreichen, dass ich vor
allem einer korrekten Methode der biblischen Auslegung zutiefst verpflichtet bin, nicht aber irgendeiner besonderen Methode der
Eschatologie. Die
offensichtliche und korrekte Bedeutung einer biblischen Stelle muss immer den Vorrang haben vor einem
besonderen eschatologischen Rahmen oder
Gedankengebäude.»
Für sein System
der Bibelauslegung verwendet Hanegraaff das Akronym «LIGHTS» (dt. Lichter).
Dabei steht «L» für «Literal» – also für ein buchstäbliches Verständnis des
Textes. Dies klingt wie die Auslegungsweise jener, die das Tausendjährige Reich
nach der Wiederkunft Jesu buchstäblich verstehen. Doch tatsächlich führt die Anwendung
seiner Herangehensweise dazu, die Pfade der Auslegung zu verfehlen. In zwei
seiner anderen Werke nimmt Hanegraaff allerdings häufig «die
offensichtliche und korrekte Bedeutung einer biblischen
Passage» an, was tatsächlich nach einer wörtlichen,
grammatikalischen und historischen Auslegung des Textes verlangt. In ihnen zitiert er aus 1. Mose 9, dem Abschnitt der Bibel, der sich mit den ewigen Bundesverheissungen Gottes an Noah befasst. Er
führt 1. Mose 9,6 an, um zu zeigen, dass die
Bibel den Menschen auch nach dem Sündenfall
als im Bilde Gottes geschaffen betrachtet. So
sollte nach seiner eigenen Auffassung eine
ewig gültige Bundesverheissung Gottes wie in
1. Mose 9,6 wörtlich interpretiert werden und hat sie zugleich Auswirkungen bis zum heutigen Tag
(Anm. d. Red.: das bedeutet, dass Hanegraaff
konsequenterweise auch die ewig gültigen
Landesverheissungen an Abraham, Isaak und
Jakob wörtlich nehmen sollte; lesen Sie mehr
darüber in den nächsten Ausgaben).
Von
Greg Harris