04.10.2012

Hat Gott Seine Verheissungen erfüllt? – Teil 8

Wie jemandes Auslegungnvon Josua 21,43-45 seinen Eschatologie beeinflusst – Teil I

Zu einem biblischen Verständnis von Josua 21,43-45. Teil 8.


In Hank Hanegraaffs Buch The Apocalypse Code ist ein geeignetes Fallbeispiel dafür zu finden, wie jemandes Auslegung von Josua 21,43-45 seine Eschatologie beeinflusst. Dies hat vier Gründe: 1. Hanegraaff präsentiert ein hermeneutisches und exegetisches Auslegungssystem in einem Buch, das sich ausschliesslich der Eschatologie widmet; 2. er verurteilt vehement jegliche zukunftsbezogene Auslegung in Bezug auf die endzeitliche Rolle des Landes Israel; 3. er stellt sich in seinem Radioprogramm als «Mann der biblischen Antworten» vor; 4. Hanegraaff ist einer der führenden und lautesten Befürworter der Sichtweise, dass Josua 21,43-45 klar die ganze Erfüllung der Verheissungen Gottes an das jüdische Volk zeigt.

Er schreibt: «Erstens waren die Landesverheissungen schon bald erfüllt worden, als Josua die leiblichen Nachkommen Abrahams nach Palästina hineinführte. Wie das Buch Josua berichtet, ‹gab der Herr Israel das ganze Land, von dem er geschworen hatte, es ihren Vätern zu geben, und sie nahmen es in Besitz und wohnten darin›. Tatsächlich sagt Josua: ‹Es fehlte nichts an all dem Guten, das der Herr dem Haus Israel verheissen hatte; alles war eingetroffen› (Josua 21,43.45). Noch während das Leben seinen Körper verliess, erinnerte Josua die Kinder Israels daran, dass der Herr seine Verheissungen treu erfüllt hatte. ‹Und siehe, ich gehe heute den Weg aller Welt; so sollt ihr erkennen mit eurem ganzen Herzen und mit eurer ganzen Seele, dass nicht ein Wort gefehlt hat von all dem Guten, das der Herr, euer Gott, euch verheissen hat; es ist alles für euch eingetroffen, und nicht ein Wort davon ist ausgeblieben› (Josua 23,14).»

Die Auswirkung auf Hanegraaffs Eschatologie kommt schon dadurch zum Ausdruck, dass er es nicht einmal übers Herz bringt, das Land als das Land Israel zu bezeichnen, wenn er über Josua schreibt – stattdessen spricht er davon, dass «Josua die leiblichen Nachkommen Abrahams nach Palästina hineinführte». Josua hätte mit dieser absolut unbiblischen Bezeichnung nichts anfangen können. Gott nennt dieses Land, das Er Abraham verheissen hat, kein einziges Mal «Palästina». Das ist umso bedeutender, weil laut Walter Kaiser das Wort «Land» das vierthäufigste Substantiv in der hebräischen Bibel ist. Die Bezeichnung «Palästina» für das im abrahamitischen Bund verheissene Land findet sich weder im Pentateuch noch anderswo in der Schrift. Dieser Name taucht erst viele Jahrhunderte später auf, während der «Zeiten der Heiden» (Lk 21,24).

Hanegraaffs Aussagen sind höchst bedeutsam, da The Apocalypse Code seinen Lesern und den Anwendern seiner «exegetischen Eschatologie» nicht nur vollmundig verspricht: «Sie werden … befähigt werden, alle Schätze der Bibel zu heben» (xxvii), sondern auch eine Methode anpreist, die angeblich in jedem ordentlichen Bibelkreis oder im privaten Bibelstudium angewendet werden sollte: «Wie Sie sicher sofort vermutet haben, geht es in The Apocalypse Code um die Endzeit. Aber dieses Buch spricht über viel mehr als nur über die Endzeit. Hier lernen Sie, die Bibel richtig zu lesen. Sie lernen, alle Schätze der Bibel zu heben! Das Rückgrat des Buches ist ein Grundsatz, den ich exegetische Eschatologie nenne. Exegese ist die Methode, mittels derer man sich bemüht aufzudecken, was ein Autor oder eine Autorin sein oder ihr ursprüngliches Publikum wissen lassen wollte. In scharfem Gegensatz dazu liest die Eisegesis in den biblischen Text etwas hinein, was ganz einfach nicht dort steht.»

Hanegraaff erklärt weiter, er sei «keiner besonderen Methode der Eschatologie verpflichtet» und plädiere stattdessen für «die offensichtliche und korrekte Bedeutung» eines Textes: «Ich habe den Ausdruck ‹exegetische Eschatologie› geprägt … um zu unterstreichen, dass ich vor allem einer korrekten Methode der biblischen Auslegung zutiefst verpflichtet bin, nicht aber irgendeiner besonderen Methode der Eschatologie. Die offensichtliche und korrekte Bedeutung einer biblischen Stelle muss immer den Vorrang haben vor einem besonderen eschatologischen Rahmen oder Gedankengebäude.»

Für sein System der Bibelauslegung verwendet Hanegraaff das Akronym «LIGHTS» (dt. Lichter). Dabei steht «L» für «Literal» – also für ein buchstäbliches Verständnis des Textes. Dies klingt wie die Auslegungsweise jener, die das Tausendjährige Reich nach der Wiederkunft Jesu buchstäblich verstehen. Doch tatsächlich führt die Anwendung seiner Herangehensweise dazu, die Pfade der Auslegung zu verfehlen. In zwei seiner anderen Werke nimmt Hanegraaff allerdings häufig «die offensichtliche und korrekte Bedeutung einer biblischen Passage» an, was tatsächlich nach einer wörtlichen, grammatikalischen und historischen Auslegung des Textes verlangt. In ihnen zitiert er aus 1. Mose 9, dem Abschnitt der Bibel, der sich mit den ewigen Bundesverheissungen Gottes an Noah befasst. Er führt 1. Mose 9,6 an, um zu zeigen, dass die Bibel den Menschen auch nach dem Sündenfall als im Bilde Gottes geschaffen betrachtet. So sollte nach seiner eigenen Auffassung eine ewig gültige Bundesverheissung Gottes wie in 1. Mose 9,6 wörtlich interpretiert werden und hat sie zugleich Auswirkungen bis zum heutigen Tag (Anm. d. Red.: das bedeutet, dass Hanegraaff konsequenterweise auch die ewig gültigen Landesverheissungen an Abraham, Isaak und Jakob wörtlich nehmen sollte; lesen Sie mehr darüber in den nächsten Ausgaben).

Von Greg Harris