24.09.2012

Des Propheten schwere Botschaft

Die Botschaft der Propheten ist nicht immer leicht zu lesen. Schon mancher Bibelleser hat sich gefragt, was er mit dieser oder jener bisweilen recht «schwer verdaulichen Kost» anfangen soll. Doch wir dürfen nicht vergessen, dass die Botschaft aller biblischen Propheten immer den inneren Zustand der Menschen, zu denen sie sprechen mussten, widerspiegelte. Dabei gab es von jeher zwei Kategorien von Adressaten und zwei Arten von Botschaft. Die Adressaten waren entweder die Angehörigen des Volkes Gottes oder die Nationen, die sogenannten Heiden. Verkündigt wurde entweder Gnade für die Gottesfürchtigen oder Gericht für die Gottlosen.

Allerdings gab es sehr wohl einen Unterschied, ob das Volk Gottes eine Gerichtsbotschaft empfing, weil es abgefallen war, oder ob die Nationen diese empfingen, weil sie Gott verachteten. Das heisst nicht, dass Gott parteiisch ist. Nein, bereits im Alten Testament sprach Er: «Meinst du, dass ich Gefallen habe am Tode des Gottlosen, spricht Gott der Herr, und nicht vielmehr daran, dass er sich bekehrt von seinen Wegen und am Leben bleibt?» (Hes 18,23; vgl. 1.Tim 2,4). Doch während eine Gerichtsbotschaft gegen Menschen, die nicht zum Volk Gottes gehörten, durchaus normal, ja sogar unausweichlich war, war eine Gerichtsbotschaft an das Volk Gottes nicht nur sehr traurig, sondern auch äusserst unnatürlich.

Für Gott den Herrn ist es etwas sehr Schlimmes, wenn Er die Kinder Seines Eigentumsvolkes schlagen und züchtigen muss (vgl. Jes 1,3-6). Deshalb heisst es auch in Klagelieder 3,33: «Denn nicht von Herzen plagt und betrübt er die Menschen.» Manchmal muss der Herr mit Seinen Kindern Wege gehen, die Er sich – und natürlich auch Seinen Kindern – lieber erspart hätte. Doch durch alle Züchtigung des Herrn bricht immer wieder Seine Liebe wie ein strahlendes Licht hervor. Er züchtigt Sein Volk aus Liebe (Offb 3,19), wie es auch in Hebräer 12,6 geschrieben steht: «Denn wen der Herr lieb hat, den züchtigt er, und er schlägt jeden Sohn, den er annimmt.» Der Grund: «Gott ist Liebe» (1.Joh 4,8). Es ist sehr wichtig, dass wir diese zentrale Wahrheit tief in unserem Herzen festhalten, damit wir jegliche Züchtigung des Herrn im richtigen Licht sehen und ein Buch wie das des Propheten Micha richtig verstehen.

Wer war Micha? Der Prophet war gebürtig aus Moreschet (Mi 1,1), einem Ackerbaustädtchen zwischen Hebron und Gaza im Südreich Juda. Wahrscheinlich arbeitete Micha dort, wie Amos, als Landbauer. Er war ein Zeitgenosse der Propheten Jesaja, Hosea und Amos. Besonders Jesaja hatte eine sehr ähnliche Botschaft wie Micha (vgl. Mi 4,1-5 mit Jes 2,2-5). Überdies wurde Micha später von Jeremia zitiert: «Zur Zeit Hiskias, des Königs von Juda, war ein Prophet, Micha von Moreschet; der sprach zum ganzen Volk Juda: So spricht der Herr Zebaoth: Zion wird wie ein Acker gepflügt werden, und Jerusalem wird zu Steinhaufen werden und der Berg des Tempels zu einer Höhe wilden Gestrüpps» (Jer 26,18). Auch unser Herr Jesus zitierte Micha, als Er über sich selbst eine Aussage machte, die zu Michas prophetischer Verkündigung gehört hatte: «Denn ich bin gekommen, den Menschen zu entzweien mit seinem Vater und die Tochter mit ihrer Mutter und die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter. Und des Menschen Feinde werden seine eigenen Hausgenossen sein» (Mt 10,35-36). Diese Aussage entspricht fast wörtlich Micha 7,6.

Der Name Micha bedeutet: «Wer ist wie Gott?» Damit war seine Botschaft bereits in seinem Namen enthalten, zumal in seiner Predigt immer wieder das: «Zurück zu Gott!» zu hören war. Dieses «Zurück» widerspiegelt auch die messianische Stelle in Micha 5,2-4, wo es um das Zurück nach Bethlehem geht: zurück zu David, zum Sohn Davids, dem Messias, der der Friede sein wird (vgl. V 4 mit Eph 2,14). Wir finden dieses «Zurück» auch in Micha 6,8, einem Schlüsselvers des Buches: «Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert, nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott.»

Es gibt einige Prophezeiungen im Buch Micha, die sich bereits erfüllt haben:

– Die Niederlage und der Fall Samarias (Mi 1,6).

– Die Zerstörung Jerusalems (Mi 3,12).

– Die babylonische Gefangenschaft (Mi 4,10).

– Die Geburt Jesu in Bethlehem (Mi 5,1).

Ein besonderes Merkmal des Propheten Micha ist, dass sein Buch eines der meistzitierten alttestamentlichen Bücher im Neuen Testament ist.

Micha Kapitel 1: Wenn das Volk Gottes sündigt. Im ersten Kapitel werden insbesondere die beiden Hauptstädte des Nord- und Südreiches genannt: Samaria im Zehnstämmereich Israel und Jerusalem im Zweistämmereich Juda. Sie waren die Hochburgen des damaligen sündigen Lebens (Mi 1,2-5). Dies hat eine tief tragische Bedeutung! Oder hätten etwa nicht gerade die Hauptstädte Israels die Möglichkeit bieten sollen, den Gott Israels kennenzulernen? Denn sicherlich richteten die umliegenden Völker ihr Augenmerk auf diese Städte; sie waren sozusagen die Visitenkarten der beiden Königreiche. Doch ausgerechnet dort waren die Zentren der Sünde. Dabei hatte Gott die Israeliten zu Seinem Eigentumsvolk berufen, damit sie ein positives und gesegnetes Vorbild für alle Völker sein sollten: «Sieh, ich habe euch gelehrt Gebote und Rechte, wie mir der Herr, mein Gott, geboten hat, dass ihr danach tun sollt im Lande, in das ihr kommen werdet, um es einzunehmen. So haltet sie nun und tut sie! Denn dadurch werdet ihr als weise und verständig gelten bei allen Völkern, dass, wenn sie alle diese Gebote hören, sie sagen müssen: Ei, was für weise und verständige Leute sind das, ein herrliches Volk!» (5.Mo 4,5-6).

Doch die Israeliten versagten in dieser wunderbaren Berufung und waren keine Zeugen des Herrn, wie sie es laut Jesaja 43,10 hätten sein sollen. Aus diesem Grund finden wir zum Beispiel in Jesaja 63,10 die erschütternde Aussage: «Aber sie waren widerspenstig und betrübten seinen heiligen Geist; darum ward er ihr Feind und stritt wider sie.» Gott selbst stritt gegen Israel; und genau das finden wir auch in Micha 1: «Höret, alle Völker! Merk auf, Land und alles, was darinnen ist! Denn Gott der Herr hat mit euch zu reden, ja, der Herr aus seinem heiligen Tempel» (Mi 1,2). Gott erhob Seinen Finger wider Sein Volk, indem Er alle Völker ansprach. Denn Israel hatte vor den Augen aller Völker gesündigt, indem seine Hauptstädte, die ein Zeugnis für den Gott Israels hätten sein sollen, Zentren des Bösen waren. Deshalb stellte sich der Herr öffentlich gegen diese Städte!

Micha 1,13 erklärt, wo die Sünde ihren Anfang nahm: «Du Stadt Lachis, spanne Rosse an und fahre davon; denn du bist für die Tochter Zion der Anfang zur Sünde, und in dir finden sich die Übertretungen Israels.» Lachis (od. Lachisch) war eine Grenzstadt im äussersten Südwesten und grenzte fast unmittelbar an das Land der Philister. Die Sünden der heidnischen Völker konnten ohne Weiteres via Lachis in ganz Israel eindringen. Lachis war zwar nur ein kleiner Ort, aber durch diese Stadt wurde der «Sauerteig der Sünde» über ganz Israel verbreitet! Hier liegt für die Gemeinde Jesu eine sehr ernste und tiefe Wahrheit verborgen. Für uns ist diese Begebenheit eine deutliche Warnung, nicht leichtfertig Grenzgebiete des Feindes aufzusuchen und mit dem Feuer zu spielen, denn «ein wenig Sauerteig» durchsäuert «den ganzen Teig» (1.Kor 5,6; vgl. Hld 2,15). Jakobus schreibt: «Wisst ihr nicht, dass Freundschaft mit der Welt Feindschaft mit Gott ist? Wer der Welt Freund sein will, der wird Gottes Feind sein» (Jak 4,4).

So kündigte denn der Prophet Micha im ersten Kapitel um der Sünde willen das kommende Gericht an: «Denn siehe, der Herr wird herausgehen aus seiner Wohnung und herabfahren und treten auf die Höhen der Erde, dass die Berge unter ihm schmelzen und die Täler sich spalten, gleichwie Wachs vor dem Feuer zerschmilzt, wie die Wasser, die talwärts stürzen. Das alles um Jakobs Übertretung willen und um der Sünden willen des Hauses Israel» (Mi 1,3-5).

Micha Kapitel 2: Ein Gott, der straft? In Kapitel 2 finden wir die gleiche Botschaft wie in Micha 1. Gleich in den ersten Versen wird uns unmissverständlich erklärt, dass es immer Folgen hat, wenn man sündigt: «Weh denen, die Schaden zu tun trachten und gehen mit bösen Gedanken um auf ihrem Lager, dass sie es frühe, wenn’s licht wird, vollbringen, weil sie die Macht haben! Sie reissen Äcker an sich und nehmen Häuser, wie sie’s gelüstet. So treiben sie Gewalt mit eines jeden Hause und mit eines jeden Erbe» (Mi 2,1-2). Hier wird die Sünde beschrieben, wie sie ist: Unendlich böse und abgrundtief schlecht. Und so lautete die Botschaft Gottes an Sein abtrünniges Volk: «Siehe, ich ersinne wider dies Geschlecht Böses, aus dem ihr euren Hals nicht ziehen und unter dem ihr nicht so stolz dahergehen sollt; denn es soll eine böse Zeit sein. Zur selben Zeit wird man einen Spruch von euch machen und klagen: Es ist aus – so wird man sagen –, wir sind vernichtet! Meines Volkes Land kriegt einen fremden Herrn! Wann wird er uns die Äcker wieder zuteilen, die er uns genommen hat? Jawohl, ihr werdet keinen Anteil behalten in der Gemeinde des Herrn!» (Mi 2,3-5).

Es ist ganz offensichtlich: Auf Sünde folgt Strafe, denn Übertretung muss gesühnt  werden (vgl. 2.Mo 21,24). Doch das Alte Testament bezeugt auch, dass unser Gott im Himmel «ein barmherziger und gnädiger Gott» ist, «langmütig und reich an Gnade und Treue» (2.Mo 34,6; vgl. Ps 86,15; 103,8). Wie sind Worte von Gnade, Langmut und Erbarmen mit den überaus harten Worten in Micha 2 vereinbar? War Gott ohne Mitleid, als Er Israel die Strafe ankündigte? Nein, das war Er nicht; Er war, ist und bleibt ein Gott der Liebe! All das, was Micha ankündigen musste, hatten die Israeliten

selbst verschuldet. Natürlich war es Gottes Hand, die sich wider sie erhob, aber der Grund waren ihre eigenen Sünden und Übertretungen. In Jesaja 59,2 steht klar und deutlich geschrieben: «Eure Verschuldungen scheiden euch von eurem Gott, und eure Sünden verbergen sein Angesicht vor euch, dass ihr nicht gehört werdet.»

In Micha 2,6 lesen wir die Reaktion des Volkes auf diese Botschaft: «Lasst das prophetische Predigen! predigen sie; derartige Dinge predigt man nicht! Nicht wird Schande uns alle treffen!» Israel verwarf die kompromisslose Botschaft des Propheten Micha. Das Volk glaubte nicht, dass das, was Micha ankündigte, wahr war: «Das Haus Jakob tröstet sich also: Meinst du, der Herr sei schnell zum Zorn? Sollte er solches tun wollen?» (V 7). Hätte Micha oberflächlich gepredigt oder dummes Zeug verkündigt, hätten sie ihn gerne als Prediger des Herrn akzeptiert, wie der Prophet selbst feststellte: «Wenn ich ein Irrgeist wäre und ein Lügenprediger und predigte, wie sie saufen und schwelgen sollen – das wäre ein Prediger für dies Volk!» (V 11).

Diese Aussage ist heute hochaktuell. Schon der Apostel Paulus prophezeite, dass diese Unsitte auch innerhalb der Gemeinde Jesu Einzug halten würde. Nachdem er seinen geistlichen Sohn Timotheus ermahnt hatte: «Predige das Wort, steh dazu, es sei zur Zeit oder zur Unzeit; weise zurecht, drohe, ermahne mit aller Geduld und Lehre» (2.Tim 4,2), erklärte er weiter: «Denn es wird eine Zeit kommen, da sie die heilsame Lehre nicht ertragen werden; sondern nach ihren eigenen Gelüsten werden sie sich selbst Lehrer aufladen, nach denen ihnen die Ohren jucken, und werden die Ohren von der Wahrheit abwenden und sich den Fabeln zukehren.»

Diese unselige Entwicklung grassiert wie eine Seuche innerhalb des christlichen Lagers. Allzu oft wird die Heilige Schrift untergraben. Man greift Gottes Wort an, statt sich von ihm strafen zu lassen. Micha wollte man damals verbieten, das Wort des Herrn so zu verkündigen, wie Gott es ihm aufgetragen hatte. Man sagte: «Derartige Dinge predigt man nicht … (predige lieber) … von Wein und Würztrank …» (Mi 2,6.11). Heute werden schwierige Stellen in der Schrift so lange bearbeitet, bis alle Ecken und Kanten verschwunden sind. Aber das Wort Gottes hat sehr oft Ecken und Kanten; und wohl dem, der sich von Zeit zu Zeit so richtig daran stösst! Es muss bisweilen wehtun, wenn wir Gottes Wort lesen. Gott der Herr sagte einst durch den Propheten Jeremia: «Ist mein Wort nicht wie ein Feuer … und wie ein Hammer, der Felsen zerschmeisst?» (Jer 23,29).

Sein Wort ist wie ein Feuer, weil wir immer wieder von allen Schlacken gereinigt werden müssen, wollen wir ein Gefäss zu Seiner Ehre sein: «Nur wenn die Schlacken vom Silber geschieden werden, so kommt dem Goldschmied ein Gerät zustande» (Spr 25,4). Sein Wort ist wie ein Hammer, der Felsen zerschmeisst, weil unsere Herzen manchmal hart sind wie Granit. Hebräer 3,7-8 richtet eine Warnung an die Kinder des Neuen Bundes: «Deshalb gilt uns das Wort des heiligen Geistes: Heute, wenn ihr Seine Stimme hört, verhärtet eure Herzen nicht, wie es einst bei der Erbitterung am Tage der Versuchung in der Wüste geschah!» Auch unsere Herzen brauchen von Zeit zu Zeit den Hammer des Wortes: «Denn das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert und dringt durch, bis es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens» (Hebr 4,12).

Hüten wir uns davor, in die gleiche Sünde zu fallen wie die Israeliten zur Zeit des Propheten Micha, indem wir eine biblische Botschaft verwerfen, weil sie uns nicht gefällt! Dies gereichte dem Volk letztendlich zum grossen Schaden.

Micha Kapitel 2: Ein Gott, der liebt! Trotz Gerichtsandrohung gibt es einen Lichtpunkt in Micha 2, und dies sind die zwei letzten Verse des Kapitels. Sie reden nämlich in wunderbarer Weise von Befreiung: «Ich will dich, Jakob, sammeln ganz und gar und, was übrig ist von Israel, zusammenbringen. Ich will sie wie Schafe miteinander in einen festen Stall tun und wie eine Herde in ihre Hürden, dass es von Menschen dröhnen soll. Er wird als ein Durchbrecher vor ihnen heraufziehen; sie werden durchbrechen und durchs Tor hinausziehen, und ihr König wird vor ihnen hergehen und der Herr an ihrer Spitze» (Mi 2,12-13).

Dies ist eine Verheissung für den Überrest Israels, für das, «was übrig ist von Israel». Auch wenn Micha 1 und 2 uns erschreckend klar aufzeigen, dass jegliche Sünde gesühnt werden muss, nimmt das doch die Tatsache nicht weg, dass es immer auch einen Überrest gibt. Das sind jene Menschen, die sich durch alles hindurch an ihren Gott gehalten haben. Im Buch des Propheten Maleachi werden diese Menschen «die Gottesfürchtigen» genannt: «Aber die Gottesfürchtigen trösten sich untereinander: Der Herr merkt und hört es, und es wird vor ihm ein Gedenkbuch geschrieben für die, welche den Herrn fürchten und an seinen Namen gedenken. Sie sollen, spricht der Herr Zebaoth, an dem Tage, den ich machen will, mein Eigentum sein, und ich will mich ihrer erbarmen, wie ein Mann sich seines Sohnes erbarmt, der ihm dient» (Mal 3,16-17). Genau das besagen auch die letzten beiden Verse von Micha 2: Gott selbst wird sich eines Tages über den Überrest Seines Volkes Israel erbarmen und als Durchbrecher und König vor ihnen herziehen und sie erretten.

Es ist ein gewaltiger Beweis der Liebe Gottes, dass Er gerade in diesem Kapitel, wo es doch um Sünde, Schuld und Strafe geht, auch von Errettung spricht. Dies darf auch Sie, der Sie zum Neuen Bund gehören und Ihrem Herrn treu bleiben wollen, ermutigen. Der ganze Werdegang dieser Welt, die Sünde, die Ungerechtigkeit, scheint uns Kinder Gottes manchmal fast zu lähmen; es bedrückt uns, wenn uns all dieses Negative bewusst wird. Aber das ist nicht das Ende! Nein, gerade dann, wenn uns die gegenwärtige Weltlage fast erdrücken will, sollten wir unser Augenmerk zum Beispiel auf Lukas 21,28 richten, wo unser Herr selbst sagt: «Wenn aber dieses anfängt zu geschehen, dann seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht.»

Ja, unser Durchbrecher Jesus Christus kommt wieder und wird vor uns heraufziehen. Wir werden durchbrechen und durchs Tor hinausziehen und unser König wird vor uns hergehen. Der Apostel Paulus beschreibt dieses bevorstehende herrliche Ereignis so: «Denn der Herr selbst wird, sobald sein Weckruf ergeht, sobald die Stimme des Engelfürsten erschallt und die Posaune Gottes ertönt, vom Himmel herabkommen, und die Toten in Christus werden zuerst auferstehen; darauf werden wir, die wir noch leben und übriggeblieben sind, zusammen mit ihnen auf Wolken dem Herrn entgegen in die Luft entrückt werden; und alsdann werden wir allezeit mit dem Herrn vereinigt sein» (1.Thess 4,16-17). Und dann fügt er noch seelsorgerlich die Worte hinzu: «So tröstet euch also untereinander mit diesen Worten!» (V 18).

Die Welt mag im Argen liegen, die Anfechtungen mögen stärker werden, das Böse mag überhandnehmen, und doch wissen Kinder Gottes: Der Durchbrecher ist da, und mit Ihm gehen wir einer herrlichen Zukunft entgegen!

Micha Kapitel 3: Wem viel gegeben ist, bei dem wird man viel suchen. Micha 3 ist ebenso ernst wie die beiden vorhergehenden Kapitel. Nach der Ankündigung des Gerichts klagt Gott nun verschiedene Gruppen des Volkes direkt an. Die Fürsten Israels unterdrückten ihr Volk so sehr, dass Micha sie mit wilden Tieren vergleicht, die ihre Opfer in wilder Gier zerreissen (Mi 3,1-3). Die Vergeltung des Herrn würde sie besonders schmerzlich treffen: «Darum, wenn ihr nun zum Herrn schreit, wird er euch nicht erhören, sondern wird sein Angesicht vor euch verbergen zur selben Zeit, wie ihr mit eurem bösen Treiben verdient habt» (Mi 3,4). Für unseren Herrn ist es ein schlimmes Vergehen, wenn man sich an schwachen Mitmenschen versündigt (vgl. Mt 18,6). Gott kümmert sich besonders um die Schwachen: «Keine Witwe oder Waise sollt ihr bedrücken. Wenn du sie irgendwie bedrückst und sie dann zu mir schreien, so werde ich ihr Schreien gewisslich erhören, und mein Zorn wird entbrennen» (2.Mo 22,21-23).

In diesen ersten Versen von Micha 3 steckt auch eine Botschaft für uns. Grundsätzlich ist es so, dass alles, was den Israeliten widerfahren ist, «ist jenen aber vorbildlicherweise widerfahren und ist niedergeschrieben worden zur Warnung für uns, denen das Ende der Weltzeiten nahe bevorsteht» (1.Kor 10,11). Auch wir können manchmal wie wilde Tiere über einander herfallen, wie Paulus es ausdrückt: «Wenn ihr euch aber untereinander beisst und fresst, so seht zu, dass ihr nicht einer vom andern aufgefressen werdet» (Gal 5,15). Dies schrieb Paulus, nachdem er darüber gesprochen hatte, dass einer dem anderen durch die Liebe dienen soll und dass das ganze Gesetz in einem Wort erfüllt ist: «Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!» (Gal 5,13-14).

Wie kann es so weit kommen, dass wir einander beissen und fressen, statt Nächstenliebe zu üben? Wir müssen annehmen, dass sich die Fürsten zur Zeit Michas in ihrem Hochmut über die einfachen Menschen erhaben fühlten. Sie meinten, etwas Besseres zu sein. Diese hochmütige Haltung ist für eine Gemeinschaft, in der Liebe vorherrschen sollte, verheerend. Wenn man tief im Herzen beginnt, sich besser, frömmer oder heiliger zu fühlen als seine Nächsten, erlischt die Liebe. Doch wir sollten bedenken, dass der Herr gerade die Menschen, die wir vielleicht geringschätzig behandeln würden, besonders umsorgt, und dass Er die Unterdrücker besonders richtet (Mi 3,4).

Micha tadelte auch die geistlichen Oberhäupter Israels: die Propheten, die grundsätzlich nur dann Gutes prophezeiten, wenn sie beschenkt wurden, und Schlechtes voraussagten, wenn sie nichts erhielten: «Darum soll euch die Nacht ohne Gesichte sein und die Finsternis ohne Wahrsagung. Die Sonne soll über den Propheten untergehen und der Tag über ihnen finster werden» (Mi 3,6). Den betrügerischen Sehern und Wahrsagern wurde gesagt: «Und die Seher sollen zuschanden und die Wahrsager zu Spott werden; sie müssen alle ihren Bart verhüllen, weil kein Gotteswort da sein wird» (V 7). Auch die Priester, die ihren Dienst nicht mehr aus Berufung, sondern als Beruf ausübten, weil sie es ausschliesslich für Geld taten, mussten wie die anderen Gottes Urteil vernehmen: «… seine Priester erteilen Rechtsbescheide für Bezahlung, und seine Propheten wahrsagen für Geld; und dabei verlassen sie sich auf den Herrn, dass sie sagen: Ist nicht der Herr in unserer Mitte? Uns kann kein Unglück widerfahren! Darum wird um euretwillen Zion zu Ackerland umgepflügt und Jerusalem zu einer Trümmerstätte werden und der Tempelberg zu einer bewaldeten Höhe!» (Mi 3,11-12).

Tatsächlich waren die Häupter, Priester und Propheten die Hauptschuldigen, dass Jerusalem verwüstet wurde. Natürlich war das Volk auch mitschuldig, aber weil die Führer den Weg Gottes verlassen hatten, war der Niedergang sozusagen vorprogrammiert. Dass dies den Herrn sehr bedrückte, wird in den ersten beiden Versen von Micha 3 deutlich: «Höret doch, ihr Häupter im Hause Jakob und ihr Herren im Hause Israel! Ihr solltet die sein, die das Recht kennen. Aber ihr hasst das Gute und liebt das Arge …» Die hohe Verantwortung, die die Häupter des Volkes damals hatten, haben wir Gläubige des Neuen Bundes auch. Denn Sie und ich, wir alle sind Fürsten und Priester! Offenbarung 1,6 erklärt, dass Jesus Christus uns zu Königen gemacht hat vor Gott, Seinem Vater. Petrus nennt uns «das auserwählte Geschlecht, die königliche Priesterschaft» (1.Petr 2,9). In der Ewigkeit werden wir als Könige herrschen (Offb 22,5), und diese hohe Berufung tragen wir jetzt schon in uns. Als Gläubige sind wir in Jesus Christus zu Priestern gemacht. Unser neutestamentlicher Priesterdienst besteht darin, dass jeder einzelne von uns sich völlig dem Herrn ausliefert, sich selbst Gott zum Opfer bringt (1.Petr2, 5.9). Und als Gemeinde haben wir die priesterliche Aufgabe, einer verlorenen Welt das Lamm Gottes zu verkündigen. Paulus schreibt: «Damit ich ein Diener Christi Jesu unter den Heiden sei, um das Evangelium Gottes priesterlich auszurichten, damit die Heiden ein Opfer werden, das Gott wohlgefällig ist, geheiligt durch den heiligen Geist» (Röm 15,16).

Sind Sie sich Ihres königlichen Priesterdienstes bewusst? Ihre Verantwortung ist keineswegs geringer als diejenige der Fürsten und Priester zur Zeit des Propheten Micha. So erklärt der Herr Jesus: «Wem aber viel gegeben ist, von dem wird auch viel gefordert werden, und wem viel anvertraut ist, von dem wird man auch umso mehr verlangen» (Lk 12,48). Deshalb sollten wir uns davor hüten, so zu unterdrücken, zu lügen und zu sündigen wie damals die Leiterschaft in Micha 3. Vielmehr sollten wir uns zu Herzen nehmen, was Paulus erklärt: «Wenn jemand den Tempel Gottes verdirbt, den wird Gott verderben, denn der Tempel Gottes ist heilig; der seid ihr» (1.Kor 3,17). Hier wird in einem einzigen Vers unsere ganze Verantwortung beschrieben, die wir als Diener des Neuen Bundes haben.

Das Herz Michas. Im Gegensatz zu den Führern des Volkes nahm Micha seine Verantwortung wahr. In Kapitel 3,8 sagte er über sich selbst: «Ich aber bin voll Kraft, voll Geist des Herrn, voll Recht und Stärke, dass ich Jakob seine Übertretung und Israel seine Sünde anzeigen kann.» War dieses Selbstzeugnis Michas nicht ein wenig überheblich? Keineswegs! Es war ein Lobpreis, ein Rühmen des Herrn im Sinne von Jeremia 9,22-23. Er wollte aufzeigen, dass da ein starker Gott war, der ihm Kraft und Mut und Stärke verlieh.

In Vers 7 musste Micha darüber sprechen, dass wegen der Sünden der gottlosen Seher kein Gotteswort mehr da sein würde. Und in Vers 9 musste er die Häupter des Hauses Jakob schwer rügen, weil sie das Recht verkehrten. Aber genau dazwischen finden wir in Vers 8 seinen Siegesruf. Trotz aller Misere proklamierte Micha, dass er einen grossen Gott kannte. Genauso sollten auch wir nicht mit den Wölfen heulen und angesichts der Zustände auf dieser Erde ein Jammerlied anstimmen, sondern vielmehr die Kraft und Majestät unseres grossen Gottes preisen und rühmen.

Nichtsdestotrotz setzten die zum Teil schweren Gerichtsworte, die Micha verkündigte, ihm auch persönlich zu. Ja, sie erschütterten ihn derart, dass er in lautes Wehklagen fiel. So erklärte er in Kapitel 1: «Darüber muss ich klagen und heulen, ich muss barfuss und bloss dahergehen; ich muss klagen wie die Schakale und jammern wie die Strausse» (V 8).

Übertrieben war diese Verhaltensweise, dieser Ausdruck der Trauer, nicht. Micha musste tatsächlich Entsetzliches und Schreckliches ankündigen. So sollte beispielsweise aus der blühenden Stadt Samaria ein Steinhaufen werden (Mi 1,6). Diese Prophezeiung erfüllte sich 722 v.Chr. buchstäblich. Micha wusste ganz genau, was geschehen würde. Kein Wunder also, dass er weinte und nach Worten suchte, um den ganzen Schrecken dieser kommenden feindlichen Invasion zu beschreiben.

In Micha 1,10-15 benutzte der Prophet verschiedene Wortspiele, um das ganze Elend der kommenden Invasion zu beschreiben. Hermann Menge lieferte zu jeder Ortsangabe, die Micha nannte, die wörtliche deutsche Übersetzung. Dadurch wird uns klar, was Micha mit seinen Wortspielen sagen wollte: Wie traurig es ihm ums Herz war und wie bedrückt er über den Zustand seines Volkes war: «In Gath (d.h. Kundstadt) tut es nicht kund! In Akko (d.h. Wein-Au) veranstaltet kein Weinen! In Beth-Leophra (d.h. Staubheim) wälzt euch im Staube! Mache dich auf den Weg, Einwohnerschaft von Saphir (d.h. Schmuckstadt), in schimpflicher Entblössung! Die Bevölkerung von Zaanan (d.h. Auszug) zieht nicht mehr aus! Die Trauer Beth-Haezels (d.h. Nimmhausen oder: Raststadt) nimmt euch die Lust, dort zu rasten. Ach, es zittert um ihr Heil die Bevölkerung von Maroth (d.h. Bitterkeiten), denn Unheil fährt vom Herrn her an die Tore Jerusalems herab! Schirre die Renner an den Wagen, Einwohnerschaft von Lachis (d.h. Rennstadt)! … Darum musst du das Entlassungsgeschenk (oder: den Scheidebrief) geben an Moreseth-Gath (d.h. Brautstadt bei Gath). Die Häuser von Achsib (d.h. Trugheim) werden für die Könige von Israel trüglich werden. Einen neuen Besitzer (oder: Erben) bringe ich dir, Bewohnerschaft von Maresa (d.h. Besitztum oder: Erbenhausen)» (Mi 1,10-15).

Micha war ob der Wucht dieser enormen Strafandrohung ganz zerschlagen. Er suchte förmlich nach Worten, Ausdrücken und Bildern, um das herannahende Gericht zu beschreiben. Mit dieser Herzenseinstellung war der Prophet ein Hinweis auf den grössten Propheten Israels, nämlich Jesus Christus. Etwa 800 Jahre nach Micha sprach auch unser Herr Jesus Worte des Gerichts aus; und zwar über Seine Stadt Jerusalem, weil sie Ihn verworfen hatte. Auch Er rang wie Micha nach Worten, als Er Seinen tiefen Schmerz äusserte: «Jerusalem, Jerusalem, die du tötest die Propheten und steinigst, die zu dir gesandt werden, wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen wie eine Henne ihre Küken unter ihre Flügel und ihr habt nicht gewollt! Seht, euer Haus soll euch wüst gelassen werden» (Lk 13,34-35). Später, als der Heiland sich wieder Seiner Stadt Jerusalem nahte, weinte Er sogar über sie: «Und als er nahe hinzukam, sah er die Stadt und weinte über sie und sprach: Wenn doch auch du erkenntest zu dieser Zeit, was zum Frieden dient! Aber nun ist’s vor deinen Augen verborgen. Denn es wird eine Zeit über dich kommen, da werden deine Feinde um dich einen Wall aufwerfen, dich belagern und von allen Seiten bedrängen» (Lk 19,41-43).

Wie sieht es bei uns aus? Wir kennen doch so manche unmissverständliche Strafandrohung, die Gott ausgesprochen hat, auch für unsere Welt heute. Wie gehen wir mit solch folgenschweren Aussagen des Herrn um? Treffen sie uns bis ins Tiefste unserer Seele; sind wir immer wieder neu darüber erschüttert; treiben sie uns ins Gebet?

Wir brauchen ein Herz wie Micha, der zwar das Gericht des liebenden Gottes ankündigen musste, aber gleichzeitig innerlich zutiefst erschüttert und betroffen war. Nehmen wir uns auch ein Beispiel an unseren Herrn Jesus, der über Seine Stadt Jerusalem weinte, und von Dem es auch heisst: «Als Jesus … eine grosse Menge Volks versammelt sah, ergriff ihn tiefes Mitleid mit ihnen, denn sie waren wie Schafe, die keinen Hirten haben» (Mk 6,34).

Gott sucht auch heute noch nach solch weinenden Herzen, nach Herzen, die voller Erbarmen sind. Schon im Alten Testament erklärte Gott – und auch hier ging es wieder um ein Gerichtsurteil: «Ich suchte unter ihnen, ob jemand eine Mauer ziehen und in die Bresche vor mir treten würde für das Land, damit ich’s nicht vernichten müsste» (Hes 22,30).

Wollen Sie sich in diesen Dienst rufen lassen und sich ein brennendes Herz schenken lassen für die Verlorenen unter uns? Micha hatte so ein Herz, und das zeichnete diesen Mann in besonderer Weise aus.

Von Marcel Malgo