22.12.2010

Die Entrückung: Wann endlich kommt der Herr?

Ist dies nicht eine Frage, die wir uns alle stellen? Jetzt befinden wir uns schon im zweiten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends und die Entrückung hat immer noch nicht stattgefunden.
Hand aufs Herz: Haben Sie vor 15 Jahren, mitten in den 1990ern, fest damit gerechnet, dass wir nach dem Jahr 2010 immer noch auf Erden sind? Ich vermute, manch einer von uns hat gedacht und spekuliert, dass die Entrückung sehr nahe vor der Tür steht und wir die Jahrtausendwende gar nicht mehr erleben.
«Habt nun Geduld, Brüder, bis zur Ankunft des Herrn! Siehe, der Bauer wartet auf die köstliche Frucht der Erde und hat Geduld ihretwegen, bis sie den Früh- und Spätregen empfange. Habt auch ihr Geduld, stärkt eure Herzen! Denn die Ankunft des Herrn ist nahe gekommen» (Jak 5,7-8).
«Die Ankunft des Herrn ist nahe gekommen», heisst es hier. Seitdem Jakobus dies geschrieben hat, sind knapp 2000 Jahre vergangen. Und die Realität ist die, dass wir heute immer noch auf Erden sind und nicht im himmlischen Jerusalem. Sind Sie nun deswegen enttäuscht? Oder gar noch schlimmer: Sind Sie womöglich sogar böse auf den Herrn? Ärgern Sie sich, dass sich die Wiederkunft des Herrn bis heute hinausgezögert hat? Gehören Sie vielleicht sogar zu denen, die völlig entmutigt denken: «Ach, der Herr, kommt noch lange nicht»?
Es gab schon einmal einen Menschen, der in einer ganz bestimmten und unbefriedigenden Situation auf den Messias bzw. auf Sein kraftvolles Auftreten gewartet hat. Und dann, vor lauter Ungeduld, als sich diesbezüglich einfach nichts tun wollte, fragte dieser den Herrn Jesus: «Bist du wirklich der Retter, der kommen soll, oder müssen wir auf einen anderen warten?» (Mt 11,3). Überspitzt formuliert hat Johannes der Täufer – er war nämlich jener Mensch – vielleicht auch gedacht: «Jetzt wird’s aber langsam Zeit, dass der Herr Jesus endlich kommt und Sein Messianisches Reich aufrichtet.» Ich will nun nicht näher auf diese Begebenheit eingehen, sondern vielmehr auf die Antwort des Herrn Jesus zu sprechen kommen bzw. auf das, was der Heiland diesem ungeduldigen und verzweifelten Johannes mit auf den Weg gab: «Glückselig ist, wer sich nicht an mir ärgern wird!» (V 6). Der Herr Jesus hat dem Täufer nicht gesagt: «Dann und dann komme ich und werde mein Reich aufrichten». Nein, Er liess Johannes sogar völlig im Unklaren über die weiteren heilsgeschichtlichen Abläufe. Aber das, worauf es wirklich ankommt, das hat Er ihm gesagt. Mit meinen eigenen unzulänglichen Worten wiedergegeben: «Johannes, versündige dich nicht, werde nicht irre an Mir, ärgere dich nicht, sondern harre aus. Sei geduldig – in welcher Lage du dich auch befinden magst – und lass es ganz einfach Mich machen, zu Meiner Zeit; du vertraue nur und glaube!»
In Jakobus 5 ist von Geduld die Rede: «Habt nun Geduld Brüder … bis zur Ankunft des Herrn!» Niemanden, auch nicht den Aposteln, den ersten Christen oder den Kirchenvätern hat der Herr jemals verraten, wann der Tag Jesu Christi kommen wird. Was hat der Herr Jesus stattdessen gesagt? «Von jenem Tag aber und jener Stunde weiss niemand …» (Mt 24,36). Eins ist klar: Der Herr wird wiederkommen. Die Frage nach dem Ob stellt sich gar nicht, darüber müssen wir nicht diskutieren. Die Bibel ist voll von diesen Verheissungen, und die Stelle aus Jakobus 5 ist ja nur eine von sehr vielen, die die Tatsache des Kommens des Herrn Jesus Christus erwähnt. In allen Briefen des Neuen Testaments ist die Wiederkunft des Herrn ein Thema. Es handelt sich also nicht um ein Randthema oder um ein unbedeutendes Ereignis. Ganz im Gegenteil: Es ist ein zentrales Thema und wir tun gut daran, es zu erwähnen und auch weiterhin darauf aufmerksam zu machen. Die Apostel haben offensichtlich jederzeit das Kommen unseres Herrn erwartet, auch wenn sie mit keinem Wort behauptet haben, dass die Ankunft des Herrn zwingend zu ihren Lebzeiten erfolgen würde. Das unterscheidet die Apostel von manch einem Endzeitfanatiker, der meint, die Wiederkunft des Herrn auf ein bestimmtes Datum festsetzen zu können.
Wie sollen wir aber jetzt mit dieser berechtigten Erwartung auf die Wiederkunft des Herrn umgehen? Welche Konsequenz ist damit verbunden? Die Schlussfolgerung lautet jedenfalls nicht: «Jetzt lasst uns mal schön warten, bis der Herr kommt», sondern: «Lasst uns bis dahin unserem Auftrag gerecht werden!» Oder um es mit Titus 2,11-13 zu sagen: «Die Gnade Gottes ist erschienen, heilbringend allen Menschen, und unterweist uns, damit wir die Gottlosigkeit und die weltlichen Begierden verleugnen und besonnen und gerecht und gottesfürchtig leben in dem jetzigen Zeitlauf, indem wir die glückselige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit unseres grossen Gottes und Heilandes Jesus Christus erwarten.» Haben wir recht verstanden? Vers 13 öffnet uns den Blick auf die baldige Begegnung mit unserem Herrn: «indem wir die glückselige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit unseres grossen Gottes und Heilandes Jesus Christus erwarten», und die Schlussfolgerung daraus lautet: «damit wir die Gottlosigkeit und die weltlichen Begierden verleugnen und besonnen und gerecht und gottesfürchtig leben in dem jetzigen Zeitlauf» (V 12). Bis zur Wiederkunft des Herrn gilt es, in aller Nüchternheit und Besonnenheit auszuharren, gerecht und gottesfürchtig zu leben und zu beten. «Es ist aber nahe gekommen das Ende aller Dinge. Seid nun besonnen und seid nüchtern zum Gebet!» (1.Petr 4,7). Nüchtern und besonnen bedeutet, nicht wild zu spekulieren und mit Jahreszahlen zu jonglieren. Das heisst auch, wir sollen bei aller Erwartung auf die baldige Begegnung mit unserem Herrn und Heiland unseren ureigensten Auftrag nicht vernachlässigen. Wir sollen in der Naherwartung leben, genauso, wie es die Apostel und die ersten Christen getan haben. Die Wiederkunft des Herrn Jesus ist eine Realität. Der Herr Jesus sagt es uns selbst: «Siehe, ich komme bald …» (Offb 3,11). Wir könnten auch übersetzen: «Siehe, ich komme eilends, ich komme schnell, in einem Nu, in einem Augenblick, dann, wenn ihr es nicht erwartet.» Dieses «Ich komme bald» heisst nämlich nicht «Ich komme morgen», sondern: «Wenn ich komme, und der Herr allein weiss wann, dann komme ich in einem Augenblick, in einem Nu, eilends und rasend schnell.» Dann wird keine Zeit mehr sein, noch irgendetwas zu erledigen, keine Zeit, um Abschied zu nehmen, keine Zeit, sich zu rechtfertigen oder noch irgendetwas in Ordnung zu bringen … keine Zeit! Wir sollen darüber reden, uns gegenseitig mit dieser Tatsache ermutigen und ermahnen, und vor allem sollen wir dementsprechend leben; aber in aller Nüchternheit und Besonnenheit.
Jakobus spricht von Geduld. Er bietet uns diesbezüglich ein schönes Beispiel, das Beispiel eines Landwirtes: «Siehe, der Bauer wartet auf die köstliche Frucht der Erde und hat Geduld ihretwegen, bis sie den Früh- und Spätregen empfange» (Jak 5,7). Was will uns dieses Beispiel sagen? Der Bauer tut, was er kann. Er sät, pflanzt, ackert, erntet und dergleichen. Darüber hinaus gibt es aber Dinge, da ist der Ackerbauer machtlos und abhängig. Beim Wetter zum Beispiel, dem hier beschriebenen Früh- und Spätregen. In diesen Bereichen gilt es, einfach zu vertrauen und zu glauben, dass der Herr es wohl machen wird – ganz nach Psalm 37,5: «Befiehl dem Herrn deinen Weg und vertraue auf ihn, und er wird es wohl machen.» Und selbst wenn sich die Ernte verzögert – aus welchen Gründen auch immer –, ist der Landwirt deswegen nicht tatenlos und er lässt sich erst recht nicht entmutigen, sondern er geht weiter seiner Arbeit nach.
Dieses Beispiel ist dahingehend auch ein schönes Bild für die geistliche Ernte. Wir als Gemeinde sind aufgefordert, gemäss unseren Gaben und unseren Kräften das zu tun, was in unserer Macht steht und wofür wir die Verantwortung tragen. Das alles soll mit Geduld, in aller Nüchternheit und Besonnenheit geschehen und vor allem mit sehr viel Gebet. Wir haben als Gemeinde einen Auftrag und diesem gilt es nachzukommen. Der Auftrag lautet: Den Herrn anbeten, das Wort verkünden und lehren, sich gegenseitig erbauen, ermahnen und ermutigen, aber auch spenden und unterstützen, beten, bitten und danken, und die Gemeinschaft pflegen. Als Gemeinde sind wir zudem beauftragt, nach aussen hin Zeugnis zu geben – sind wir doch schliesslich Botschafter Christi auf Erden. Die Gemeinde, und hier insbesondere die Ältesten und die Diakone, sollen sich um die Schwachen, Kranken, Witwen, Waisen und Bedürftigen kümmern und sich der im Glauben Schwankenden und Labilen annehmen. Eine Gemeinde ist wahrhaftig mehr als nur eine sonntägliche Versammlung. Der Auftrag, den wir als Gemeinde und Gemeindeglieder haben, endet nicht am Jahresende, sondern hat seine Gültigkeit bis der Herr in Seiner Gnade die Gemeinde zu sich holt, und zwar zu Seiner Zeit und nicht, wann wir wollen.
Wir sind berufen, zu säen, zu ackern und zu pflügen. Ob es Frucht bringen mag, das dürfen wir getrost dem Herrn überlassen. Gott der Herr wird mit Seiner Gemeinde, und somit auch mit Ihnen und mir, zum Ziel kommen. Aber, wohlgemerkt, zu Seiner Zeit! In dieser Gesinnung wollen wir auch weiterhin über die Entrückung und über die Begegnung mit unserem Herrn Jesus Christus reden: Völlig unverkrampft und mit grosser inniger Freude, ohne zu spekulieren und ohne einen Taschenrechner in der Hand. Und vor allem: Seien Sie nicht enttäuscht, werden Sie nicht irre am Herrn, wenn sich Seine Wiederkehr noch weiter hinauszögert und wir auch am Anfang des nächsten Jahres immer noch auf Erden sind. Freuen Sie sich vielmehr über jeden Tag, den der Herr Ihnen zur Verfügung stellt, an dem wir Ihn loben, preisen und verherrlichen dürfen. Wichtig ist, dass wir wachsam und bereit sind, dass wir uns nicht sorgen, sondern freuen, dass wir nicht irre werden, sondern vertrauen. Und lassen Sie uns bei alledem nicht den Blick verlieren für die Menschen um uns herum, denn das ist Teil unseres Auftrages. Der Herr segne Sie!
Von Thomas Lieth