28.07.2011

Der Prophet, den es nicht geben darf

«Forsche nach und sieh: Kein Prophet ist aus Galiläa hervorgegangen!» (Joh 7,52).
Die grosse Frage, die das jüdische Volk zur Zeit Jesu bewegte, war die nach der Person und Vollmacht Jesu Christi. Er hatte viele Zeichen und Wunder getan: Kranke geheilt, Tote zum Leben erweckt, Tausende Menschen mit Fisch und Brot gesättigt. Er ging über das Wasser, stillte den Sturm und trieb Dämonen aus. Dies waren eindeutige Zeichen Seiner Messianität. Entsprechend kam beim Volk die berechtigte Frage auf: Könnte Jesus Christus der verheissene Erlöser sein? War Er der, den die Propheten vor langer Zeit angekündigt hatten? Dieses Raunen, das durch das Volk ging, sehen wir in Johannes 7,40-53:
«Viele nun aus der Volksmenge sagten, als sie das Wort hörten: Dieser ist wahrhaftig der Prophet. Andere sprachen: Dieser ist der Christus! Andere aber sagten: Kommt der Christus denn aus Galiläa? Sagt nicht die Schrift, dass der Christus aus dem Samen Davids kommt und aus dem Dorf Bethlehem, wo David war? Es entstand nun seinetwegen eine Spaltung unter der Volksmenge. Und etliche von ihnen wollten ihn ergreifen, doch legte niemand Hand an ihn. Nun kamen die Diener zu den obersten Priestern und Pharisäern zurück, und diese sprachen zu ihnen: Warum habt ihr ihn nicht gebracht? Die Diener antworteten: Nie hat ein Mensch so geredet wie dieser Mensch! Da antworteten ihnen die Pharisäer: Seid auch ihr verführt worden? Glaubt auch einer von den Obersten oder von den Pharisäern an ihn? Aber dieser Pöbel, der das Gesetz nicht kennt, der ist unter dem Fluch! Da spricht zu ihnen Nikodemus, der bei Nacht zu ihm gekommen war, und der einer der Ihren war: Richtet unser Gesetz einen Menschen, es sei denn, man habe ihn zuvor selbst gehört und erkannt, was er tut? Sie antworteten und sprachen zu ihm: Bist du etwa auch aus Galiläa? Forsche nach und sieh: Kein Prophet ist aus Galiläa hervorgegangen! Und so ging jeder in sein Haus.»
Trotz der klaren Beweislage und der eindeutigen Hinweise beendete der damalige Klerus die Frage nach dem Messias mit einem einzigen Satz: «Forsche nach und sieh: Kein Prophet ist aus Galiläa hervorgegangen! Und so ging jeder in sein Haus.» So wurde die ehrliche Suche vieler Menschen mit einem Wisch vom Tisch gefegt und im Keim erstickt. Dies, weil ihnen Jesus nicht in den Kram passte, nicht ihren Vorstellungen entsprach und sie gleichzeitig Gefahr liefen, ihre Berechtigung als Vertreter des Alten Bundes, ihren Job, zu verlieren. All dies mögen Gründe gewesen sein, dass man einfach zur Tagesordnung überging. Ja, man nahm sogar Zuflucht zur Lüge: «Kein Prophet ist aus Galiläa hervorgegangen!» Die Schriftgelehrten, die die Bibel sehr gut kannten, waren auch vertraut mit dem Buch Jona. Sie wussten, was geschrieben steht: «Im fünfzehnten Jahr Amazjas, des Sohnes des Joas, des Königs von Juda, wurde Jerobeam (Jerobeam II ., ca. 793-758 v.Chr.), der Sohn des Joas, König über Israel in Samaria, und er regierte 41 Jahre lang. Er tat aber, was böse war in den Augen des Herrn, und liess nicht ab von allen Sünden Jerobeams, des Sohnes Nebats, der Israel zur Sünde verführt hatte. Dieser eroberte das Gebiet Israels zurück, von Lebo-Hamat an bis an das Meer der Arava, nach dem Wort des Herrn, des Gottes Israels, das er geredet hatte durch seinen Knecht Jona, den Sohn Amittais, den Propheten aus Gat-Hepher» (2.Kön 14,23-25). Damit leugneten sie bewusst ihren eigenen Propheten – Jona.
Jona. «Und das Wort des Herrn erging an Jona, den Sohn Amittais, folgendermassen: Mache dich auf, geh nach Ninive, in die grosse Stadt, und verkündige gegen sie; denn ihre Bosheit ist vor mein Angesicht heraufgekommen!» (Jona 1,1- 12). Der Prophet Jona ist vielen bekannt. Sei es durch die Sonntagsschule oder durch die Geschichte von dem grossen Fisch, der ihn verschluckte. Jona stammte aus Gat-Hepher, einem kleinen Ort in Galiläa, ganz in der Nähe Nazareths. Jona lebte und wirkte um ca. 750 vor Christus.
Die Bibelkritik schiebt das Buch Jona in das Reich der religiösen Fantasie ab. Man vertritt die Ansicht, dass die im Buch enthaltenen Begebenheiten nie stattgefunden hätten oder aber bildhafte Erzählungen seien, um uns gewisse Wahrheiten zu vermitteln. Wieder andere behaupten, dass die geschilderten Geschehnisse reine Fantasiegeschichten seien, entstanden durch die Feder eines literarischen Genies, oder alte, überlieferte Legenden, ähnlich Schillers Wilhelm Tell oder der englischen Sagengestalt Robin Hood.
Interessant ist, wie Jesus sich zu der Person und dem Buch des Propheten Jona stellte. Für ihn war Jona eine reale, historische Persönlichkeit und dessen Buch Wort Gottes. Jesus Christus, der die Naturgesetze schuf und das ganze Universum trägt und zusammenhält, nahm Jona einfach als Tatsache hin. Ja, Er zitierte sogar Jona gegenüber den Menschen, die Ihn ablehnten, verfolgten und schlussendlich verwarfen: «Ein böses und ehebrecherisches Geschlecht begehrt ein Zeichen; aber es wird ihm kein Zeichen gegeben werden als nur das Zeichen des Propheten Jona. Denn gleichwie Jona drei Tage und drei Nächte im Bauch des Riesenfisches war, so wird der Sohn des Menschen drei Tage und drei Nächte im Schoss der Erde sein. Die Männer von Ninive werden im Gericht auftreten gegen dieses Geschlecht und werden es verurteilen, denn sie taten Busse auf die Verkündigung des Jona hin; und siehe, hier ist einer, der grösser ist als Jona!» (Mt 12,39-42). Damit ging Jesus davon aus, dass Seine Gegner die Wahrheit kannten, diese aber nicht wahrhaben wollten. Vielmehr stellten sie ihre Ohren und Herzen auf Durchzug und taten so, als ob sie noch nie etwas von Jona gehört hätten. Ja, laut ihrer Aussage habe es ihn gar nie gegeben: «Kein Prophet ist aus Galiläa hervorgegangen!» Damit nahm man wider besseres Wissen Zuflucht zur Lüge und ging zur Tagesordnung über. «Und so ging jeder in sein Haus.»
Jona hatte eine Botschaft zu verkündigen, die so manchen nicht in den Kram passte. Auch den Assyrern sollte Gottes Wort verkündigt werden? Auch sie sollten nicht von Gottes Gnade ausgeschlossen sein? Für viele undenkbar. Waren doch die Assyrer bekannt für ihre Gottlosigkeit und ihr blutrünstiges Wesen. Zudem waren sie eine immerwährende, potenzielle militärische Gefahr für Israel. Und nun sollte diesen Menschen Gottes Botschaft verkündigt werden? Nein, das war des Guten zu viel. Für einen solchen Propheten, der solchen Menschen Gottes Heil verkündigte, gab es nur eine Konsequenz: Man strich ihn aus den Analen und leugnete seine Existenz. Der tragische Schluss war: Einen Propheten Jona, diesen Mann aus Galiläa, hat es nie gegeben!
Es war der geistlichen Elite doch klar: Hatte nicht Gott sie erwählt? War nicht Israel das auserwählte Volk? Waren nicht sie gesetzt zum Licht der Heiden? Wohnte nicht Gott in Seinem Heiligtum in Jerusalem? Doch diese Segnungen verleiteten Israel zur Selbstgefälligkeit, zu einem elitären Denken und einer geistlichen Selbstgerechtigkeit. Das hielt sie schlussendlich davon ab, ihren göttlichen Auftrag gegenüber den Heiden wahrzunehmen. Durch den Propheten Jesaja hatte Gott schon gesagt: «Ich habe dich auch zum Licht für die Heiden gesetzt, damit du mein Heil seiest bis an das Ende der Erde!» (Jes 49,6). Als Paulus den damaligen Klerus auf diese Tatsache aufmerksam machte, sehen wir folgende Reaktion: «Als die Juden jedoch die Volksmenge sahen, wurden sie voll Eifersucht und widersetzten sich dem, was Paulus sagte, indem sie widersprachen und lästerten. Da sagten Paulus und Barnabas freimütig: Euch musste das Wort Gottes zuerst verkündigt werden; da ihr es aber von euch stosst und euch selbst des ewigen Lebens nicht würdig achtet, siehe, so wenden wir uns zu den Heiden. Denn so hat uns der Herr geboten: Ich habe dich zum Licht für die Heiden gesetzt, damit du zum Heil seist bis an das Ende der Erde!» (Apg 13,45-47). Israel war von Gott für die Heiden zum Segen gesetzt worden. Zum Licht für die Völker und zu einem Zeugnis des lebendigen Gottes für die ganze Welt. Doch weder Jona noch Jesus Christus oder ein Apostel Paulus passten in den Kram. Sie meinten, die Botschaft dieser Personen beraube sie ihrer Vorrangstellung und Exklusivität.
Jonas Flucht
«Da machte sich Jona auf, um von dem Angesicht des Herrn weg nach Tarsis zu fliehen; und er ging nach Japho hinab und fand dort ein Schiff, das nach Tarsis fuhr. Da bezahlte er sein Fahrgeld und stieg ein, um mit ihnen nach Tarsis zu fahren, weg von dem Angesicht des Herrn» (Jona 1,3). Es mag verschiedene Gründe für Jonas Flucht gegeben haben. Angst vor den Assyrern – wer geht schon gerne zu seiner eigenen Hinrichtung? Sein elitäres Denken: «Wir sind das Volk Gottes, was wollen diese Ungläubigen?» Oder schlichtweg sein Widerwille Gottes Befehl gegenüber. Wir kennen Jonas Gründe nicht. Doch erinnert uns das nicht auch an unser eigenes Leben? Sind wir Gott und Seinem Wort immer gehorsam? Haben nicht auch wir die Eigenschaft, unsere inneren Ohren auf Durchzug zu stellen? Da gibt es manchmal Dinge in unserem Leben, auf die Gott vielleicht schon oft Seinen Finger gelegt hat. Aber nein, wir lassen uns nichts sagen! Da sind gewisse Verhaltensmuster, der Heilige Geist sagt uns schon lange, dass wir diese ablegen sollten, und doch … Da sind gewisse Sünden und Gott ermahnt uns, diese abzulegen und dennoch halten wir daran fest! Wir neigen dazu, auf Jona zu zeigen. Auf seine Einwände, Ängste, sein Davonlaufen, sein Verdrängen, sein Fehlverhalten und seinen Ärger. Aber wir, machen wir es besser?
Jona war Gottes Befehl gegenüber ungehorsam. So etwas zieht über kurz oder lang immer Konsequenzen nach sich. Sein Ungehorsam entfesselte die Naturgewalten und brachte Schiff und Ladung in Seenot, sodass wir lesen: «Aber der Herr schleuderte einen starken Wind auf das Meer, sodass ein grosser Sturm auf dem Meer entstand und das Schiff zu zerbrechen drohte» (Jona 1,4). Auch unschuldige Drittpersonen wurden in Mitleidenschaft gezogen: «Da fürchteten sich die Schiffsleute und schrien, jeder zu seinem Gott» und es kam zum Verlust materieller Güter: «und sie warfen die Geräte, die im Schiff waren, ins Meer, um es dadurch zu erleichtern» (V 5). Ja, Jonas Ungehorsam brachte ihn schliesslich an den Rand des Todes: «Darauf nahmen sie Jona und warfen ihn ins Meer» (V 15). «Und der Herr entsandte einen grossen Fisch, der Jona verschlingen sollte; und Jona war im Bauch des Fisches drei Tage und drei Nächte lang» (Jona 2,1).
Diese Geschichte wird immer wieder infrage gestellt. Doch Jesus selbst bestätigte sie, indem Er sagte: «Denn gleichwie Jona drei Tage und drei Nächte im Bauch des Riesenfisches war, so wird der Sohn des Menschen drei Tage und drei Nächte im Schoss der Erde sein» (Mt 12,40). In seinem überaus lesenswerten Buch Ein Naturwissenschaftler auf der Kanzel geht Prof. E. Wilder-Smith auf diese Thematik ein: «Die Begegnung des Propheten Jona mit dem Fisch ist schon lange Zeit Gegenstand des Spottes der Nichtchristen gewesen. Man meint immer, dass ein Wal ihn verschluckt haben soll und dann wieder ausgespien habe, was natürlich nicht gut möglich ist, weil die gewöhnlichen Wale einen zu engen Schlund besitzen. Merkwürdig aber bei dieser Geschichte ist die Tatsache, dass der Herr Jesus Christus die Begegnung Jonas mit dem Fisch ohne Weiteres als Tatsache zitierte. Das bringt gewisse Folgen mit sich. Wenn die Geschichte ein Märchen ist, und wenn Jesus sie ohne Weiteres als geschichtlich wahr ansah, dann hat sich zwangsläufig der Sohn Gottes geirrt, dann ist er nicht unfehlbar, und dann wäre er nicht mehr. Dann sind Irrtümer an ihm, und er hat eigentlich gelogen, weil er behauptete, er sei die verkörperte Wahrheit. Mir scheint es unmöglich zu sein, dass Jesus eins mit dem Vater war und zur gleichen Zeit menschliche Irrtümer verbreitete!»
Entweder wir glauben die Geschichte des Jona vorbehaltlos und akzeptieren sie. Oder wir stellen sie infrage – und damit auch Jesus Christus. Die Konsequenz wäre, auch Sein Wort, die Bibel, Seine Erlösung und Sein Heilsversprechen über Bord zu werfen. Es gibt nur ein Entweder-oder. Entweder ganz oder gar nicht! Für Jesus Christus war das Geschehen im Buch Jona real und ein wahres, historisches Ereignis. So real, dass Er es sogar als Hinweis für Seinen eigenen Tod und Seine Auferstehung gebrauchte. Dass die Geschichte von Jona und dem Fisch sehr wohl möglich ist, belegen verschiedene Berichte von Menschen, die ähnliche Situationen erlebt und überlebt haben. Dabei ist insbesondere folgender Bericht erwähnenswert: «1892 befand sich das Walfangschiff ‹Star of the East› in der Nähe der Falklandinseln auf Walfang. Einer Mannschaft in einem kleinen Walfangboot gelang es, einen grossen Wal zu harpunieren. Doch das Tier schoss auf das Boot zu, schlug um sich, wobei das Boot kenterte und die Mannschaft ins Wasser fiel. Während die Mannschaft versuchte, das Mutterschiff zu erreichen, griff das Tier von neuem an, wobei ein Mann verschwand. Da das Tier einig Zeit später wieder auftauchte, konnte es gefangen werden. Als man es zerlegte, fand man im Magen des Tieres den vermissten Mann. Zwar bewusstlos, aber lebend. Seine Haut war sehr gelb, seine Augen und Ohren stark angegriffen und er war völlig von Sinnen. Erst nach Wochen genas er. Doch James Bartleys, wie der Mann hiess, hat nie wieder sein natürliches Aussehen zurückgewonnen. Vielmehr blieb seine Haut ganz vergilbt, runzlig und sah aus wie altes Pergament.»
Aufgrund seines Ungehorsams stand Jona nun eine wahre Höllenfahrt bevor. Ob er in dieser Zeit immer bei Bewusstsein war, wissen wir nicht. Doch in den Zeiten, in denen er es war, tat er sicher eines, er betete! Und so lesen wir: «Denn du schleudertest mich in die Tiefe, mitten ins Meer, und die Fluten umschlossen mich. Alle deine Wogen und Wellen gingen über mich hin. Ich dachte schon, ich sei völlig verstossen, vertrieben von deinen Augen. Wie könnte ich je wieder deinen heiligen Tempel schauen? Die Wasser umgaben mich und gingen mir ans Leben. Die Tiefen umfingen mich. Schilf schlang sich mir um den Kopf. Zu den tiefsten Gründen der Erde bin ich hinabgefahren; die Riegel der Erde hatten sich für immer hinter mir geschlossen» (Jona 2,4-7). Jona schrie in seiner Not zum Herrn: «Als meine Seele in mir verschmachtete, gedachte ich an den Herrn, und mein Gebet kam zu dir in deinen heiligen Tempel. Die Verehrer nichtiger Götzen verlassen ihre Gnade; ich aber will dir mit lauter Stimme Lob opfern; was ich gelobt habe, das will ich bezahlen. Die Rettung kommt vom Herrn!» (V 8-10).
In dieser seiner Not durfte Jona erleben, was es heisst: «Rufe mich an am Tag der Not, so will ich dich erretten» (Ps 50,15). Und so lesen wir: «Und der Herr gebot dem Fisch; und der spie Jona ans Land» (Jona 2,11). Dabei wäre es interessant zu wissen, wie Jona wohl ausgesehen haben mag und welchen Duft er verbreitete. Kennen sie den Geruch von Erbrochenem? Es könnte durchaus sein, dass Jona so ähnlich roch und seine Haut von den Magensäften verätzt war. Vielleicht waren auch seine Haare ausgefallen und er ähnelte mehr einer Mumie als einem Menschen; er war ein wandelndes, stinkendes Mahnmal, mit einer ledrigen, verschrumpelten und vergilbten Haut, der Hölle entronnen und gekennzeichnet. Erneut ging der Auftrag Gottes an ihn: «Mache dich auf, geh nach Ninive, in die grosse Stadt, und verkündige ihnen die Botschaft, die ich dir sagen werde! Da machte sich Jona auf und ging nach Ninive, nach dem Wort des Herrn. Ninive aber war eine sehr grosse Stadt vor Gott, drei Tagereisen gross. Und Jona fing an, eine Tagereise weit in die Stadt hineinzugehen, und er rief und sprach: ‹Noch 40 Tage, und Ninive wird zerstört!›» (Jona 3,2-4).
Sicherlich erregte Jona in Ninive grosses Aufsehen. Sein Aussehen, sein Geruch und seine Botschaft mögen die Menschen in Ninive zutiefst erschreckt haben. Sie merkten, hier war einer, der nicht nur die Hölle predigte, sondern einer, der selbst durch die Hölle gegangen war. Und so geschah das Unglaubliche: «Und die Leute von Ninive glaubten Gott …» (V 5). Die Menschen begriffen, hier redete ein Mensch im Auftrag Gottes. Dies hatte zur Folge: «… und sie riefen ein Fasten aus und legten Sacktuch an, vom Grössten bis zum Kleinsten unter ihnen. Und das Wort gelangte bis zum König von Ninive; und er stand von seinem Thron auf, legte seinen Mantel ab, hüllte sich in Sacktuch und setzte sich in die Asche. Und er liess ausrufen und sagen in Ninive, auf Befehl des Königs und seiner Grossen: ‹Menschen und Vieh, Rinder und Schafe sollen nichts geniessen, sie sollen weder weiden noch Wasser trinken; sondern Menschen und Vieh sollen sich in Sacktuch hüllen und mit aller Kraft zu Gott rufen und sollen sich abwenden, jeder von seinem bösen Weg und von dem Unrecht, das an seinen Händen klebt! Wer weiss, Gott könnte anderen Sinnes werden, es sich gereuen lassen und ablassen von seinem grimmigen Zorn, sodass wir nicht untergehen!› Und Gott sah ihre Taten, dass sie sich abwandten von ihren bösen Wegen, und ihn reute das Übel, das er ihnen angedroht hatte, und er tat es nicht» (V 5-10).
Gott sieht die Regungen unseres Herzens und Er spricht: «Ich habe kein Gefallen am Tod des Gottlosen, sondern daran, dass der Gottlose umkehre von seinem Weg und lebe! Kehrt um, kehrt um von euren bösen Wegen!» (Hes 33,11). Ninive, die Hauptstadt des als brutal und unbarmherzig bekannten Assyrerreiches, tat Busse. Die ganze Stadt kehrte um, bereute ihre Taten und gab Gott recht. Und so lässt sich Gott erbarmen: «Und ich sollte kein Mitleid haben mit der grossen Stadt Ninive, in der mehr als 120 000 Menschen sind, die ihre rechte Hand nicht von ihrer linken unterscheiden können, dazu so viel Vieh!» (Jona 4,11). 120 000 Menschen, die ihre rechte Hand nicht von der linken unterscheiden können: Das waren Kinder im Alter zwischen 1 und 4 Jahren. Nicht gezählt: ihre Eltern, Geschwister und Grosseltern.
Ja, Gott hat Erbarmen, denn Er will nicht den Tod des Sünders, sondern dass er sich bekehre und lebe! Sind Sie da nicht auch gemeint? Egal, wie Ihre Vergangenheit auch aussehen mag, Ihr Leben momentan auch abläuft … auch Ihnen sagt Gott: «Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle die an ihn glauben, nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben!» (Joh 3,16). Wenn Gott einer solchen Stadt wie Ninive, die bekannt war für ihre dunkle Vergangenheit, Vergebung zusprechen will, dann gilt das auch Ihnen. Er will Ihre Sünden tilgen, so wie es heisst: «Ich habe deine Verbrechen ausgelöscht wie einen Nebel und wie eine Wolke deine Sünden. Kehre um zu mir, denn ich habe dich erlöst!» (Jes 44,22). Gottes Mitleid betrifft auch Sie, sagt uns doch das Neue Testament: «Denn in ihm (Jesus Christus) haben wir die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Übertretungen nach dem Reichtum seiner Gnade» (Eph 1,7).
Jona und die Geschichte des jüdischen Volkes
Wenn wir Jona mit Israel vergleichen, ergeben sich interessante Verbindungen: Jona wurde wie auch Israel berufen, den Heiden, der verlorenen Welt, ein Zeugnis abzulegen und Bote Gottes zu sein. Er sollte ihnen die Realität, Heiligkeit und Gerechtigkeit Gottes nahebringen. Doch Stolz und nationales Bewusstsein hielten sowohl Jona als auch Israel davon ab, diesem Auftrag gerecht zu werden. Beide verweigerten sie anfänglich ihren göttlichen Auftrag und gingen von Gottes Angesicht hinweg. Jona bestieg dazu ein Handelsschiff, während die Juden zu weltweiten Händlern wurden – immer jedoch ruhelos, rastlos, umhergetrieben und gejagt vom sich wild aufbäumenden Völkermeer. Doch interessanterweise verleugneten weder Jona noch das Volk Israel, auch nicht angesichts des Todes, ihre wahre Herkunft. Selbst in der grössten Not, mitten in den Gaskammern des Holocaust, bekannten sie sich zu dem einen wahren Gott, dem Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs. Ja, die Juden wurden der menschlichen Hölle preisgegeben. Jona wurde von einem Fisch verschluckt und für Israel begann eine jahrhundertelange Irrfahrt über alle Nationenmeere, eine Irrfahrt, die in den Gaskammern des Holocaust endete. Dann endlich dieser Hölle entronnen, waren beide zutiefst gezeichnet. So wurde Jona vom Fisch ausgespuckt und Israel aus dem Völkermeer zurück in sein von Gott verheissenes Land gespült. Während Jona Ninive die Botschaft Gottes verkündigte, wird in unseren Tagen Israel für die Zeit vorbereitet, wenn es im Tausendjährigen Reich Gottes Heilsbotschaft wieder den Nationen verkünden wird. Während Jona die Weltbühne schon vor 2‘700 Jahren verlassen hat, betritt Israel diese wieder. Und das Ziel Gottes ist: «Denn ich habe kein Gefallen am Tod dessen, der sterben muss, spricht der Herr. Nein, vielmehr daran, dass er umkehrt und lebt!» (Hes 18,32).
Von Samuel Rindlisbacher