Oft hören wir: «Die Bibel ist ja auch nur von Menschen geschrieben worden.» Gibt es stichhaltige Beweise, dass dem nicht so ist? Ja! Die biblische Offenbarung der 70 Jahrwochen im Buch Daniel gehört – neben vielen anderen – zu den schlüssigsten. Wir wollen die Verknüpfung zwischen Daniels Prophezeiungen und Jesu Endzeitrede in Matthäus 24 näher betrachten.
Wenn Daniel von der «Zeit des Endes» spricht, ist damit die Rückführung der Juden in ihre Heimat, die grosse Trübsal, die geistliche Wiederherstellung Israels und die baldige Rückkehr Jesu gemeint. Stellen wir uns Daniel 9,26 vor Augen: «Nach den 62 Wochen wird der Gesalbte ausgerottet werden, und ihm wird nichts zuteil werden; die Stadt aber samt dem Heiligtum wird das Volk des zukünftigen Fürsten zerstören, und sie geht unter in der überströmenden Flut; und bis ans Ende wird es Krieg geben, fest beschlossene Verwüstungen. » Der Höhepunkt aller kriegerischen Auseinandersetzungen, die bis zum Ende hin stattfinden, wird schliesslich die letzte antichristliche Verwüstung sein. Daniel 11,35.40.45 spricht ebenfalls von der Zeit des Endes. Dort wird auch gesagt, dass in jener Zeit der Antichrist auftreten wird. Der König des Südens und der König des Nordens werden sich gegen Israel wenden. Der antichristliche Weltherrscher wird Israel zunächst im Kampf unterstützen, es aber anschliessend besetzen. Weiter heisst es in Daniel 12,1.4.9, dass diese Zeit des Endes eine Zeit grösster Drangsal für Israel sein wird, in der Israel jedoch auch Rettung erfährt, und dass in dieser Zeit viele in Israel zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.
Einer der beiden Engel, die Daniel erscheinen, stellt die Frage, wann diese «unerhörten Zustände» zu Ende sein werden (Dan 12,5-6), und es wird ihm geantwortet: «Eine Zeit, zwei Zeiten und eine halbe Zeit; und wenn die Zerschmetterung der Kraft des heiligen Volkes vollendet ist, so wird das alles zu Ende gehen!» (Dan 12,7). Am Schluss wird Daniel noch gesagt: «Du aber geh hin, bis das Ende kommt! Du darfst nun ruhen und wirst einst auferstehen zu deinem Erbteil am Ende der Tage!» (Dan 12,13). Im Neuen Testament sind es die Jünger, die Jesus eine Frage stellen und Ihn damit veranlassen, über die Endzeit zu sprechen: «Als er aber auf dem Ölberg sass, traten die Jünger allein zu ihm und sprachen: Sage uns, wann wird dies geschehen, und was wird das Zeichen deiner Wiederkunft und des Endes der Weltzeit sein?» (Mt 24,3). Es geht den Jüngern um dieselbe Zeit, die Daniel beschreibt: Um die Erfüllung der letzten Jahrwoche für Israel, um die Zeit des Endes. So ist denn auch die Antwort Jesu in Matthäus 24 und 25 auf die Frage der Jünger in der Hauptsache eine Abhandlung über die Endzeit.
Daniel spricht von einem 7-jährigen Bund, den der antichristliche Weltherrscher «mit den Vielen» des Volkes schliesst. «Er wird einen festen Bund mit den Vielen (d.h. mit der Masse des jüdischen Volkes) schliessen für eine Woche; und zur Hälfte der Woche wird er Schlachtopfer und Speisopfer aufhören lassen. …» (Dan 9,27). Statt dass Opfer gebracht werden, wird der Gräuel der Verwüstung aufgerichtet. Jesus sagt in Seiner Endzeitrede das Gleiche: «… und wegen des Überhandnehmens der Gesetzlosigkeit wird die Liebe der Vielen erkalten» (Mt 24,12). Das bezieht sich in erster Linie auf das jüdische Volk. Die «Masse des Volkes» wurde nach 70 n.Chr. in alle Welt zerstreut. Jesus sah das voraus und sagte: «Sie werden fallen durch die Schärfe des Schwerts und gefangen weggeführt werden unter alle Heiden. Und Jerusalem wird zertreten werden von den Heiden, bis die Zeiten der Heiden erfüllt sind» (Lk 21,24). Da der Antichrist einen Bund mit der Masse des Volkes macht, muss Israel zwangsläufig wieder ins Land seiner Väter zurückgekehrt sein.
Daniel schreibt über den «Gräuel der Verwüstung» mitten in der grossen Trübsal: «… und in der Mitte der Woche wird er Schlacht- und Speisopfer aufhören lassen, und neben dem Flügel wird ein Gräuel der Verwüstung aufgestellt …» (9,27). Da sich nach Daniel 12,1.4.7.9.11 der Gräuel der Verwüstung eindeutig auf die Endzeit bezieht, kann er sich erstens in der Vergangenheit nicht erfüllt haben und gehört daher zweitens in die letzte Jahrwoche. Jesus sagt dasselbe voraus wie Daniel: «Wenn ihr nun den Gräuel der Verwüstung, von dem durch den Propheten Daniel geredet wurde, an heiliger Stätte stehen seht (wer es liest, der achte darauf!) …» (Mt 24,15). Der Herr bringt diesen Gräuel der Verwüstung also deutlich mit der Endzeit in Verbindung indem Er sagt: «Dann (zur Zeit dieses Gräuels, Mt 24,15) wird eine grosse Drangsal sein …» (Mt 24,21). Und: «Bald aber nach der Drangsal jener Tage wird die Sonne verfinstert werden … Und dann wird das Zeichen des Menschensohnes am Himmel erscheinen … und sie werden den Sohn des Menschen kommen sehen …» (Mt 24,29-30). Demnach geht es nicht um das Geschehen von 70 n.Chr., sondern u den Gräuel kurz vor Seiner Wiederkunft.
Es ist hauptsächlich der Evangelist Lukas, der von der Rede Jesu über die Zerstörung Jerusalems 70. n.Chr. berichtet. Auf den reich geschmückten Tempel angesprochen, sagt Jesus: «Was ihr da seht – es werden Tage kommen, wo kein Stein auf dem anderen bleiben wird, der nicht abgebrochen wird!» (Lk 21,6). Das veranlasst die Jünger zu der bangen Frage: «Meister, wann wird denn dies geschehen (die Zerstörung des Tempels), und was wird das Zeichen sein, wann es geschehen soll?» (Lk 21,7). Im Lukasevangelium lässt der Heilige Geist die Frage der Jünger über die Endzeit weg. In Seiner Antwort erwähnt der Herr deshalb auch keinen «Gräuel der Verwüstung» und keine «grosse Drangsal», sondern bezieht sich auf Daniel 9,26, wenn Er spricht: «Wenn ihr aber Jerusalem von Kriegsheeren belagert seht, dann erkennt, dass seine Verwüstung nahe ist. Dann fliehe auf die Berge, wer in Judäa ist; und wer in Jerusalem ist, der ziehe fort aus ihr; und wer auf dem Land ist, der gehe nicht hinein in sie. Denn das sind Tage der Rache, damit alles erfüllt werde, was geschrieben steht. Wehe aber den Schwangeren und den Stillenden in jenen Tagen! Denn es wird grosse Not im Land sein und Zorn über dieses Volk! Und sie werden fallen durch die Schärfe des Schwerts und gefangen weggeführt werden unter alle Heiden. Und Jerusalem wird zertreten werden von den Heiden, bis die Zeiten der Heiden erfüllt sind» (Lk 21,20-24).
Matthäus hingegen beschreibt hauptsächlich die grosse endzeitliche Trübsal. Darum ist im Matthäusevangelium die Fragestellung der Jünger auch eine weiterreichende, indem sie nach dem Ende der Weltzeit fragen: «Als er aber auf dem Ölberg sass, traten die Jünger allein zu ihm und sprachen: Sage uns, wann wird dies geschehen, und was wird das Zeichen deiner Wiederkunft und des Endes der Weltzeit sein?» (Mt 24,3). In Seiner Antwort auf die Frage hinsichtlich der Endzeit erwähnt der Herr nun auch den Gräuel der Verwüstung: «Wenn ihr nun den Gräuel der Verwüstung, von dem durch den Propheten Daniel geredet wurde, an heiliger Stätte stehen seht (wer es liest, der achte darauf!) …» (Mt 24,15).
Daniel beschreibt diese kommende Trübsal als eine Zeit der Drangsal, wie es sie noch nie gegeben hat: «Zu jener Zeit wird sich der grosse Fürst Michael erheben, der für die Kinder deines Volkes einsteht; denn es wird eine Zeit der Drangsal sein, wie es noch keine gab, seitdem es Völker gibt, bis zu dieser Zeit. Aber zu jener Zeit wird dein Volk gerettet werden, jeder, der sich in dem Buch eingeschrieben findet» (Dan 12,1). Jesus spricht ebenfalls von dieser grossen Trübsal, ganz wie der Prophet Daniel: «Denn dann wird eine grosse Drangsal sein, wie von Anfang der Welt an bis jetzt keine gewesen ist und auch keine mehr kommen wird» (Mt 24,21).
In Offenbarung 12 erkennen wir ebenfalls deutliche Parallelen zum Danielbuch. Wir sehen,
– wie das jüdische Volk wieder im Zentrum der Heilsgeschichte steht,
– wie der Erzengel Michael auftritt und Satan und seine Dämonen aus den himmlischen Sphären verbannt,
– wie Satan seinen ganzen Zorn auf diese Erde loslässt,
– wie Satan das jüdische Volk grausam verfolgt,
– wie in dieser Zeit ein Überrest Israels in die Wüste flieht und von Gott bewahrt wird,
– wie Israel letztendlich gerettet wird.
Die Zeit der Drangsal gehört also in den Zeitraum, in dem das jüdische Volk gerettet wird, was bis heute noch nicht geschehen ist. Das ist sicher eine Erklärung dafür, dass die grosse Trübsal, von der Daniel und Jesus reden, in keine andere Zeit als in diejenige kurz vor der Wiederkunft Jesu gehört, die in der Offenbarung und im Matthäusevangelium beschrieben ist.
Daniel sieht die Wiederkunft des Menschensohnes in den Wolken: «Ich sah in den Nachtgesichten, und siehe, es kam einer mit den Wolken des Himmels, gleich einem Sohn des Menschen; und er gelangte bis zu dem Hochbetagten und wurde vor ihn gebracht» (Dan 7,13). Jesus spricht gleicherweise über Seine Ankunft als Menschensohn: «Denn wie der Blitz vom Osten ausfährt und bis zum Westen scheint, so wird auch die Wiederkunft des Menschensohnes sein. … Bald aber nach der Drangsal jener Tage wird die Sonne verfinstert werden, und der Mond wird seinen Schein nicht geben, und die Sterne werden vom Himmel fallen und die Kräfte des Himmels erschüttert werden. Und dann wird das Zeichen des Menschensohnes am Himmel erscheinen, und dann werden sich alle Geschlechter der Erde an die Brust schlagen, und sie werden den Sohn des Menschen kommen sehen auf den Wolken des Himmels mit grosser Kraft und Herrlichkeit» (Mt 24,27.29-30).
Die Bezeichnung «Menschensohn» ist der Prophetie Daniels entlehnt (Dan 7,13). Sie steht immer mit Israel im Zusammenhang, so wie sich die 70 Jahrwochen auf Israel beziehen. Wir finden sie in den vier Evangelien ca. 80 Mal; 30 Mal allein im Matthäusevangelium (Evangelium für die Juden) und einmal im Hebräerbrief (Kap 2,6), wobei es sich dort um ein Zitat aus Psalm 8,5 handelt. Beim Hebräerbrief ist überdies zu berücksichtigen, dass er sich in erster Linie an Juden (Hebräer) richtet. Demgegenüber steht die Bezeichnung «Menschensohn» in den Briefen des Heidenapostels Paulus an die Gläubigen in der Heidenwelt nicht ein einziges Mal. Erst im Buch der Offenbarung wird sie dann wieder verwendet. Das letzte Buch der Bibel beginnt einleitend mit diesem Namen für Jesus und von daher wissen wir auch, was die Offenbarung beschreibt: die Wiederherstellung Israels und die Wiederkunft des Menschensohnes; die Erfüllung der letzten Jahrwoche: «… und mitten unter den sieben Leuchtern Einen, der einem Sohn des Menschen glich» (Offb 1,13).
Daniel bekommt sehr deutlich gesagt, dass die 70. Jahrwoche ausschliesslich sein Volk betrifft: «Über dein Volk und über deine heilige Stadt sind 70 Wochen bestimmt» (9,24). Die Aussagen Jesu über die Endzeit gehen in dieselbe Richtung: «Dann wird das Zeichen des Sohnes des Menschen in dem Himmel erscheinen; und dann werden wehklagen alle Stämme des Landes» (Mt 24,30). Andere Übersetzungen fügen hinzu: «… und sich an die Brust schlagen.»
«Alle Stämme des Landes» bezieht sich auf Israel, ich denke ebenso die Parallele in Offenbarung 1,7: «Siehe, er kommt mit den Wolken, und jedes Auge wird ihn sehen, auch die ihn durchstochen haben, und wehklagen werden seinetwegen alle Stämme des Landes. Ja, Amen.» Das «Wehklagen aller Stämme» finden wir auch im Buch des Propheten Sacharja: «Aber über das Haus David und über die Einwohner von Jerusalem will ich den Geist der Gnade und des Gebets ausgiessen, und sie werden auf mich sehen, den sie durchstochen haben, ja, sie werden um ihn klagen, wie man klagt um den eingeborenen Sohn, und sie werden bitterlich über ihn Leid tragen, wie man bitterlich Leid trägt über den Erstgeborenen. An jenem Tag wird es eine grosse Klage geben in Jerusalem, wie die Klage in Hadad- Rimmon war in der Ebene von Megiddo. Und das Land wird klagen, jedes Geschlecht für sich …» (Sach 12,10-12).
Wer spricht hier? Ohne Zweifel der allmächtige Gott (Jahwe). Nur Er hat die Vollmacht, den Geist Gottes auszugiessen (vgl. Joh 15,26; Apg 1,7- 8; Joel 3,1).
Dieser Gott spricht also zunächst über sich selbst und sagt, dass Israel auf Ihn blicken wird, den es durchstochen hat, und gleichzeitig auf den «eingeborenen Sohn». Das ist ein Beweis dafür, dass Gott Jahwe und der Sohn eine Einheit sind. Dasselbe macht die Offenbarung deutlich: «Siehe, er kommt mit den Wolken, und jedes Auge wird ihn sehen, auch die, welche ihn durchstochen haben; und es werden sich seinetwegen an die Brust schlagen alle Geschlechter der Erde! Ja, Amen. Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende, spricht der Herr, der ist und der war und der kommt, der Allmächtige» (Offb 1,7-8, vgl. 21,3). Jesus kommt mit den Wolken zurück (Dan 7,13; Mt 24,29-30). Und dann werden Ihn sehen, die Ihn durchstochen haben, so die Aussage Sacharjas. Dieser Wiederkommende stellt sich als der Allmächtige vor, der da ist und der da war und der da kommt. Jesus ist von Ewigkeit her, Er war in der Zeit als Mensch unter uns und Er kommt wieder.
«Sich an die Brust schlagen» ist ein Ausdruck für Trauer, Klage und Busse, ganz in dem Sinn des Zöllners in Lukas 18,13: «Der Zöllner stand von ferne, wagte nicht einmal seine Augen zum Himmel zu erheben, sondern schlug an seine Brust und sprach: O Gott, sei mir Sünder gnädig!»
«Von dem Feigenbaum aber lernt das Gleichnis: Wenn sein Zweig schon saftig wird und Blätter treibt, so erkennt ihr, dass der Sommer nahe ist. … Wahrlich, ich sage euch: Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis dies alles geschehen ist» (Mt 24,32.34). «Dieses Geschlecht» kann Stamm, Rasse, Nation, Volk oder Generation bedeuten. Die meisten Ausleger sind der Ansicht, die Übersetzung «Volk» sei vorzuziehen. Das passt auch am besten in den Kontext von Matthäus 24. Israel wird trotz zeitweiliger Verwerfung und «Verfluchung» (siehe den Feigenbaum) nicht untergehen.
Die dreifache Erwähnung des Feigenbaums in den Evangelien ist eine dreifache beispielhafte Botschaft hinsichtlich Israels Geschichte und Zukunft. Der Feigenbaum in Lukas 13,6-9 zeigt die Unfruchtbarkeit Israels auf, nachdem der Herr drei Jahre lang unter ihnen wirkte. Der durch den Fluch des Herrn verdorrende Feigenbaum in Matthäus 21,19 zeigt die Verwerfung der damaligen Generation Israels auf, für die es keine Umkehr mehr gab. Der wiedererwachende Feigenbaum in Jesu Endzeitrede in Matthäus 24,32 deutet auf das Wiedererwachen Israels am Ende dieses Zeitalters, kurz vor der Aufrichtung des messianischen Reiches.
«Als er aber auf dem Ölberg sass, traten die Jünger allein zu ihm und sprachen: Sage uns, wann wird dies geschehen, und was wird das Zeichen deiner Wiederkunft und des Endes der Weltzeit sein?» (Mt 24,3). Bei der Frage der Jünger ging es nicht um die Frage des Weltuntergangs, wie Luther fälschlicherweise übersetzt, sondern um das Zeichen für das Zu-Ende-Gehen dieser Weltzeit und der Aufrichtung eines neuen Zeitalters beziehungsweise des messianischen Reiches. Treffender sagen andere Übersetzungen: «… Vollendung des Zeitalters» (Elb), oder: «… Vollendung dieser Weltzeit» (Bru). Das Wiedererwachen Israels ist ein Zeichen dafür, dass wir einem neuen Zeitalter entgegengehen und dass Jesus bald wiederkommt, um Sein Reich auf dieser Erde aufzurichten. Charles H. Spurgeon (1834-1892) sagte einst: «Ich denke, dass wir der Wiederherstellung der Juden nicht genügend Bedeutung beifügen. Wir denken nicht genug daran. Doch gewiss, wenn es irgendetwas gibt, was in der Bibel versprochen wird, dann das.»
Daniel wurde zu Beginn der Offenbarung der 70 Jahrwochen gesagt: «Als du anfingst zu beten, erging ein Wort, und ich bin gekommen, es dir zu verkünden; denn du bist ein vielgeliebter Mann. So achte nun auf das Wort und verstehe das Gesicht! … So wisse und verstehe» (9,23.25). Aufgrund seines ernsten Gebets bekommt Daniel eine Antwort. Gleichzeitig wird er aufgefordert zu achten, zu verstehen und zu wissen.
Manche meinen irrtümlicherweise, wir müssten blind glauben. Nein! Was für Daniel galt, gilt auch für uns: Wir sollen beten, wachen, verstehen und wissen. Für das Verstehen und Wissen hat Gott uns einen Kopf gegeben! Wir sollen die Schrift lesen, überlegen, forschen. Und wir sollen das Wort auch «recht teilen» (richtig verkündigen und anwenden), wie es 2. Timotheus 2,15 sagt. Wenn wir das nicht tun, sind wir anfällig für Irrlehren aller Art. Wir müssen lernen, mit unserer Bibel zu arbeiten: Bibelstellen vergleichen, den Zusammenhang beachten, forschen, wachen beziehungsweise wachsam sein und auf die Zeichen der Zeit achten!
Zu diesem Beten, Wachen, Beachten und Erkennen fordert auch Jesus auf, und zwar ebenfalls im Blick auf die Endzeit. Als Er Seinen Jüngern das Programm der Endzeit offenbart, spricht Er: «Habt Acht, dass euch niemand verführt!» (Mt 24,4). «…wer es liest, der achte darauf!» (Mt 24,15). «Bittet aber …» (Mt 24,20). «… so erkennt (wisst) ihr, dass der Sommer nahe ist» (Mt 24,32). «So wacht nun … Das aber erkennt: Wenn der Hausherr wüsste, in welcher Nachtstunde der Dieb käme, so würde er wohl wachen und nicht in sein Haus einbrechen lassen» (Mt 24,42-43). Und weiter sagt der Herr: «Glückselig ist jener Knecht, den sein Herr, wenn er kommt, bei solchem Tun finden wird» (Mt 24,46).
Eugen Schmid schreibt in Bezug auf das Wachsamsein in der Endzeit: «Wachsam sein heisst, genau wahrzunehmen, was um uns herum geschieht. Die Bibel bietet uns Deutungen für die Geschichte, die aktuelle politische Lage und ihre zukünftige Entwicklung an. Diese finden wir sowohl in den alt- wie den neutestamentlichen Büchern. Wenn wir sie berücksichtigen und beobachten, dann bemerken wir, wie faszinierend genau diese Deutungen für die heutigen Ereignisse zutreffen. Doch wir brauchen Kriterien, um die Wirklichkeit zu interpretieren und zu beurteilen. Deshalb ist die Prophetie notwendig, um Unterscheidungen treffen zu können.»
Da heute so viele Zeichen geschehen, die die kommende Apokalypse ankündigen, ist es umso wichtiger, zu wachen und bereit zu sein. Der englische Autor Bullinger bemerkt im Blick auf die Endzeit: «… die ganze Atmosphäre ist geschwängert mit den Elementen eines zukünftigen Unwetters und Verderbens.» Und Dr. Fritz Laubach ist überzeugt: «Nur wenn wir das Geschehen in der Welt aufmerksam verfolgen und im Licht biblischer Prophetie beurteilen, werden wir der Gefahr entgehen, selber in den Sog endzeitlicher Verführung zu geraten.» Es ist ein Trugschluss zu meinen, dass das Evangelium zu kurz kommen könnte, wenn man zu sehr Wert auf die biblische Prophetie lege. Das Gegenteil ist richtig: Ohne Prophetie kommt das Evangelium zu kurz.
Dr. Fritz Laubach schreibt aufgrund von 2. Petrus 1,19 («So halten wir nun fest an dem völlig gewissen prophetischen Wort, und ihr tut gut daran, darauf zu achten als auf ein Licht, das an einem dunklen Ort scheint, bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht in euren Herzen») etwas provokativ: «… es ist also keine Ermessensfrage, ob wir uns im persönlichen Bibelstudium mit dem prophetischen Wort beschäftigen oder es als schwer verständlich umgehen. Ebenso ist es ein schwerwiegendes Versäumnis, wenn Verkündiger in ihren Gemeinden die biblische Lehre von den ‹letzten Dingen›, die Eschatologie, ausklammern und das Evangelium auf den Ruf zur Umkehr und eine Handlungsweisung zur praktischen Lebensbewältigung einschränken.»
Und Bullinger schreibt zu Offenbarung 1,3 («Glückselig ist, der die Worte der Weissagung liest, und die sie hören und bewahren, was darin geschrieben steht! Denn die Zeit ist nahe»): «Weil das Buch so sehr vernachlässigt wird, so könnte man meinen, es stünde da: ‹Selig sind, die nicht lesen.› Dieser Segen wird ganz offensichtlich verworfen; ja, manchmal rühmt man sich dessen noch!»
Wir erkennen eine verblüffende Übereinstimmung zwischen Daniels Aussagen rund um die 70. Jahrwoche und des Herrn Endzeitrede auf dem Ölberg. Diese Endzeitrede, ebenso wie die Offenbarung, beschreibt hauptsächlich die Ereignisse, die während den letzten 7 Jahren geschehen. Die Aussagen in Daniel 9 sind so exakt, dass man nur staunen kann. Man könnte sich die Frage stellen, warum denn das jüdische Volk zur Zeit Jesu nicht an Ihn glaubte, wenn doch die Berechnungen in Daniel 9 so eindeutig auf Seine Ankunft als Messias hinwiesen. Und selbst heute wäre es den Juden möglich, aufgrund dieser Angaben festzustellen, dass Jesus der Messias war. Eine Antwort auf diese Frage fand ich in dem Büchlein Der verheissene Erlöser von Dr. Roger Liebi: «Der Rabbiner Mosche Ben Maimon (=Moses Maimonides, 1135-1204), einer der grössten jüdischen Gelehrten des Mittelalters, der wegen seines ausserordentlichen Einflusses auf das theologische Denken des Judentums als ‹zweiter Mose› bezeichnet worden ist, hat sich in seinem Brief ‹iggereth hatheman› über die Berechnung der Jahrwochen sehr bezeichnend ausgedrückt: ‹Es hat uns Daniel die tiefe Wissenschaft der Zeit (in welcher der Messias kommen soll) erklärt, aber weil dieselbe uns verborgen ist, so haben die Weisen gesegneten Andenkens uns verboten, die Zeiten der Zukunft (des Messias) nachzurechnen, dieweil sich die gemeinen Leute daran ärgern und etwas in Irrtum geraten könnten, wenn sie einsehen, dass die Zeiten vorüber sind und Er (der Messias) doch nicht gekommen ist. Deswegen sagen die Weisen gesegneten Andenkens: ‚Der Geist müsse denjenigen zerspringen, welche die Zeiten ausrechnen, weil sie dem Volk Ärgernis geben.’ Deshalb haben die Weisen wider solche gebetet, dass ihr Gemüt zerbersten und ihre Rechnung zu nichts werden möge.›»
Das jüdische Volk befasst sich nicht mit Daniel 9, sondern tut genau das Gegenteil von dem, was Daniel tat. Ebenso wenig befasst es sich mit Jesaja 53 (dieses Kapitel wird in den Synagogenlesungen übersprungen). Dadurch geht dem Volk eine wichtige Heilserkenntnis verloren, nämlich die, dass der Messias schon da war. Erst am Ende der Zeit wird Israel zur Schrift zurückkehren, darin forschen und zur Erkenntnis gelangen (Dan 12,4; Offb 22,10).
Gott ruft uns durch Sein Wort, dem es nicht an Beweiskraft mangelt, zu: «So seid nun nicht halsstarrig wie eure Väter, sondern reichet dem Herrn die Hand und kommt zu seinem Heiligtum, welches er auf ewig geheiligt hat, und dienet dem Herrn, eurem Gott, so wird sich die Glut seines Zorns von euch wenden» (2.Chr 30,8).
«So seid nun nicht halsstarrig wie eure Väter» = Seid nicht wie andere Menschen, wie die Generationen vor euch, wie das Israel zur Zeit Jesu. «… sondern reichet dem Herrn die Hand» = Lasst euch versöhnen! – Lassen auch Sie sich mit Gott versöhnen, ergreifen Sie Seine ausgestreckte Hand! Schlagen Sie sie nicht aus. «… kommt zu seinem Heiligtum, welches er auf ewig geheiligt hat» = Das ist Golgatha, Jesus Christus, das Angebot der Sündenvergebung. «… dienet dem Herrn, eurem Gott» = Stellen Sie sich Ihm zur Verfügung, wie es die Thessalonicher taten (1.Thess 1,9-10). «… so wird sich die Glut seines Zorns von euch wenden» = So werden Sie mit Gott versöhnt, gerettet und von Ihm gebraucht!
Wir haben gesehen, dass sich die 70 Jahrwochen einzig auf Israel beziehen. Und so betrifft auch die noch ausstehende letzte Jahrwoche von 7 Jahren das jüdische Volk. Wir als Gemeinde Jesu, die wir lediglich eingeschoben sind (Paulus nennt es auch «eingepfropft», Röm 11,17-24), können daher jederzeit mit der Entrückung rechnen. Wir haben allen Grund, uns intensiv mit der biblischen Prophetie zu beschäftigen und die Haltung und Gesinnung einzunehmen, die Daniel hatte. 69 Jahrwochen sind bereits erfüllt, die letzte Jahrwoche steht vor der Tür, Jesus kommt bald!
Von Norbert Lieth