17.09.2010

Die Vorentrückungslehre

Die Vorentrückungslehre ist der Glaube, dass die Entrückung der Gemeinde Jesu vor dem Beginn der siebenjährigen Trübsalzeit geschieht. Die Entrückung bewirkt, dass die Gläubigen ihre verherrlichten Körper erhalten – die Lebenden durch Verwandlung und die Verstorbenen durch Auferstehung – und für immer beim Herrn Jesus Christus sein werden. 
In den Evangelien wird die Entrückung einzig in Johannes 14,1-3 erwähnt, während auf das zweite Kommen des Herrn in Herrlichkeit mehrfach Bezug genommen wird. Logischerweise offenbart somit das Alte Testament die Entrückung gar nicht, denn sie ist ein Ereignis für die Gemeinde. Christus gab erstmals das Versprechen der Entrückung im Neuen Testament. Allerdings verheisst das Alte Testament das Kommen des Messias als höchsten König auf Erden. Die Apostelbriefe beleuchten hauptsächlich die Entrückung. Die Evangelien heben das zweite Kommen des Messias in Herrlichkeit hervor. Die Jünger Christi erwarteten die Erfüllung der alttestamentlichen Prophezeiungen über den Messias, der auf dem Thron Davids in Jerusalem regieren wird. Logischerweise und im Kontext gesehen betonen also die Evangelien das Kommen Christi für Israel – die Erfüllung der Bundesverheissungen und Aufrichtung Seines irdischen Königreichs. Die Gemeinde war ein Geheimnis, «das verborgen war, seitdem es Weltzeiten und Geschlechter gibt» (Kol 1,26). Und daher war auch die Entrückung der Gemeinde ein Geheimnis (1.Kor 15,51-54). Das Geheimnis bezüglich der Auferstehung der Gläubigen ist, dass einige nicht sterben werden (1.Kor 15,51).
Ein Geheimnis ist eine Wahrheit, die zuvor noch nicht von Gott offenbart wurde. Es gibt verschiedene Geheimnisse, die in der Schrift aufgedeckt werden. Die Schrift bezieht sich auf das Geheimnis des Reiches der Himmel oder des Reiches Gottes (Mt 13). Paulus gebraucht das griechische Wort «musthrion» (Geheimnis) zwanzig Mal. Laut 1. Korinther 15,51 gibt es ein Geheimnis betreffs der Auferstehung und Verwandlung der Gläubigen der Gemeinde (vgl. 1.Thess 4,14-17). Die Zusammensetzung der Gemeinde sowohl aus Juden als auch Heiden ist ein Geheimnis (Eph 3,1-11). Die Menschwerdung Gottes ist ein Geheimnis (1.Kor 2,7; Kol 2,2.9). 2. Thessalonicher 2,7 bezieht sich auf das Geheimnis der Gesetzlosigkeit. Israels gegenwärtige Verstockung ist ein Geheimnis (Röm 11,25). Die Offenbarung benennt das Geheimnis der sieben Sterne (1,20) und der Hure (17,5.7). Die Heilige Schrift spricht sogar vom Geheimnis von «Christus in euch, die Hoffnung der Herrlichkeit» (Kol 1,27).
Das Geheimnis, das Paulus in 1. Korinther 15 mitteilt, ist: «Wir werden zwar nicht alle entschlafen» (d.h. sterben; V 51). Das griechische Wort steht hier in der Zukunftsform im Passiv, Wirklichkeitsform: «koimhqhsomeqa», das bedeutet, dass die Gläubigen in der Zukunft «nicht alle entschlafen werden». Mit anderen Worten: Einige Gläubige werden vor der endzeitlichen Auferstehung der Heiligen nicht physisch sterben. Wenn Paulus schreibt, «wir werden zwar nicht alle entschlafen», bezieht er sich eindeutig auf den physischen Tod. Das «musthrion» bedeutet, dass, wenn die Auferstehung erfolgt, es Gläubige geben wird, die immer noch leben. Und der Gebrauch der 1. Person im Plural für «entschlafen» bedeutet, dass Paulus sich selbst zu denen zählte, die die Möglichkeit haben, während sie leben, verwandelt zu werden. Der Apostel erwartete die Auferstehung als ein nahes Ereignis, das zu seinen Lebzeiten hätte eintreffen können.
Der Bibellehrer Earl Radmacher schreibt: «Es mag eine Verzögerung geben, aber es wird kein notwendiges, prophezeites Ereignis vor dem Kommen Christi für Seine Gemeinde geben.» Bibellehrer Leon Morris würde widersprechen, dass dies eine unzulässige Schlussfolgerung ist: «Die schlichte Tatsache ist, dass Paulus nicht wusste, wann diese Ereignisse stattfinden würden. Nirgendwo behauptet er, dass er es wisse. Wenn er sagt, wir, dann meint er ‹wir Gläubige›, ‹Christen, die zu der Zeit leben›.» Nun, wenn die Stelle heissen könnte: «Christen, die zu der Zeit leben», dann würde dies doch den Apostel Paulus mit einschliessen. Und das ist genau der Punkt. Zweifellos betrachtete Paulus die unmittelbar bevorstehende Verwandlung der lebenden Gläubigen als einen Ansporn für ein Leben in der Heiligung (1.Kor 15,51; Phil 3,20-21; 1.Thess 4,7; Tit 2,13) und als etwas, das zu seinen Lebzeiten hätte geschehen können.
Die andere Wahrheit, die Paulus in 1. Korinther 15 mitteilt, ist: «wir werden aber alle verwandelt werden» (V 51). Entweder wird der Körper eines Gläubigen zur Zeit der Auferstehung tot oder am Leben sein (1.Thess 4,13- 18). Aber unabhängig vom aktuellen Zustand werden alle verwandelt (verändert) werden. Paulus’ Aussage über die Verwandlung der Heiligen bei der Entrückung beantwortet die Fragen, die seine vorangegangenen Worte in Vers 50 aufwerfen: Was wird mit den Gläubigen geschehen, die nicht im Vorfeld der Auferstehung sterben? Wie werden sie teil an der Auferstehung des Leibes haben? «Fleisch und Blut (können) das Reich Gottes nicht erben» – also muss es eine Verwandlung geben (1.Kor 15,50; Phil 3,21). Die Verwandlung wird für einige stattfinden, während sie noch leben.
Es muss gesagt werden, dass die Lehre der Auferstehung des Leibes selbst kein Geheimnis ist, da es im Alten Testament gelehrt wird (Hiob 14,14). Das Geheimnis ist, dass nicht alle Heiligen der Gemeinde den physischen Tod erfahren werden. Die Auferstehung und Verwandlung, die sich ereignen, während einige noch leben, ist ein Geheimnis, das zuvor unbekannt war. Es wird Gläubige geben, die nicht den zwischenzeitlichen Zustand erleben werden, welcher auf dem physischen Tod folgt und der Auferstehung des Leibes vorausgeht (2.Kor 5,10).
Wir Christen haben in Jesus Christus eine grosse Hoffnung. Alle Menschen sind vor Gott als Sünder verurteilt. Doch in Jesus Christus als Erlöser gibt es aus Gnade durch den Glauben Sieg über den Lohn der Sünde – den Tod. Allein Christus kann den Sieg schenken – entweder durch die Auferstehung oder die Verwandlung. Das Wissen um die Entrückung der Gemeinde sollte eine reinigende Auswirkung auf uns, den Leib Christi, haben, da wir jederzeit in Christi Gegenwart sein könnten. Dies sollte uns doch dazu motivieren, alle Gebote unseres Herrn zu befolgen und verantwortungsvoll mit den Privilegien des Evangeliums umzugehen. Zweifellos sollten wir aktiv in der Arbeit unseres Herrn und Erlösers sein, damit wir uns nicht zu schämen brauchen, wenn Er zurückkehrt, um Seine Gemeinde zu sammeln.
Von Ron J. Bigalke Jr.